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Debatte? Welche Debatte?

Matt Hasselbeck springt derzeit überaus erfolgreich für den verletzten Andrew Luck ein
© getty

Wenn die Pittsburgh Steelers am Sonntagabend die Indianapolis Colts empfangen, erwartet die Fans nicht nur das Duell zweier AFC-Playoff-Aspiranten. Es ist auch der nächste Auftritt des 40-jährigen Matt Hasselbeck, der aufseiten der Colts nach wie vor Andrew Luck vertritt und noch immer ungeschlagen ist. Doch von einer Quarterback-Debatte ist in Indy keine Spur - vielmehr wartet der bislang schwerste Test für den Routinier. SPOX zeigt die Partie in der Nacht zum Montag (2.30 Uhr) im LIVESTREAM FOR FREE!

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Die Ansage von Colts-Coach Chuck Pagano in Richtung Matt Hasselbeck war genau so lobend, wie bestimmend: "In seinem Alter und als Backup-Quarterback bei 4-0 zu stehen ist natürlich toll für uns. Wir haben großes Glück, ihn zu haben und ich hoffe, er macht so weiter." Zwei Dinge waren dabei essentiell: Ja, Hasselbeck hat die Colts auf Playoff-Kurs gehalten. Und nein, Andrew Luck muss deshalb nicht um seinen Stammplatz zittern.

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Allein die Tatsache, dass sich Pagano wiederholt öffentlich dazu äußern musste, verdeutlicht allerdings: Die Quarterback-Frage in Indianapolis ist längst nicht für jeden eine Selbstverständlichkeit. Ein Blick auf die oberflächlichen Zahlen lässt auch schnell klar werden, warum dem so ist. Hasselbeck steht bei sieben Touchdowns und zwei Interceptions, seine vier Spiele hat der 40-Jährige in dieser Saison allesamt gewonnen.

Luck dagegen? 15 Touchdowns, zwölf Interceptions, bei fünf Pleiten und nur zwei Siegen. Dazu kamen teilweise haarsträubende Fehler auf dem Platz, oftmals verursacht durch unnötige Risiken. Und so ist das Quarterback-Thema in Indianapolis inzwischen eine medial offen geführte Debatte - mit nicht wenigen Experten, die aktuell Hasselbeck Luck vorziehen würden, selbst wenn der 26-Jährige seine Nierenverletzung vollständig auskuriert hat.

Hasselbeck: "Kenne meine Grenzen"

Doch für Pagano und auch für Hasselbeck selbst ist es eine absurde Diskussion. Selbst wenn man sich auf die extrem trügerische Siegesbilanz stützen will, reicht hierbei ein Blick auf Hasselbecks Gegner: Jacksonville, die (damals noch) desolaten Houston Texans, die (damals bereits) desolaten Atlanta Falcons und zuletzt die Tampa Bay Buccaneers, deren Offense in der zweiten Hälfte keinen einzigen Punkt auf die Anzeigetafel bekam.

Unter Hasselbeck haben die Colts darüber hinaus alle drei Spiele, in denen beide Teams je maximal acht Punkte trennten, gewonnen. Mit Luck gelang das nur in einem von vier Fällen. So kommt es nicht von ungefähr, wenn Hasselbeck klar stellt: "Ich kenne meine Grenzen. Vielleicht ist das sogar eine Stärke. Aber ich habe viele Einschränkungen."

Das wissen auch die Coaches und dementsprechend wurde die Offense für Hasselbeck umgestellt. Schnellere, kürzere Pässe sind das Rückgrat dieser Offensive unter dem Routinier. Wenig überraschend ist es daher, dass Hasselbecks 1.023 Passing-Yards zu 44,5 Prozent durch vom Receiver nach dem Catch erlaufene Yards entstehen. Bei Luck (1.881 Yards) sind es über sechs Prozent weniger (38,3).

"Das ist Andrew Lucks Team"

All das, um nochmals den Blick auf Paganos Eingangszitat zu richten, bedeutet aber weder, dass Hasselbeck schlecht gespielt hat - noch, dass bei Luck alles gut war. Auch vor seiner ernsthaften Verletzung ging Luck teilweise überhastet durch seine Reads, teilweise las er die gegnerischen Coverages schlicht falsch. Es folgten, als logische Konsequenz, mitunter haarsträubende Fehlwürfe.

Es bedeutet lediglich, dass Hasselbeck die Basics besser erfüllt als Luck. Das aber gleichzeitig in einer deutlich, wie Hasselbeck offen eingesteht, limitierten Offense. Umso erfrischender ist die Ruhe, mit welcher der Routinier seine Aufgabe angeht. Das berichtete auch SPOX-Kolumnist Björn Werner von seinem Teamkollegen.

