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Nehmt euren Champagner wieder mit

Kyrie Irving führte die Cavs mit unglaublicher Leistung zum Sieg
© getty

Die Cleveland Cavaliers brauchten ein perfektes Spiel, um einen übermächtigen Gegner zu schlagen. Dieses haben sie nun abgeliefert. Die Extra-Motivation lieferte - mal wieder - Draymond Green. Eine Sache trübt das Spektakel von Kyrie Irving und Co. allerdings.

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Es scheint, als würden die Superstars der Cleveland Cavaliers dann am besten spielen, wenn sie sich in ihrer Ehre verletzt fühlen. Das war im Vorjahr so, als sich Draymond Green in Spiel 4 einen Tritt in LeBrons Weichteile erlaubte und suspendiert wurde. Die Schuld gaben die Dubs natürlich LeBron - und warfen ihm indirekt vor, dass er doch bitte nicht so weinerlich sein solle. Der Rest ist bekannt.

Ein Jahr später: James steht mit seinem Team erneut mit dem Rücken zur Wand, diesmal ist es sogar noch schlimmer. Die Besen stehen schon bereit, eine perfekte 16-0-Postseason des Gegners erscheint wahrscheinlich. Und dann redet dieser Green auch noch davon, wie schön es doch wäre, in gegnerischem Hause die Championship zu zelebrieren. "Das wäre sehr befriedigend für uns", hatte er vor dem Spiel erklärt. "Ihr wisst ja, dass wir es vor zwei Jahren schon mal geschafft haben. Und es hat sich gut angefühlt. Warum also nicht nochmal?"

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Diese Aussagen landeten auch in den Ohren des Gegners. Und stachelten ihn an. "Natürlich sorgen solche Aussagen für Extra-Motivation. Das konnten wir nicht auf uns sitzen lassen", erklärte Kyrie Irving. "Ich habe gehört, sie haben schon geplant, in unseren Kabinen den Champagner zu vergießen", meinte auch James mit fokussiertem Blick. Was er eigentlich sagen wollte: Nehmt euren Champagner wieder mit.

Cavaliers: Rekord im ersten Viertel

Nach der äußerst bitteren Pleite in Game 3 spielten die Cavs mit dem Mut der Verzweiflung. Die Menge war frenetisch wie nie, die Lautstärke in der Quicken Loans Arena ohrenbetäubend - schon lange vor dem Tip-Off. Und dann das: Dreier Smith. Dreier Irving. Dreier Love. Noch ein Dreier Smith. Schon nach wenigen Minuten stand es 15:4 und Coach Steve Kerr brauchte die erste Auszeit.

Die brachte aber nichts ein, da die Cavs ihr Ding durchzogen. Sie ritten auf der von ihr losgetretenen Erfolgswelle einfach immer weiter und trafen dabei Würfe, die in dieser Frequenz nicht mal bei NBA 2k auf "Rookie" reinfallen würden. Nach 12 Minuten standen bereits 49 Punkte auf dem Konto - Finals-Rekord. Andere Teams sind froh, solch einen Wert in einer ganzen Halbzeit zu erreichen.

Und es ging weiter. Wobei es keinesfalls so war, dass die Warriors schlecht spielen würden. 33 Punkte und 48 Prozent aus dem Feld im ersten Viertel sind ja auch nicht von schlechten Eltern. Aber gegen diese unfassbare Firepower auf der anderen Seite kam selbst das Superteam nicht an. Spätestens, als J.R. Smith im dritten Viertel einen komplett geisteskranken Dreier vom Logo versenkte, war allen klar, dass es einer von "diesen" Abenden werden würde.

Eine mentale Meisterleistung

Ein Abend, an dem man im Tunnel ist und jeden Wurf nicht als Herausforderung sieht, sondern als sicheren Treffer. Ein Abend, an dem selbst die Rollenspieler Blut lecken und mit einem Selbstvertrauen spielen, als wären sie es, die 3:0 führten. Ein Abend, an dem Irving (40 Punkte) jeden Gegner als Slalomstange betrachtet und nicht als Verteidiger. Und dabei auch noch 7 von 12 (meist äußerst schwierigen) Dreiern trifft. Ein Abend, an dem LeBron James im Vorbeigehen sein neuntes Finals-Triple-Double auflegt und damit alleiniger Rekordhalter in dieser Kategorie ist. Und und und...

Kurz: Die Cavs lieferten das, was sie brauchten: Ein perfektes Spiel. 53 Prozent Feldwurfquote, unfassbare 24/45 Dreier (Rekord), insgesamt nur überragende 11 Ballverluste bei insgesamt 87 Würfen. Mehr geht nicht.

