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NFL Third and Long Week 7: Bortles-Debakel - und kann man mit Defense gewinnen?

Die Baltimore Ravens sind bislang in dieser Saison die defensive Ausnahme in der NFL.
© getty

Mit Woche 7 im Rückspiegel stellen sich einige zentrale Frage: In wie weit kann man mit defensivem Football heute überhaupt noch gewinnen? Haben die Jacksonville Jaguars ihren Fehler endlich eingesehen - und was wären Alternativen zu Blake Bortles? Und wie aggressiv sollten sie dabei sein? Außerdem: MVP-Diskussionen, modernes Run Game und wessen Trainerstuhl wackelt eigentlich am meisten?

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Jacksonvilles Bortles-Debakel - und welche Optionen bleiben

Die Jaguars haben am Sonntag womöglich den Anfang vom Ende der Blake-Bortles-Ära eingeleitet. Mit der Bereitschaft, Bortles während des Duells mit den Texans raus zu nehmen und dem anschließenden Kommentar von Coach Doug Marrone, wonach die Quarterback-Situation "offen ist", ist fraglos klar: Bortles hat eine sehr kurze Leine, auch wenn er das London-Spiel gegen die Eagles in der kommenden Woche erneut starten darf.

Umso ironischer wirkt es da, dass ESPN-Insider Adam Schefter ausgerechnet vor diesem Spiel berichtete, dass Jacksonville die Quarterback-Position intern als "das geringste Problem" sehe und ein Trade für einen anderen Quarterback nicht in Betracht gezogen wird. Erstaunlich für sich, das Spiel gegen die Texans und letztlich die Entscheidung, Bortles durch Kessler - ein Spieler, der letztlich geholt wurde, um Bortles' Position als Starter zu zementieren - zu ersetzen, muss diese Frage aber neu auf den Tisch bringen. Mindestens.

Das Problem mit Jacksonville und Bortles war immer, dass Bortles mit seinen vereinzelt spektakulären, zu häufig aber außerhalb der Top-25 auf seiner Position stattfindenden Auftritten genau der Quarterback war, der in die Struktur dieses Jaguars-Teams überhaupt nicht passt. Ein Jaguars-Team, das nichts anderes als einen sicheren, soliden Game-Manager mit einer stabilen, durchschnittlichen Base-Line braucht, um konkurrenzfähig zu sein.

Dass dann die Offensive Line dieses Jahr ein zunehmend großes Problem wurde, die Verpflichtung von Andrew Norwell bisher enttäuschend ist, Verletzungen das Receiving-Corps dezimierten und Drops diese Jaguars-Saison im Passspiel prägen, hilft natürlich wenig. Aber die Frage muss auch erlaubt sein: Haben die Jaguars ihr Team nicht auch einfach philosophisch falsch zusammengestellt?

Jacksonville und das Problem mit der Defense

Die Defense selbst spielt dieses Jahr auch nicht auf dem dominanten Vorjahres-Level. Gegen die Cowboys gab es mehrere Coverage-Breakdowns in den Soft Zone Coverages, die intern bei den Spielern ohnehin nicht allzu beliebt sein sollen und angesichts des Jags-Personals in der Secondary auch nicht ratsam scheinen. Der Pass-Rush ist nicht so gefährlich und von Snap zu Snap nicht so vernichtend wie im Vorjahr, auch wenn die individuelle Qualität noch immer hoch ist.

Die Jaguars-Defense im Vorjahr war vor allem stark durch Sacks, Turnover und die Red-Zone-Defense, drei von Jahr zu Jahr nur selten konstant haltbare Kategorien. Und das vor dem Hintergrund, dass defensive Production und defensive Leistung ohnehin von Jahr zu Jahr inzwischen statistisch größeren Schwankungen unterliegen, als auf der anderen Seite des Balls.

Natürlich hilft es, eine sehr gute Pass-Defense zu haben. Aber man muss heute in der Lage sein, selbst Spiele über das Passspiel konstant (!) gewinnen zu können; andernfalls wird man irgendwann in Spielen auf Hindernisse stoßen, die man schlicht nicht überwinden kann.

Ob Regeländerungen in den vergangenen Jahren, die nahezu alle die Offense stärken - ganz aktuell natürlich die neue Sack-Regel -, die Tatsache, dass sich die NFL inzwischen endlich offensiv für "College-Elemente" öffnet oder auch ein generell hohes Quarterback-Level aktuell: selbst die besten Defenses können in jedem Spiel auseinander genommen werden und es ist mitnichten ein Zufall, dass Woche für Woche Passing-Rekorde aller Art fallen.

