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NBA Legendenserie - Dwyane Wade: Der Bürgermeister von Miami und Mitgründer der neuen NBA

Von Ruben Martin
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Dwyane Wade wird am kommenden Wochenende in die Hall of Fame eingeführt. Der Shooting Guard ist in Miami eine lebende Legende, doch auch sein Einfluss auf die heutige NBA ist weiterhin enorm. In seiner Prime war Flash einer der Besten der Liga, dennoch gelang ihm etwas, was viele Superstars nicht schaffen: im richtigen Moment loszulassen.

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Shaq wusste es nur zu gut. Nicht er, der Diesel, dreifacher Finals-MVP, hatte Miami in diesen Momenten die erste Meisterschaft beschert. Nein, das hatten die Heat fast ausschließlich Dwyane Wade zu verdanken, der gegen die Dallas Mavericks eine Serie für die Ewigkeit spielte und fast im Alleingang einen 0-2-Rückstand umbog.

Die Finals-MVP-Trophäe für Flash war eine Formalität und Shaq überrumpelte bei der Zeremonie sogar den Commissioner David Stern (wie der das wohl fand?), um seinem Mitspieler das Ding zu überreichen. Typisch für den Big Fella, der so weiter ein Thema blieb und nicht müde wurde zu betonen, wie sehr er Wade gepusht habe. Als ob dieser das nötig gehabt hätte.

"Wade erinnert mich an einen Superhelden-Film", meinte der Diesel. "Er kannte seine Kräfte nicht, bevor er selbst einen Superhelden traf und dieser ihm sagte, dass er ganz genauso sei." Netter Versuch. Aber hatte Shaq da nicht den Dwyane Wade vergessen, der auf dem College mit dem kleinen Marquette-Team ein vollbesetztes Kentucky-Team vorführte und in seiner Rookie-Saison (ohne Shaq) Miami zu einem Seriensieg über Baron Davis' Hornets führte (inklusive ikonischem Game Winner in Spiel 1)?

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Dwayne Wade: Der Bürgermeister von Wade County

Nein, an Selbstvertrauen mangelte es auch dem jungen Wade, der in einem legendären Draft 2003 an Position fünf hinter LeBron James, Darko Milicic, Carmelo Anthony und Chris Bosh gezogen wurde, wahrlich nicht. Die Batman/Robin-Dynamik, die Shaq so gerne beschwor, die galt so in Miami nicht mehr. Die Heat wurden zu Wades Team und das blieben sie auch - mit der Ausnahme von einigen Heatles-Jahren -, als Flash zwar weiter das Gesicht der Franchise war, allerdings durch seine anhaltenden Knieprobleme immer kürzer treten musste.

"Wade ist in Miami so einflussreich wie der Bürgermeister", sollte dessen langjähriger Coach Erik Spoelstra später einmal sagen. Womöglich keine Übertreibung. Als Wade 2010 Free Agent wurde, beschlossen die Verantwortlichen von Miami-Dade County kurzerhand, den Bezirk für eine Woche in Miami-Wade County umzubenennen (für das Jersey Retirement wurde dies wiederholt), um den Liebling der Stadt auch wirklich zu halten.

Der damals 28-Jährige war der uneingeschränkte Star in Miami. Während Wade das Heat-Jersey überzog, flogen die Marlins (MLB), Dolphins (NFL) und Florida Panthers (NHL) komplett unter dem Radar. Nur die Panthers gewannen überhaupt in zwei verschiedenen Jahren Playoff-Spiele, nie reichte es für die zweite Runde. Wade war die einzige Konstante in einer Stadt ohne sonstige Sportstars.

Shaq legitimierte Miami durch seinen Trade-Wunsch zwar als Star-Destination, dazu war der Einfluss von Pat Riley stets allgegenwärtig, doch über allem stand immer noch Wade. Charismatisch, elegant, kraftvoll, redegewandt, selbstbewusst und eben auch einer der besten Spieler, welche die NBA zu bieten hatte.

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Dwyane Wade: Nowitzkis schlimmster Albtraum im Jahr 2006

Seit 2006 gab es daran keine Zweifel mehr. Die Mavs hatten ihre Parade bei 2-0 bereits geplant und führten auch im vierten Viertel des folgenden Spiels noch mit 13 Punkten, bevor Wade sich sein Cape überzog und Dallas aus allen Träumen riss. "Plötzlich war das Momentum wieder auf unserer Seite. Nachdem wir dann auch die anschließende vierte Begegnung gewonnen hatten, waren wir endgültig wieder am Leben", erinnerte sich Wade: "Spiel 3 war für mich eine Art Coming-Out-Party, das werde ich nie vergessen. Plötzlich hat es bei uns allen geklickt und jeder hat nahe an der Perfektion gespielt."

