NBA

Weißes Rauschen

LeBron James und den Cavs entglitt das Spiel in der zweiten Hälfte

Nach der verheerenden Pleite in Game 2 der Finals klingeln den Cleveland Cavaliers noch immer die Ohren. Nicht nur Kevin Love, der empfindlich getroffen wurde und um einen Einsatz in Game 3 bangt, bekam die Stärke der Golden State Warriors zu spüren. LeBron James war hilflos - aber trotz negativer Nachrichten gibt es zumindest einen Hoffnungsschimmer.

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Wie aus dem Nichts. Ein Schlag, ein dumpfer Aufprall. Der Blick verschwimmt, der Körper gibt nach. Autsch, das tut weh. Richtig weh. Aber es ist nicht der Schmerz, der Dich zu Boden gehen lässt.

Schlagartig verstummen die Umgebungsgeräusche. Der Schädel pocht, als das Bewusstsein nach einem Sekundenbruchteil wieder langsam Fahrt aufnimmt. Was bleibt, ist dieser Schleier. Ein weißes Rauschen, das die Wahrnehmung beeinflusst und den Fokus trübt.

Nicht jeder kennt das Gefühl, einen Ellenbogen mit voller Wucht in den Nacken zu bekommen. Kevin Love kennt es spätestens jetzt. Und die Cavs kennen es jetzt auch. Denn ebenso wie Love, der im zweiten Viertel empfindlich von Harrison Barnes am Kopf getroffen wurde, haben die Cavs in Spiel 2 einen ordentlichen Nackenschlag der Warriors einstecken müssen.

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Selbstbewusstsein ade

Nach souveränen Auftritten gegen die Detroit Pistons, die Atlanta Hawks und die Toronto Raptors waren die Cavs mit einer Menge Selbstbewusstsein in die Finals gestartet. Auch Game 1, in dem man von den Warriors-Reservisten bezwungen wurde, war noch kein allzu großer Rückschlag. Schließlich hatte man sowohl Curry und Thompson ausgeschaltet als auch ein starkes Comeback im dritten Viertel hingelegt. Game 2 folgte allerdings einer anderen Dramaturgie - und hatte andere Konsequenzen.

Kurz bevor Love im zweiten Viertel zu Boden ging und mehrere Minuten behandelt werden musste, hatte die Dubs-Offensive nach einem ausgeglichenen Anfangsviertel Fahrt aufgenommen. Mit jeder Minute wuchs die Führung, schlussendlich trennten die Teams satte 33 Punkte.

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Im Gegensatz zu Game 1 fand Cleveland keinen Weg, um die Warriors aufzuhalten. Weder am eigenen Korb, wo Variabilität und Flexibilität der Dubs das Geschehen dominierten, noch offensiv, wo vor allem nach der Pause nichts zusammen lief (33 Punkte, 35 Prozent FG). Das Spiel glitt den Cavs völlig aus der Hand.

Selbst LeBron James konnte nicht mehr als hilflos zusehen: "Offensiv, defensiv, körperlich, mental - sie haben uns in allen Aspekten des Spiels geschlagen", so der King nach dem Spiel. James versuchte sich zu Beginn wieder in der Rolle des Denkers und Lenkers, als dann aber das Scoring des Teams stagnierte, konnte auch er das Vakuum nicht füllen.

Unterstützung gesucht

Und der Rest der Big Three? Kyrie Irving war zu diesem Zeitpunkt der Temperatur von flüssigem Stickstoff gefährlich nah (5/14 FG). Love kam nach dem Aufeinandertreffen mit Barnes zwischenzeitlich zwar zurück aufs Parkett, war aber sichtlich beeinträchtigt.

Kurz nach Beginn der zweiten Hälfte wechselte er sich selbst aus und verbrachte den Rest des Spiels in der Kabine. "Während der Auszeit im dritten Viertel konnte man sehen, dass er etwas abwesend und benebelt wirkte", so Coach Tyronn Lue. Gemäß den Liga-Regularien wurde Love in das Programm zur Beobachtung von Gehirnerschütterungen aufgenommen.

