Es ist eine emotionale Zeit für Dereck Lively II. Noch nicht einmal ein Jahr ist es her, dass der Big Man aus Duke als Lottery-Pick zu den Dallas Mavericks kam. Die Texaner waren im letzten Sommer ein Team mit Titelambitionen, die sich von Livelys Verpflichtung viel versprachen: Der 2,16 Meter große Ausnahmeathlet sollte Luka Doncics lang ersehnter Pick'n'Roll-Partner werden und dazu noch die wackelige Mavs-Defensive ankern.
Als wären diese Erwartungen nicht schon genug, kamen für Lively private Tiefschläge dazu. Kurz vor dem Ende seiner ersten NBA-Saison verstarb seine Mutter mit 53 Jahren an Krebs. Sie sei die wichtigste Person in seinem Leben und sein größter Fan gewesen, sagte Lively nach ihrem Tod im April.
Sowohl die hohen sportlichen Erwartungen als auch seine Trauer haben Lively jedoch nicht davon abgehalten, sich stetig weiterzuentwickeln und fester Bestandteil eines der vier besten Teams im Westen zu werden. Die aktuelle Serie der Mavs gegen die Thunder unterstreicht, wie wichtig der 20-jährige jetzt schon ist. 12 Punkte und 8 Rebounds sammelte er beim knappen 105:101 der Mavs, das die Serie gegen OKC auf 2-1 für Dallas stellte. "Meine Mama war immer bei mir", betonte er anschließend. "Sie schaut zu und glaubt weiterhin an mich."
Dereck Lively II: Die Prophezeiungen werden wahr
Aus dem Mavs-Lineup ist er schon nach einem Jahr nicht mehr wegzudenken: Livelys Größe gibt den Mavs vor allem in puncto Rebounding einen enormen Vorteil, den sie gegen ein vergleichsweise kleines Thunder-Team ausspielen können. In Spiel 3 schnappte er sich 3-Offensiv-Rebounds in 27 Minuten und bestrafte vor allem die kleinen Thunder-Lineups zu Beginn, wenn seine Minuten mit Chet Holmgren gestaffelt wurden.
Laut Cleaning the Glass holt Lively in diesen Playoffs bei jedem zehnten Korbabschluss einen offensiven Rebound, bei Freiwürfen ist es sogar jeder Sechste. Solche Zahlen findet man sonst nur in den Sphären von Rudy Gobert und Nikola Jokic.
In der Defensive ist Lively als On-ball-Verteidiger passabel, seine Stärken hat er aber unter dem Korb. Vor allem in Dallas, wo man nicht mit der besten ersten Verteidigungsreihe am Perimeter ausgestattet ist, ist Livelys Länge und sein Shot-Blocking sehr wertvoll. Mit einer Blockrate von 2,5 Prozent in den Playoffs rangiert Lively auch in dieser Kategorie wieder in der Top-10 aller Big Men.
Dereck Lively II: Er ist für große Momente gemacht
Offensiv gibt es sicherlich noch Luft nach oben. Wenn man sich Livelys Boxscore anschaut, lesen sich seine Wurfquoten in der Serie gegen die Thunder für einen Center geradezu katastrophal. Während er über die Saison hinweg noch eine Bank hinsichtlich seiner Wurfeffizienz war (74,4 Prozent Effective Field Goal Percentage), sind seine Zahlen in den Playoffs drastisch zurückgegangen (eFG%: 60,5). Vor allem in Spiel 2 (1/7 FG) nahm Lively eine eher unglückliche Rolle ein, als er ein ums andere Mal Abschlüsse am Korb verlegte.
In Spiel 3 zeigte sich ein ähnliches Muster. Lively ließ sich immer wieder von Holmgren bei seinen Abschlüssen am Ring beeinflussen und auch das Timing im Zusammenspiel mit Kyrie und Luka schien wie verhext. Mehrfach in dieser Serie hat Lively nun schon Dunks in den Sand gesetzt, es ist sein einziger echter Makel in dieser Serie.