Das galt vor allem für ihn selbst. In den vier Siegen legte Wade fast 40 Punkte im Schnitt auf, wobei die Heat selbst nur in Spiel 5 die 100-Zähler-Marke (101) knackten. Wade wurde zum Albtraum der Mavs. Gegen seinen ersten Schritt und sein Arsenal von Abschlüssen mit beiden Händen und jeder Menge Athletik hatten diese nichts mehr entgegenzusetzen. Sein Wurf aus der Mitteldistanz musste zudem respektiert werden, bei Hilfe der Gegner setzte er seine Mitspieler sehr gut in Szene.

97-mal marschierte Wade in sechs Spielen an die Linie, der Guard erzwang es erfolgreich - und stürzte die NBA damit auch in eine tiefe Krise. Wie genau sollte man einen Spieler wie Wade behandeln, der sich stets mit allem, was er hat, ins Getümmel schmeißt? Letztlich war es ähnlich wie mit Shaq. Auch bei ihm konnte der Pfiff stets in beide Richtungen (oder eben ein No Call) gehen, 2006 hatten Wades Gegner meist das Nachsehen.

Dwyane Wade: Der Meister des Pump Fakes

Ohnehin war zu dieser Zeit niemand geschickter darin, Fouls zu ziehen, nicht nur bei Drives. Wade war der Meister des Pump Fakes. Jeder wusste, was kommt - und doch fielen die Verteidiger immer wieder drauf rein. Ein angetäuschter Wurf, der Verteidiger springt hoch, Wade setzt zum Wurf an und bekommt zwei Freebies.

"Die NBA sollte jedem Spieler eine Geldstrafe geben, der bei einem Wade-Pump-Fake an der Dreierlinie hochspringt", meinte der damalige TV-Experte Steve Kerr. "Liest denn niemand den Scouting Report?" Es wurde zu Wades Go-to-Move, vor allem später in seiner Karriere, als die Knie immer schlechter wurden und er (diesmal wirklich) der Robin neben Batman wurde.

"Bürgermeister" Wade rückte langsam ins zweite Glied - und das aus freien Stücken. Zusammen mit LeBron, Melo oder später Durant wurde Wade zum Gesicht des "Player Empowerments". Jener Sommer unterstrich dies. Nicht die Teams veränderten die Liga, es waren Superstars sowie deren Agenturen. Schon 2006 schmiedeten Wade, Bosh und LeBron Pläne für ein mögliches Team, unisono verlängerten die drei bei ihren Franchises ungewöhnlicherweise nur für drei Jahre.

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Dwyane Wade: Zeitweise auf einem Level mit Kobe Bryant

Durch geschickt gestreute Gerüchte (Bulls, Knicks) entstand ein Wettbieten, ein Hype und schließlich das Superteam in Miami - mit Wade in der Rolle des Co-Stars. "Nicht jeder hat die gleiche Mentalität", betonte Wade einst: "Wenn du willst, dass es nur um dich geht, kannst du Tennis spielen, wo du der Einzige da draußen bist. Das hier ist dagegen ein Teamsport."

Spätestens 2009 war Wade das bewusst. Die Finals 2006, dazu seine starken Leistungen bei Olympia mit dem Redeem Team - der Guard war inzwischen eines der Gesichter der Liga und es gab auch Debatten darüber, ob Kobe Bryant wirklich noch der beste Shooting Guard der Liga sei. Der Kader war jedoch nach dem Shaq-Trade so ausgeblutet, dass selbst ein MVP-würdiger Wade nur für 43 Siege sowie ein Erstrundenaus genügte.

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30,2 Punkte, 7,5 Assists, 2,2 Assists, dazu fast 50 Prozent aus dem Feld. Für diese Saison erhielt Wade sogar sieben MVP-Erststimmen, dazu stand er im All-NBA First als auch im All-Defensive Second Team. Wie auch Kobe war D-Wade in seiner Prime einer der besten Perimeter-Verteidiger, kein Guard in der Geschichte der NBA blockte mehr Würfe als die Heat-Legende (885). Zwischen 2008 und 2010 war Wade sowohl Alpha als auch Omega für die Heat und legte sich dazwischen öffentlich mit Riley an, damit das Team endlich verstärkt werden würde.

Ein Jahr später war es soweit, Miami sollte mit den Heatles viermal in Folge die Finals erreichen, zweimal wurde Larry O'Brien in die Höhe gereckt. Damit es schließlich funktionierte, nahm sich Wade etwas zurück. 2011 wurde das Superteam auf der größten Bühne ausgerechnet von den Mavs mit Nowitzki düpiert, dem Wade vor Jahren noch jegliche Führungsqualitäten abgesprochen hatte.

