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NBA Above the Break: Damian Lillard und die Mamba Mentality - und Leser-Fragen

Von Ole Frerks
Damian Lillard befindet sich momentan in einer unglaublichen Form.
© getty

Die Saison der Portland Trail Blazers schien schon fast abgehakt zu sein, doch mit einer enormen Willensleistung hat Damian Lillard sein Team zurück ins Playoff-Rennen gehievt. Above the Break blickt auf den wohl stärksten Lauf in der bisherigen Karriere des menschlichen Flammenwerfers.

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Damian Lillard in der Form seines Lebens

Nach einer der emotional härtesten Wochen der NBA-Geschichte bedurfte es ganz dringend einer positiven sportlichen Story, um zumindest zeitweise von der Trauer um die Ikone Kobe Bryant abzulenken. Lillard hat diese geliefert, mit einer (fortwährenden) Performance, die man in gewisser Hinsicht absolut als Kobe'esk bezeichnen kann.

Es geht dabei weniger um die Spielweise, denn Lillard spielt anders als jeder NBA-Spieler vor ihm (dazu gleich mehr), als um das Selbstverständnis: Dame hat eine Zone erreicht, in der kein Rückstand zu groß ist, kein Gegner zu stark, kein Berg zu hoch - in der er scheinbar jedem Spiel seinen Willen aufdrücken kann. Lillard weigert sich schlichtweg, die enttäuschende Saison der Blazers zu akzeptieren, und dreht diese im Alleingang.

Seine Stats aus den letzten sechs Spielen? 61, 10 und 7 gegen Golden State, 47 und 8 gegen Dallas, 50 und 13 gegen Indiana, 36, 10 und 11 gegen OKC, 48, 9 und 10 bei den Lakers, 51 und 12 gegen Utah. Das reicht für 48,8 Punkte im Schnitt, bei 54,8 Prozent aus dem Feld und 57 Prozent von der Dreierlinie - bei 14,3 Versuchen pro Spiel!

Es gibt "on fire", und es gibt diesen Modus, in dem sich Lillard gerade befindet; irgendwo weit, weit über allen anderen. "Fragt mich nicht mehr nach Dame", sagte Head Coach Terry Stotts nach dem Spiel gegen die Lakers. "Ich habe keine Superlative mehr übrig. Schreibt einfach, was ihr wollt." Gesagt, getan, Coach!

Damian Lillard: Bedrohung von überall

Lillard spielt seit Jahren auf einem Niveau, bei dem man denkt, dass nun eigentlich nicht viel mehr kommen kann - trotzdem schafft er es in jedem Jahr, in gewissen Facetten noch besser, noch kompletter zu werden. Die aktuelle Saison macht da keine Ausnahme, auch wenn sein exzellentes Spiel inmitten der verkorksten Blazers-Spielzeit lange ziemlich unterging.

Angesichts der vielen Verletzungen in Portland läuft Lillard in dieser Saison mehr Isolation-Plays denn je (4,9 pro Spiel), was nur die beiden Rockets-Stars häufiger tun - seine 1,1 Punkte pro Play werden dabei jedoch nur von James Harden haarscharf (1,12) übertroffen. Unter allen Spielern, die es mindestens 2,5-mal pro Spiel versuchen, kann da sonst nur DeMar DeRozan mithalten.

Lillards unglaubliche Range, gepaart mit großartigem Ballhandling, einer guten Übersicht und einem schnellem ersten Schritt, machen ihn individuell zu einem unmöglich zu verteidigenden Spieler.

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© nba.com/stats

Dabei sind Isolationen nicht sein wichtigstes Werkzeug - das ist nach wie vor das Pick'n'Roll, wo ihm seit Jahren kaum jemand etwas vormacht. In dieser Saison lässt sich dieser Satz mit dem Wort "niemand" ergänzen: Unglaubliche 1,15 Punkte pro Play generieren die Blazers, wenn Lillard entweder selbst aus dem P&R abschließt oder ein Mitspieler nach seinem Pass den Abschluss sucht.