Wir leben im Zeitalter des Passing Games, und wer das nicht akzeptiert und sein Team dementsprechend, was Coaches und Spieler angeht aufbaut und die Quarterback-Position dementsprechend behandelt, der fällt zurück. Wer seine Offense über ein Run Game aufbauen will und sich so auch im Play-Calling und in der Team-Zusammenstellung verhält, der wird schon bald wie ein Dinosaurier daherkommen, der versucht, ein Spiel zu verlangsamen, das an ihm vorbei rauscht.

Jacksonville war im Vorjahr darauf ausgelegt, mit einer eigenen Führung im Rücken Spiele offensiv zu verwalten und defensiv zu gewinnen: Den Jags gelangen 2017 in zwölf Spielen die ersten Punkte - davon konnten sie zehn gewinnen. Dieses Jahr stehen sie bei 3-0 in den gleichen Szenarien, und bei 0-4 wenn der Gegner zuerst punktet. So, wie die Jaguars ihr Team zusammengestellt haben, werden sie in der heutigen NFL immer limitierter und mehr von verschiedenen Umständen abhängig sein als andere Teams.

Jaguars: QB-Trade? Welche Optionen bleiben?

Letztlich bleibt eine klare Frage: Welche Optionen bleiben für Jacksonville? Die Defense kann immer noch sehr gut sein, sie ist aber eben (noch?) nicht wieder auf dem elitären Level der Vorsaison. Und wenn man sich die Entwicklungen in der NFL anschaut, dann darf man eben auch fragen, ob eine dominante Defense heute überhaupt noch für den ganz großen Wurf reicht.

Um der noch immer sehr guten Defense zumindest eine Chance zu geben und das Fenster dieser Unit bestmöglich auszunutzen, sollte Jacksonville endlich auf den absoluten Win-Now-Modus schalten; etwas, dass die Jaguars im Frühjahr in der Free Agency und dann im Sommer in der Preseason - ganz besonders mit Teddy Bridgewater auf dem Trade-Markt - erfolgreich ignoriert hat. Das bedeutet vor allem, dass Jacksonville offensiv in der Lage sein muss, konstanter zu punkten; auch bei eigenem Rückstand.

Dieses Team darf nicht permanent auseinander fallen, wenn es einen 2-Score-Rückstand aufholen muss - was natürlich die Frage aufwirft: wer wäre überhaupt verfügbar? Wären die Saints bereit, Bridgewater für einen Zweitrunden-Pick nochmals weiter zu traden? Was ist mit Ryan Fitzpatrick? Nick Foles? Tyrod Taylor? All diese Kandidaten wären verfügbar und im mindesten Fall als ernsthafte Konkurrenz in Jacksonvilles aktueller Quarterback-Situation sofort eine Hilfe.

Jacksonville hat sein Fenster mit dieser Defense lange genug mit Bortles Woche für Woche aufs Spiel gesetzt. Es ist fünf vor zwölf, die Jaguars sollten jetzt reagieren.

Die Baltimore Ravens: Die beste Defense der NFL

Der Anschlusspart an die Defense-Frage in der heutigen NFL dreht sich um die aktuell beste Defense der Liga: die der Baltimore Ravens. Als einziges Team sind die Ravens aktuell in der Lage, schlechte Teams komplett zu dominieren und gegen Offenses mit viel Feuerkraft den Schaden regelmäßig zu begrenzen - mit dem Bengals-Spiel als Ausnahme.

Das lässt sich mit zwei Säulen zentral begründen, auf denen diese Ravens-Defense neben der individuellen Qualität steht. Baltimore hat die Defense mit der vielleicht größten Erfahrung auf Schlüsselpositionen und nutzt das, um die schematisch derzeit vielleicht komplexeste Defense der Liga zu spielen.

Baltimore agiert defensiv extrem flexibel. Generell spielen die Ravens viel Nickel, drei Cornerbacks - Rückkehrer Jimmy Smith ist da noch nicht dabei - haben schon über 200 Cover-Snaps auf dem Konto. Aber sie spielen auch gerne Big Nickel, also mit drei Safetys statt drei Cornerbacks; neben Tony Jefferson und Eric Weddle kommt dann Anthony Levine aufs Feld.

Die Ravens nutzen ihre Safetys außerdem nur zu gerne, um Coverages zu verstecken, Spieler in für die Offense unerwartete Matchups zu bringen und gleichzeitig auch DB-Blitzes zu spielen: Die Ravens haben bereits vier Defensive Backs (die drei Safetys und Cornerback Tavon Young) mit je mindestens einem Sack auf dem Konto.

Außerdem ist Baltimore in seinen Blitz- und Pressure-Paketen nicht nur aggressiv, sondern ebenfalls vielseitig. Bei einem frühen langen Third Down der Saints etwa spielt Baltimore einen zumindest in dieser Partie vergleichsweise selten eingesetzten Overload-Blitz, bei dem sich die rechte Seite der Front komplett in Coverage zurückfallen lässt, während vier Spieler die andere Seite attackieren.