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Dwyane Wade: Die schwerste Aufgabe eines jeden Superstars

Stattdessen waren es Wade und LeBron, die sich harscher Kritik aussetzen mussten, nicht zuletzt wegen dem Umgang mit Nowitzki. "In diesem Jahr hatte Dirk eine andere Einstellung, er war härter", berichtete Mavs-Guard J.J. Barea im Podcast mit J.J. Redick. LeBron und Wade machten sich über ihn lustig als er krank war, sie husteten dauernd, um sich lustig zu machen", verriet Barea: " Als Dirk das Video davon sah, war er wirklich verletzt. Das gab ihm extra Motivation. Er brauchte sie zwar nicht wirklich, aber mit dieser extra Motivation gab er den Heat den Rest." Nowitzki beschrieb die Aktion von James und Wade als "etwas kindisch und ignorant".

War diese Arroganz ein Zeichen von Schwäche? Fakt ist, dass das Machtgefüge in Miami unklar war. LeBron und Wade brauchten fast zwei Jahre, um richtig zu funktionieren, weil Wade Opfer brachte und dessen Knieschmerzen ein Begleitumstand für den Rest seiner Karriere blieben.

Es war ein Begleitumstand seiner furchtlosen Spielweise. 2002 ließ Wade sich den Meniskus herausnehmen (ein Fehler, wie er später zugab), 2007 und 2012 folgten weitere Operationen am Knie (links und rechts). Dazu kamen mehrere Schulterverletzungen und je länger dessen Karriere andauerte, desto vorsichtiger wurden die Heat. Dass Wade 2012 LeBron endgültig die Zügel überließ, war nötig aus zweierlei Sicht - für den sportlichen Erfolg und für den Fortgang von Wades Karriere.

"Ich musste lange darüber nachdenken", sagte Wade dazu nach dem Titel 2012. "Dann habe ich verstanden, wofür wir und wofür ich hier spiele (...) Das war eines der härtesten Dinge in meiner Karriere. Ich will Erfolg, ich brauche keinen weiteren Scoring-Titel. Ich möchte einfach nur gewinnen. (...) Ich habe mir immer eingeredet, dass ich drei Meisterschaften gewinnen möchte."

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Dwyane Wade: Der Mitbegründer der modernen NBA

Und es wurden auch genau drei. Nach dem Zerfall der Big Three geht auch für die Heat nicht mehr viel. 2016 unterschreibt Wade nach einem Streit mit Riley einen fetten Deal in Chicago, es folgt ein erfolgloses Intermezzo neben LeBron in Cleveland, welches nach 46 Spielen aber wieder eingestampft wird. Stattdessen ließ Wade die Karriere in seiner Heimat ausklingen und erhielt in seiner letzten Saison (2018/19) eine Kobe-esque Abschiedstour, während zeitgleich Nowitzki sich um seine Entscheidung herumdruckste, obwohl sie jeder kannte.

Zwar akzeptierte Wade zu Heatles-Zeiten eine kleinere Rolle, an seinem Ego änderte das nichts. Der Guard wusste sich zu inszenieren, er liebte die große Bühne, wusste seine "Macht" einzusetzen und war so einer der Wegbereiter der NBA, wie wir sie heutzutage kennen. Mit 13 All-Star-Teilnahmen, 8 All NBA Teams (2x First, 3x Second, 3x Third) sowie 3 All-Defensive Second Teams gehörte er auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft zur absoluten NBA-Spitze und war für viele Jahre Must-See-TV.

Die Hall of Fame war so reine Formsache. Was Nowitzki für Dallas ist, das ist Wade für Miami. Eine Ikone, die die Franchise auf der Landkarte platzierte. Dafür brauchte es auch nicht unbedingt Shaq. Aber sagt ihm das lieber nicht.

Dwyane Wade: Seine Statistiken in der NBA

SaisonTeamSpieleMinutenFG%ReboundsAssistsStealsBlocksPunkte
2003/04Heat6134,946,54,04,51,40,616,2
2004/05Heat7738,647,85,26,81,61,124,1
2005/06Heat7538,649,55,76,71,90,827,2
2006/07Heat5137,949,14,77,52,11,227,4
2007/08Heat5138,346,94,26,91,70,724,6
2008/09Heat7938,649,15,07,52,21,330,2
2009/10Heat7736,347,64,86,51,81,126,6
2010/11Heat7637,150,06,44,61,51,125,5
2011/12Heat4933,249,74,84,61,71,322,1
2012/13Heat6934,752,15,05,11,90,821,2
2013/14Heat5432,954,54,54,71,50,519,0
2014/15Heat6231,847,03,54,81,20,321,5
2015/16Heat7430,545,64,14,61,10,619,0
2016/17Bulls6029,943,44,53,81,40,718,3
2017/18Cavs/Heat6722,943,83,83,40,90,711,4
2018/19Heat7226,243,34,04,20,80,515,0

 

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