Lillards Kombination aus Volumen und Effizienz ist monströs: Seine 13,5 Plays pro Spiel werden nur von Trae Young übertroffen, die 1,15 PPP wiederum sind Liga-Höchstwert. Nur Kemba Walker (10,2; 1,11), Luka Doncic (13,1; 1,06) und Kyrie Irving (12,3; 1,03) wandeln ansatzweise in Lillards Sphären.

Dame hat mittlerweile eine starke Chemie mit seinem Roll-Man Hassan Whiteside, trotz mangelnder Kontinuität schafft er es aber auch schon die gesamte Saison über, die unterschiedlichen Schützen auf dem Flügel (neuerdings auch Trevor Ariza) zu finden. Jederzeit kann er außerdem ansatzlos zum Jumper hochsteigen oder pfeilschnell das Double-Team splitten, wenn der zweite Verteidiger kommt - kaum ein Spieler ist so gut darin, in jeder Situation zu lesen, was die Defense ihm gibt, und entsprechend zu reagieren. Es gibt keinen Trick, keine Defense, die er noch nicht gesehen hat.

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© nba.com/stats

Dafür zeigt er selbst regelmäßig Dinge, die sonst noch niemand gesehen hat. Unvergessen ist sein ansatzloser Dreier über Paul George, mit dem er in den letztjährigen Playoffs die OKC Thunder in den Urlaub schickte, sowie die anschließende George-Behauptung, dies sei "kein guter Wurf" gewesen. Nach gewöhnlichen Maßstäben hätte PG-13 damit Recht gehabt, doch Lillard definiert diese neu.

Lillard trifft über 40 Prozent seiner 7,4 Pullup-Dreier pro Spiel, was für sich schon vollkommen absurd ist, die Entfernung scheint dabei zudem keine Rolle mehr zu spielen. Er hat bisher 76 Dreier aus dem Bereich zwischen 30 und 34 Fuß (9,2 bis 10,4 m) genommen und 31 getroffen - das entspricht 40,8 Prozent, einer besseren Dreierquote als der vom aktuellen Dreierkönig Joe Harris.

Zur Erinnerung: Diese Entfernung liegt zwischen zwei und drei Metern HINTER der eigentlichen Linie! Was macht man mit einem Spieler, den man eigentlich am liebsten ab der Mittellinie doppeln würde? So kann es aussehen.

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© nba.com/stats

Ganz ehrlich ... viel Spaß! Man kann natürlich auch tatsächlich das Double-Team schicken und riskieren, von Dame entweder überrannt zu werden oder die restlichen Blazers 4-gegen-3 spielen zu lassen. So richtig reizvoll ist auch diese Option nicht.

Die Tatsache, dass er von überall auf dem Court selbst Gefahr ausstrahlt, macht ihn spielerisch am ehesten mit Stephen Curry vergleichbar, wobei er in Ermangelung eines Draymond Greens bei den Blazers weitaus mehr Playmaking-Last selbst zu tragen hat. Auch erzielt Lillard in dieser Saison nur 17 Prozent seiner Field Goals nach Assist, alles andere erarbeitet er sich selbst. Bei Curry betrug dieser Wert über die letzten Jahre meist über 50 Prozent.

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© nba.com/stats

Blazers sind abhängig von Damian Lillard

Es ist entsprechend kein großes Wunder, dass die Blazers auch in dieser Saison wieder enorm abhängig von Lillard sind - eher noch mehr sogar als in vergangenen Jahren. Steht er auf dem Court, hat Portland eine der besten Offensiven der Liga (114,2 Punkte pro 100 Ballbesitze), ohne ihn sinkt dieser Wert auf 102,4. Grob gesagt: Mit Lillard stünde Portland auf Platz 2, ohne ihn auf Platz 30.

Das ist keine gesunde Abhängigkeit und spricht, auch wenn man die vielen Verletzungen ausklammert, nicht für eine ideale Kaderplanung, was ja auch durch die Bilanz reflektiert wird. Lillards einziger echter Co-Star ist C.J. McCollum, der sich im Gegensatz zu Dame über die letzten Jahre aber nicht entscheidend weiterentwickelt hat; McCollum ist ein Vollblutscorer, der ein Team jedoch nicht tragen könnte.