Das passt auch zu einer anderen Qualität: Die Ravens stellen immer wieder - unabhängig vom Down - die Line of Scrimmage mit verschiedensten Spielern zu, um Pressure aus verschiedenen Richtungen zu bringen und dann beim nächsten Snap wieder aus ähnlicher Formation die Spieler, die gerade noch geblitzt haben, nach dem Snap doch in Coverage zurück zu ziehen.

All diese Elemente dienen auch dazu, dem Quarterback die Pre-Snap-Reads zu erschweren und die Post-Snap-Reads hinauszuzögern. Der Quarterback soll beim Snap möglichst selten wissen, woher der Druck kommt und welche Spieler sich in Coverage zurückfallen lassen.

Ganz eklatant war das letzte Woche gegen die Titans, als zehn der elf Sacks bei Plays zustande kamen, bei denen Mariota den Ball mindestens 2,5 Sekunden nach dem Snap noch in der Hand hatte. Das gelang tatsächlich auch gegen Brees, der - komplett untypisch für sein Spiel - den Ball in fast 42 Prozent der Dropbacks 2,5 Sekunden oder länger in der Hand hielt. Dass er trotzdem so wenig Pressure bekam, ist ein großes Lob an die eigene Offensive Line.

Ravens-Blitzing: Druck aus allen Richtungen

Denn die Ravens lieben es, dann auch tatsächlich zu blitzen; so wie bei diesem ultra-aggressiven Double-Corner-Blitz, wohlgemerkt bei einem First Down der Saints. Keine falsche Zurückhaltung, kein auf Sicherheit bedachtes Play-Calling - Baltimore lässt beide Cornerbacks den Edge-Blitz losfeuern, und eigentlich ist es ein Sack - wenn Jimmy Smith Brees auch zu Boden bringen könnte.

Baltimore, das sich dieses aggressive Vorgehen mit einer tiefen, sehr stark besetzten Coverage-Unit leisten kann, hat bislang in dieser Saison in jedem Spiel in mindestens einem Viertel der gegnerischen Dropbacks geblitzt und hatte schon vor dem Spiel am Sonntag zwei Partien mit einer Blitz-Quote von über 55 Prozent (Browns, Titans) - gegen die Saints kam ein weiteres dazu, Baltimore blitzte Drew Brees in 58 Prozent seiner Dropbacks.

Gegen eine der gefährlichsten Screen- und Kurzpass-Offenses der NFL zeugt das auch von Selbstvertrauen in die eigenen Qualitäten - auch wenn Brees letztlich bei 18 Blitzes nur einen Sack einsteckte, elf von 17 Pässen anbrachte und einen Touchdown-Pass warf. Das wiederum beschreibt letztlich auch einfach Brees' Klasse.

Der frustrierendste Blitz aus Ravens-Sicht kam kurz vor Ende des dritten Viertels. Baltimore hatte oftmals in diesem Spiel den richtigen defensiven Play-Call, Brees zerstörte ihn nur einfach - genau wie bei diesem absolut kritischen Play.

Die Ravens führten 1:22 Minuten vor dem Schlussviertel mit 17:7, es war ein langes Third Down tief in der Saints-Hälfte. Baltimore griff erneut tief in die Blitz-Kiste und holte einen Defensive Back/Linebacker Triple-A-Gap-Blitz aus dem Second Level heraus! Ein toller Call, und der tiefe DB kam auch frei auf Brees durch, hing an ihm - konnte den Pass aber trotzdem nicht verhindern. Brees' Pass landete dann fast an der Line of Scrimmage bei Michael Thomas, der mit einer herausragenden individuellen Leistung das First Down erkämpfte.

Am Ende kamen die Ravens nur auf acht individuelle Pressures, Strong Safety Tony Jefferson hatte als einziger Spieler derer zwei und Brees stand bei nur sechs seiner 31 Dropbacks unter Druck.

Trotzdem hatte Brees seine niedrigste Yard-Ausbeute für dieses Jahr (212), blieb klar unter seinem Schnitt was Yards pro Pass angeht (7,1) und hatte sein zweitschlechtestes Saisonspiel was Completion Percentage angeht (73,3 Prozent), während Alvin Kamara (3,8 Yards pro Run) und Mark Ingram (2,7) beide nicht an die 4-Yards-pro-Run-Marke kamen.

Lediglich der erste PAT-Fehlschuss in der Karriere von Justin Tucker verhinderte am Ende zumindest die Overtime, dennoch war es ein positives Spiel für eine Ravens-Defense, die eine klare Identität hat und in einer Saison, die komplett von Offenses dominiert und diktiert wird, für ein kleines bisschen Balance sorgen kann.

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