Erwartungen sind ein zweischneidiges Schwert. Sie implizieren einerseits, dass Potenzial vorhanden ist, etwas zu erreichen. Andererseits können sie auch die Realität verkennen und den Status quo überhöhen. Ähnlich ist es mit den Atlanta Hawks, die in der vergangenen Saison, in einem Jahr des kompletten Umbruchs, immerhin 27 Siege holten und eine der positiven Überraschungen waren.
Der Kern aus Trae Young, Kevin Huerter und John Collins machte Spaß, mit De'Andre Hunter sowie Cam Reddish kamen zwei weitere vielversprechende Rookies in der Offseason dazu. Doch nun ist ein gutes Drittel der Saison gespielt und die Hawks zählen zu einer der größeren Enttäuschungen mit gerade einmal sechs Siegen aus 31 Spielen und der daraus resultierenden schlechtesten Bilanz (sowie das schlechteste Net-Rating) der kompletten NBA.
Atlanta Hawks: Die suboptimale Kaderzusammenstellung
Als allgemeiner Grund kann dafür simpel angeführt werden, dass junge Teams nicht gewinnen - und das trifft auch in Teilen auf die Hawks zu. Natürlich spielt Young offensiv mit durchschnittlich 29,0 Punkten sowie 8,5 Assists eine fantastische Saison, doch die Mannschaft ist eben auch so zusammengestellt, dass Young im Stile von James Harden, Luka Doncic oder anderen jeden Angriff seines Teams kontrolliert. Im Falle der Hawks, weil er es muss und eigentlich auch gar nicht anders kennt.
Backcourt-Kollege Kevin Huerter kann dies in Teilen auch, ansonsten herrscht beim Spielvortrag gähnende Leere. Das geht sogar so weit, dass die Hawks nicht einmal einen anständigen Back-Up (der Zug für DeAndre' Bembry scheint abgefahren) für Young besitzen, nachdem dies im vergangenen Jahr für lange Zeit Jeremy Lin - ein gestandener Veteran - tat.
Dass das Offensiv-Rating der Hawks ohne Young von 107,6 Punkte pro Ballbesitz auf 92,7 herunterrauscht, ist daher nur die logische Konsequenz. Dass mit dem Point Guard noch ganz andere Probleme einhergehen, dazu später mehr.
Die On/Off-Zahlen der wichtigen Hawks-Spieler
On the Court | Off the Court | ||||||
Spieler | Spiele | Off-Rtg | Def-Rtg | Net | Off-Rtg | Def-Rtg | Net |
Trae Young | 30 | 107,6 | 115,3 | -7,7 | 92,9 | 105,3 | -12,6 |
John Collins | 6 | 100,5 | 101,2 | -0,7 | 104,6 | 115,2 | -10,5 |
DeAndre Hunter | 30 | 106,7 | 112,7 | -6,0 | 96,9 | 110,8 | -13,9 |
Kevin Huerter | 20 | 103,3 | 111,3 | -8,0 | 103,3 | 112,6 | -9,3 |
Cam Reddish | 28 | 101,3 | 110,9 | -9,7 | 104,8 | 113,1 | -8,3 |
Flügel und Center sind (noch) nicht NBA-tauglich
Doch auch auf den anderen Positionen ist die Kaderzusammenstellung schlichtweg nicht NBA-tauglich. Es ist ehrenwert, dass die Hawks den Mut beweisen und gleich zwei Rookies auf dem Flügel starten, doch Spiele werden so (zumindest im Moment) nicht gewonnen. Gerade Reddish ist bei weitem noch kein NBA-Spieler und war auch auf dem College kein positiver Faktor.
In der Verteidigung sind hin und wieder Ansätze erkennbar, doch sein Spiel im Angriff ist noch wie ein rohes Ei. Der 20-Jährige verbucht mehr Ballverluste als Assists, trifft gerade einmal 32 Prozent aus dem Feld und netzt bei vier Versuchen aus der Distanz pro Spiel nur 27 Prozent. Hunter ist da schon ein paar Schritte weiter, auch wenn er noch kein Starter sein sollte.
Durch die Rückkehr von John Collins, der 25 Spiele wegen der Einnahme einer verbotenen Substanz fehlte und bei seiner Rückkehr gegen Cleveland 27 Punkte auflegte, sollten die beiden Frischlinge ein wenig entlastet werden, auch wenn der Big auch als Center gebraucht werden könnte.
Die Center-Rotation ist nämlich ein weiteres Problem. Das Quartett aus Damian Jones, Alex Len, Bruno Fernando und teilweise Jabari Parker dürfte die schlechteste Rotation der kompletten Liga sein, jeder der vier hat dabei ein eigenes Päckchen zu schleppen. Eine Defense wird so mit Sicherheit nicht verankert.