Wenn der Off-Guard ohne Lillard auf dem Court steht, schaffen die Blazers ebenfalls nur ein Offensiv-Rating von 105,7 und ein Net-Rating von -8,0 - McCollum passt zwar gut neben Lillard, aber er löst das Problem der Abhängigkeit nicht. Auch deshalb gibt es seit Jahren immer wieder aufkommende Trade-Gerüchte um ihn, die bisher jedoch nie zu etwas geführt haben.

Ein kleiner Trade rettet die Blazers?

Auch in dieser Saison sieht es danach aus. Genau wie Dame verlängerte McCollum seinen Vertrag im Sommer vorzeitig, nun wollen beide gemeinsam versuchen, das Ruder noch herumzureißen. Einen kleinen, aber bisher wirkungsvollen Move haben die Blazers dabei schon getätigt, als sie Trevor Ariza, Caleb Swanigan und Wenyen Gabriel für Kent Bazemore und Anthony Tolliver aus Sacramento loseisten.

Ähnlich wie Rodney Hood im Vorjahr (oder Jusuf Nurkic im Jahr davor) hinterließ Ariza bisher einen richtig guten Eindruck und verschafft Dame mit 42,1 Prozent von der Dreierlinie zusätzlichen Platz, auch defensiv wirkten die Blazers mit ihm ein wenig sattelfester. Mit seinen 34 Jahren ist Ariza zwar bei weitem nicht mehr der Spieler früherer Tage, aber den Blazers würde jeder kleine Zusatz an Stabilität helfen, zumal sie in dieser Saison bisher kaum mal drei Spiele am Stück die gleiche Starting Five aufbieten konnten.

Auch Lillard betonte, dass er das Gefühl habe, nun endlich ein wenig Kontinuität bei seinem Team zu spüren, was man so kurz vor der Trade Deadline sicherlich auch als Fingerzeig in Richtung des Front Offices interpretieren konnte. Zumal er dabei den oft in Trade-Gerüchten genannten Whiteside, dessen Formkurve zuletzt ebenfalls klar nach oben zeigte, noch extra hervorhob.

"Natürlich sieht jeder diese verrückten Zahlen und das, was ich tue, weil es eine Story ist. Aber man gewinnt die Spiele nicht mit 50 Punkten. Wir erzielen 130 Punkte, er holt 20 Rebounds, blockt fünf, sechs, sieben Würfe, merzt unsere defensiven Fehler aus. Leute da draußen übersehen es vielleicht, aber wir studieren Film und sprechen, und wir wissen, was bei uns los ist", sagte Lillard.

Blazers-Trend zeigt klar nach oben

Es ist ein klassischer Lillard, im Zuge eines solchen Hot Streaks nicht primär über sich selbst zu reden, sondern über seine Teammates. Sein eigenes Selbstvertrauen scheint ohnehin unerschöpflich zu sein, also sorgt er sich eher darum, das von allen anderen auch gleich noch mit aufzubauen. Zuletzt hat dies sehr gut funktioniert, auch wenn der Kern von allem natürlich Lillards Offense und nicht etwa die Blocks des streitbaren Whitesides bleiben (auch wenn sie helfen!).

Mit fünf Siegen aus den letzten sechs Spielen sind die Blazers auf einmal wieder mittendrin im Playoff-Rennen - nur noch einen Sieg von den achtplatzierten Grizzlies entfernt. Ihre größte Trumpfkarte dabei: Von allen fünf Teams, die um diesen Platz kämpfen (POR, SAS, MEM, NOP, PHO), haben sie den besten Spieler.

Die Blazers sind in diesem Jahr nicht gut oder tief genug, um etwas mit dem Titel zu tun zu haben. Es wird sich dennoch niemand darum reißen, gegen einen Lillard in der Form seines Lebens anzutreten, denn dieser ist einer anderen Überzeugung.

"Wann immer ich Teil von etwas bin, glaube ich, dass es eine Chance gibt", sagt Lillard oft. Das kommt einem irgendwie bekannt vor.

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