Erst wenn Love bei verschiedenen neurologischen Tests seinen vor der Saison ermittelten Basiswert erreicht, erhält er wieder eine Spielfreigabe. Läuft es schlecht für die Cavs, verpasst Love Spiel 3, eventuell sogar weitere Partien. Zum Ende der Saison 2011/2012 musste der Big Man schon einmal sieben Spiele mit einer Gehirnerschütterung aussetzen.

"Einen seiner besten drei Spieler zu verlieren, hat immer einen großen Einfluss auf das Spiel", sagte Lue auf der anschließenden Pressekonferenz. "Momentan schauen wir von einem Tag zum nächsten."

Splash in Transition

Die Shooting-Fähigkeiten von Love hätten den Cavs vielleicht geholfen, ins Spiel zurückzukommen. Der Rest des Teams konnte es jedenfalls nicht. Im Halfcourt konnte Cleveland Steph Curry (18 Punkte) und Klay Thompson (17 Punkte) zwar relativ gut einschränken, gegen die Warriors in Transition indes waren die Cavs regelmäßig überfordert.

26 Fastbreak-Punkte generierte Golden State aus unrühmlichen 18 Ballverlusten der Cavs. Dabei hatte sich Cleveland in den ersten zwölf Minuten keinen einzigen Turnover geleistet. Auch James ließ sich gleich sieben Mal den Spalding klauen und war anschließend dementsprechend selbstkritisch: "Ich hatte einige uncharakteristische Ballverluste und ich bin immer einer derjenigen, die bei einer Niederlage die Schuld auf sich nehmen. So bin ich einfach. Und es ist ganz simpel: Ich muss in den nächsten Spielen besser sein."

Doch das wird nicht reichen. Cleveland ist angezählt und braucht mehr als nur einen James in besserer Form. Muss Lue Love ersetzen, wird die ohnehin schwache Bank noch dünner. Immerhin stellte Richard Jefferson in Spiel 2 (12 Punkte, 5 Rebounds) einen kleinen Lichtblick dar.

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Später Fingerzeig?

Als das Spiel bereits außer Reichweite war, experimentierte Lue mit einem für die Verhältnisse der Serie fast schon gigantischen Lineup mit Timofey Mozgov und Tristan Thompson im Frontcourt. Mehr als ein Experiment kann das angesichts der Matchup-Vorteile der Warriors-Guards dennoch nicht sein. Auch wenn der Drang, nach solch einem Blowout etwas zu ändern, verständlicherweise groß ist: Lue sollte sein Konzept nicht vorschnell über Bord werfen.

Das veränderte Finals-Format beschert ihm und den Cavs immerhin zwei volle Tage Pause, bevor es in Cleveland in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag zu Spiel 3 kommt. Viel wird davon abhängen, ob Love dann wieder einsatzfähig ist. Als Floor Spacer ist er von Channing Frye zwar zu ersetzen, aber am defensiven Brett ist die einstige Double-Double-Maschine trotz seiner Schwächen immer noch die bessere Option als Frye.

Glück im Unglück

Unter Umständen könnte ein Ausfall von Love aber auch eine positive Wirkung auf die Mannschaft haben. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Team eine besondere Reaktion zeigt, wenn ein Starspieler aussetzen muss. James, Irving, J.R. Smith, die Bank - sie alle könnten etwas mehr Biss gebrauchen und diesen auch nach außen tragen. Bisher sieht man davon definitiv zu wenig.

"Sie haben mehr gekämpft als wir, sie waren aggressiver als wir", resümierte auch Lue abschließend auf der Pressekonferenz: "Sie haben ihren Heimvorteil genutzt und nun geht es nach Cleveland. Unsere Jungs sind nicht entmutigt. Sie sind mehr angepisst als alles andere."

Angepisst. Wenn das mal kein guter Zustand ist, um nach diesem doppelten Nackenschlag in die Spur zurückzufinden - ein Zustand, der die Cavs nach dem zwischenzeitlichen Abgleiten in Weiße Rauschen hoffentlich Fokus und Aggressivität wiederfinden lässt.

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