Hasselbeck stellte sich etwa den Medien auch nach Lucks Verletzung weiterhin jeden Tag zur Verfügung, wenngleich er dazu als Starter nicht mehr verpflichtet ist. Er bleibt entspannt, gibt keine großspurigen Ankündigungen ab und betonte unter der Woche auf der Team-Homepage: "Ich kenne die Wahrheit. Das ist zu 100 Prozent Andrew Lucks Team. Er ist nicht nur der Quarterback der Zukunft, er war auch der Quarterback der Vergangenheit. Er hat sich jeden Respekt, den er innerhalb dieses Teams genießt, voll verdient."

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Nur ganz selten lässt er dann doch mal durchblicken, dass ihn der Ehrgeiz gelegentlich doch noch packt: "Es wird etwas anders sein, wenn ich wieder Backup bin. Aber so ist die Situation. Es gehört zu dem Job dazu, der größte Fan des Starters zu sein und manchmal muss man daran arbeiten." Auf ihn selbst treffe das aber nicht zu: "Ich bin wirklich Andrews größter Fan und Unterstützer. Alles was ich tun kann, um ihn oder dieses Team zu unterstützen, das mache ich. Ich bin nur hier, um zu helfen."

Echter Härtetest in Pittsburgh

Selten war genau das nötiger, als am kommenden Sonntagabend. In Pittsburgh wartet gegen die Steelers, die ihrerseits nach der Pleite in Seattle um die Playoffs kämpfen, der bislang größte Test für Hasselbeck in dieser Saison. "In ihrer Coverage sind sie oft so nah dran. Es ist ein schmaler Grat zwischen einem Big Play für die Offense und einem Big Play für die Defense", mahnte daher auch der 40-Jährige.

Zudem wird es wichtig sein, den Ball schnell weg zu bekommen: "Ihre Blitze sind wirklich aggressiv und die Secondary vertraut darauf, dass der Pass-Rush beim Quarterback ankommt. Oft gelingt das auch." Ein Blick auf die Statistik bestätigt Hasselbeck, Pittsburgh steht bei 30 Sacks. Nur sechs Teams haben mehr.

Dabei hilft es wenig, dass Tackle Anthony Castonzo und Guard Hugh Thornton nach wie vor stark angeschlagen sind. Mit den beiden O-Linern leidet auch das Running Game, Frank Gore kam über die vergangenen beiden Spiele auf 34 und 24 Rushing-Yards - bei einem Schnitt von 2,4 beziehungsweise 1,3 (!) Yards pro Run.

Ein historisches Duell

Trotzdem wird Hasselbeck wohl mehr punkten müssen als zuletzt, immerhin erwartet die anfällige Pass-Defense der Colts eine der gefährlichsten Passing-Offenses: Steelers-Quarterback Ben Roethlisberger, der Indianapolis vor gerade einmal elf Monaten mit 522 Yards und sechs Touchdown-Pässen komplett zerlegte, hat seine Gehirnerschütterung überwunden und ist bereit für das Rematch der besonderen, historischen Art.

Vor zehn Jahren führte ein junger Big Ben seine Steelers bereits zum Sieg über Hasselbecks Seahawks. Ein Super-Bowl-Rematch der beiden Starting Quarterbacks nach zehn Jahren hat es zuvor erst ein Mal gegeben: 1994 trafen Joe Montana und Dan Marino in Montanas letztem Spiel nochmals aufeinander.

Für Pittsburghs Defense gab es passend dazu unter der Woche gute Nachrichten. James Harrison, Mike Mitchell und Ryan Shazier kehrten, im Gegensatz zu Tight End Heath Miller, am Donnerstag ins Training zurück. Auf Nachlässigkeiten in der starken Front Seven sollten die Colts also nicht hoffen.

Neue Aufgabe für Hasselbeck

Nach wie vor gilt dennoch: Die Steelers-Zone-Defense kann im Passing Game geschlagen werden, wenn es durch Route-Konzepte gelingt, mehrere Receiver gegen einzelne Verteidiger zu stellen - und in T.Y. Hilton hat Indy eine brandgefährliche Waffe für eine solche Herangehensweise. Dafür sind allerdings konstant Pässe über wenigstens zehn bis 15 Yards nötig, wie Seahawks-Quarterback Russell Wilson am Sonntag eindrucksvoll untermauerte (11,5 Yards pro Passversuch).

Es bleibt abzuwarten, wie Hasselbeck mit dieser Aufgabe fertig wird. Er wird seine Komfort-Zone dafür zweifellos verlassen müssen. Aber so oder so ist klar: In Indianapolis sind sie froh, Hasselbeck zu haben. Und warum auch nicht? Einen besseren Backup-Quarterback kann man sich kaum wünschen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist der Routinier.

"Andrew ist unser Starting-Quarterback", fügte Pagano dann auch für den letzten Zweifler hinzu: "Wenn er gesund und bei 100 Prozent ist, wird er spielen. Natürlich willst du nie, dass sich dein Star-Quarterback verletzt. Aber so ist es jetzt nun mal. Und Gott sei Dank haben wir ja Matt."

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