Allerdings war es auffällig, dass Head Coach Jason Kidd in Abwesenheit von Maxi Kleber lieber dem Youngster vertraute und Starting Center Daniel Gafford, für den Dallas zur Trade Deadline einen Pick Swap in der 1. Draft-Runde auf den Tisch gelegt hatte, am Ende nur zuschaute. Selbst wenn dieser zwischenzeitlich mit Schulterproblemen angeschlagen war.
Spieler | Spielzeit Spiel 1 | Spielzeit Spiel 2 | Spielzeit Spiel 3 | +- |
Gafford | 27 | 27 | 20 | -18 |
Lively II | 13 | 20 | 27 | +21 |
Das hatte jedoch Methode: Mit +21 hat Lively über die drei Spiele das beste Plus-Minus aller Mavs-Akteure, das Defensiv-Rating für Dallas beträgt in seinen Minuten starke 101,6. Wohl auch deswegen wagte OKC im vierten Viertel einen Move, den man in jüngerer Vergangenheit nicht mehr allzu häufig sah: "Hack-a-Shaq" wurde gegen den Rookie ausgepackt. Bei einer Quote von 50,6 Prozent von der Linie über die Saison eine vertretbare Entscheidung, Lively absichtlich zu foulen.
Und der zeigte zunächst Nerven: Er versenkte nur einen seiner ersten vier Freiwürfe. In der Folge versuchte Lively, dem Freiwurf-Hacking auszuweichen - und rannte dafür sogar vor Holmgren davon.
Dereck Lively II: Kyrie Irving sprach dem Rookie Mut zu
Kidd wechselte Lively daraufhin aus, doch nachdem OKC direkt im Anschluss zwei Offensiv-Rebounds am Stück schnappte, korrigierte der Coach das sofort: Lively kam zurück, OKC foulte und der Fünfer musste weitere Male an die Linie. Dieses Mal strafte er seine Statistiken jedoch Lügen und versenkte vier Freiwürfe in Folge.
"Die Leute vergessen immer, dass er ein Rookie ist [....] Das war absolut groß von ihm", lobte Kollege Luka Doncic den jungen Center. Lively konnte sich nicht nur nach dem Spiel auf seine Mitspieler verlassen. "Ich denke, Ky (Kyrie Irving) hat einen großartigen Job gemacht: Er hat ihm gesagt dass er nicht davonlaufen soll. Er soll einfach das Foul nehmen und die Freiwürfe reinmachen", sagte Trainer Jason Kidd über die Teamdynamik in der Auszeit.
In gewisser Weise ist diese Situation sinnbildlich für das Mavs-Team dieser Saison: Sowohl in den Reihen der Stars (Kyrie Irving und Luka Doncic) als auch bei den Rollenspielern scheint das Team eine gute Balance aus Erfahrung und Jugend gefunden zu haben.
Auf der Center-Position bekam der Rookie Lively am Samstag zum ersten Mal mehr Minuten als Gafford in der Serie. Betrachtet man seinen Einfluss auf das Spiel, kann man davon ausgehen, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Sollte es wieder eng sein, könnte ihn OKC auch erneut behandeln wie einst Shaquille O'Neal. Und dann? "Ich muss mich einfach zusammenreißen und die Dinger reinmachen", meinte Lively lapidar.
Mama wird von oben wieder zuschauen.
Thunder vs. Mavs: Die Serie im Überblick
Spiel | Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 8. Mai (Mi) | 3.30 Uhr | Oklahoma City Thunder | Dallas Mavericks | 117:95 |
2 | 10. Mai (Fr) | 3.30 Uhr | Oklahoma City Thunder | Dallas Mavericks | 110:119 |
3 | 11. Mai (Sa) | 21.30 Uhr | Dallas Mavericks | Oklahoma City Thunder | 105:101 |
4 | 14. Mai (Di) | 3.30 Uhr | Dallas Mavericks | Oklahoma City Thunder | |
5 | 16. Mai (Do) | 3.30 Uhr | Oklahoma City Thunder | Dallas Mavericks | |
6* | 19. Mai (So) | 2.30 Uhr | Dallas Mavericks | Oklahoma City Thunder | |
7* | 21. Mai (Di) | 2.30 Uhr | Oklahoma City Thunder | Dallas Mavericks |
* wenn benötigt