Diese Leistung ist vor dem Hintergrund des Verlaufs von Spiel 3 gar nicht genug zu würdigen. Schließlich hieß es nach der bitteren Niederlage, dass die Cavs am Limit gespielt und trotzdem verloren hätten. So etwas tut weh - und kann ein Team brechen. Nicht jedoch die Cavs, die sich davon eher anstacheln ließen und mit Schaum vor dem Mund all das wieder gutmachen wollten. Die mentale Arbeit, die der Coaching-Stab um Tyronn Lue und LeBron James geleistet haben, muss herausragend gewesen sein. Oder, wie es LeBron nach dem Spiel ausdrückte: "Wir haben Championship-DNA."

Tyronn Lue: Was hat er umgestellt?

Bleibt die Frage: Was hatte der Titelverteidiger anders gemacht als in Spiel 3? Die Antwort: Gar nicht so viel. Defensiv war es lediglich in der Anfangsphase zu beobachten, wie Stephen Curry oder Kevin Durant gedoppelt beziehungsweise getrappt wurden. Mit dieser Taktik hatte Lue schon in den Serien zuvor Erfolg - stets mit dem Risiko jedoch, dass der Gegner dies mit offenen Dreier bestraft.

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Solche offenen Dreier hatten auch die Dubs, trafen sie in der Anfangsphase aber nicht. Besonders Green (1/6 Dreier) ließ vieles liegen. Mit der Annahme, dass dies kaum so bleiben würde, stellten die Cavs das Doppeln nach wenigen Minuten wieder ein. Nur, dass Green offenbar Probleme mit seinem Wurf hatte - das hatte sich Cleveland gemerkt und zog die Helpside immer wieder von ihm ab, um ihn versauern zu lassen.

Auch am anderen Ende des Parketts erfanden die Cavs das Rad nicht neu. Ihnen gelang es jedoch viel besser als zuvor, Curry in Pick-and-Rolls zu involvieren, womit dieser offenbar Probleme hatte und seine Energie für die Offense aufbrauchte. Den konsequenten Screens von Irving und Smith gilt hier ein Lob.

Freiwurf-Festival im ersten Viertel

Ansonsten waren die Angriffe Clevelands wie sonst auch von Isolations und Pick-and-Rolls geprägt. Das zeigt auch die Tatsache, dass sie - trotz der großen Punkte-Differenz - nur einen Assist mehr spielten als Golden State. Insgesamt waren es 27 Dimes bei 46 Field Goals, was nicht sonderlich bahnbrechend ist. So simpel es also klingt: Der Unterschied zu den Spielen 1 bis 3 war die außerirdische Trefferquote.

Die hatte allerdings nur bestand, wenn es nicht an die Freiwurflinie ging. Dort ließen die Cavs einiges liegen, gerade im ersten Viertel, als sie schon unglaubliche 22 Mal an der Charity Stripe standen (nur 14 Treffer). Die Warriors hatten zu diesem Zeitpunkt 10/11.

Spricht man über diese vielen Freiwürfe, muss man automatisch auch über die Schiedsrichter sprechen - und sie kritisieren. Sie wurden dem hohen Niveau des Spiels zu keinem Zeitpunkt gerecht und waren mit der emotionalen Atmosphäre sichtlich überfordert. Die Verwirrung um die Nicht-Ejection von Draymond Green ist ein Beispiel, eine absolut offensichtliche und dennoch nicht geahndete Backcourt Violation von Irving ein anderes.

Unwürdige Schiedsrichterleistung

Darüber hinaus war absolut keine Linie zu erkennen. Während abseits des Balles gestoßen, am Trikot gezerrt und gehalten wurde, gab es am Ball und beim Wurf teilweise viel zu kleinliche - und falsche - Pfiffe. "Besonders im dritten Viertel hatte ich das Gefühl, dass wir mehr diskutieren müssen als spielen", sagte beispielsweise Kerr.

Letztendlich spielte den Cavs dieser Umstand mehr in die Karten, da sie durch ihre sehr oft illegale Physis abseits des Balles die Warriors davon abhielten, in ihre von Offball Screens geprägten Sets zu kommen. Genau das war schon 2016 ein Faktor und ruft genau deshalb heuer Verschwörungstheoretiker auf den Plan, die davon ausgehen, die NBA wolle die Serie um jeden Preis verlängern. Der Vorfall um Greens "zweites" Technical entkräftet diesen Vorwurf zwar. Dennoch: Alle drei Refs machten mehr als eine unglückliche Figur. Auf den Ausgang des Spiels hatten sie aber keinen Einfluss, zumal sie sich auf beiden Seiten Fehler erlaubten.

Nun geht die Serie also wieder zurück nach Oakland (Spiel 5 am Dienstag um 3 Uhr live auf DAZN). Den Cavaliers dürfte klar sein, dass sich an der Ausgangslage nichts verändert hat. Sie brauchen erneut ein perfektes Spiel, um diesem Gegner entgegen zu treten. Nur: Dass sie so eine Leistung wiederholen können, ist unwahrscheinlich - aber das war ihnen ja schon vor einem Jahr egal.

Das Playoff-Bracket im Überblick

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