NBA

Die Kunst der Maloche

Von Oliver Mehring
Bobby Portis überzeugte bereits durch starke Leistungen in der Summer League
© getty

Bobby Portis gilt als potentieller Steal des Drafts und ließ in der Summer League bereits sein Können aufblitzen. Der amtierende SEC Player of the Year ist der geborene Arbeiter und kämpfte sich mit viel Disziplin aus der Sozialbausiedlung in die NBA. Ein ehemalige NBA-Größe spielte dabei eine nicht unwesentliche Rolle.

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Schon als 14-Jähriger fürchtete Bobby Portis keine Konfrontation. Auch nicht, als seine Mutter zum wiederholten Mal von ihrem Freund gewaltsam angegangen wurde. Der Teenager saß gerade an seinen Hausaufgaben, als der aggressive Lärm sein Kinderzimmer erreichte. Kurzerhand hechtete der Schüler ins Wohnzimmer und konfrontierte den jähzornigen Freund seiner Mutter. "Er ging auf mich los, aber ich hatte keine Angst. Ich dachte mir nur: 'Ich bin größer als du'", berichtet Portis rund sechs Jahre später.

Diesen Umstand schien auch der wildgewordene Partner seiner Mutter erkannt zu haben und suchte sich wieder Portis' Mutter als Ziel. Schließlich reichte es dem Jüngling - ohne große Umstände schmiss Bobby den Gewalttäter aus dem Haus und flüchtete noch am Abend mit seiner Mutter und den drei Geschwistern zu Verwandten.

Durch Disziplin aus den Projects

Negativerlebnisse dieser Art gab es im Leben des Bulls-Rookies so einige, seit Bobby am 10. Februar 1995 in Little Rock, Arkansas das Licht der Welt erblickte. Damals galt die 190.000-Einwohner-Stadt im Nirgendwo der USA als eine der gefährlichsten Städte des Landes. Doch bevor der Junge in einen Strudel der Gewalt und Perspektivlosigkeit geriet, fasste seine Mutter einen Entschluss.

Trotz eines Lebens in den Projects sollte ihr Sohn "der beste Bobby Portis werden, der er nur sein kann." Die ehemalige College-Basketballerin stellte folgenden Plan auf: Keine Videospiele unter der Woche, Hausaufgaben und lernen von 14:30 Uhr bis 16:30 Uhr, erst danach kommt der Sport. Dazu durfte das Zeugnis maximal eine Drei enthalten, der Rest musste sich im Einser- oder Zweierbereich bewegen.

Negativerlebnisse als Motivation

Natürlich ließen sich damit nicht die zahlreichen Übergriffe älterer Kinder, die Schießereien in Portis' Nachbarschaft und die leere Familienkasse verhindern. Wenn der kleine Bobby jedoch den Basketballcourt betrat, dienten genau diese Missstände als besondere Motivation.

Seit Schulzeiten ist die angesammelte Wut Portis' Antrieb für sein Basketballspiel: "Ich blende jeden um mich herum aus, blicke in einen tiefen Tunnel, schaue niemanden an, lasse meine Wut aufsteigen und mache einfach ein gutes Spiel."

Bevor sich Bobby dieser Motivationstechnik bediente, geriet der früher so ungeschickte Lulatsch, der in der Middle School mit einer nerdigen Sportbrille auflief, immer wieder mit Gegnern und Unparteiischen aneinander.

Vor dem Spiel kamen gerne Schiedsrichter auf seinen Schulcoach Marcus McCarrol zu: "Sie sagten zu mir 'Hey, Coach, Du bekommst Nummer 33 besser unter Kontrolle heute'. Er konnte seine Emotionen einfach nicht kontrollieren. Er war unberechenbar. Kam Bobby ins Spiel, war er auf 180. Man musste ihn immer wieder runter holen."

Schuften für den Traum

Sein physisches Spiel warf ihn zudem früh mit Verletzungen zurück, so dass noch in der 10. Klasse an eine große College- oder Profikarriere nicht zu denken war.

Nichtsdestotrotz, jeden Sommer rackerte sich Portis zusammen mit Coach McCarroll und dem heutigen Kings-Assistant Coach Corliss Wiliamson in der Halle ab. Williamson hatte den 9-jährigen Bobby über dessen älteren Bruder kennengelernt und zeigte sich von den Anlagen des Jungen beeindruckt.

Von dem ehemaligen NBA-Profi lernte Portis die richtige Einstellung auf dem Court: "Corliss spricht nicht viel; er arbeitet auf dem Court. Bobby ist da ähnlich. Williamson hat als männliches Vorbild bereits Dinge erreicht, die Bobby gerne erreichen würde - das inspiriert natürlich", erklärte der Coach der Arkansas Razorbacks, Mike Anderson, der beide auf der Universität unter seine Fittiche nahm.

Per Wachstumsschub aufs College

Bevor die Collegekarriere von Portis letztendlich ins Rollen kam, durchlebte der Teenager in der High School einen enormen Wachstumsschub: Zehn Zentimeter in einem Jahr schoss der eifrige Schüler in der 11. Klasse in die Höhe - damit ließ sich arbeiten. Zusammen mit McCarroll versuchte sich Bobby an einem weitreichenden Arsenal mit Waffen zahlreicher NBA-Größen - darunter Hakeem Olajuwon, Kevin Garnett und Steve Nash.

Zum Ende des Sommers stieg Portis schließlich zu einem der besten High-School-Spieler des Landes auf und wurde unter anderem ins All American-Team aufgenommen. Binnen kürzester Zeit klopften zahlreiche Colleges an, doch der heimatverbundene Jungspieler hatte nur ein Ziel im Kopf: Die Arkansas Razorbacks.

Der Aggressivleader

Am College baute der Forward unter Coach Anderson Stück für Stück seine Fähigkeiten aus. Genauso wie sein Vorbild Garnett ist der inzwischen 2,11 Meter große Rookie eine Kämpfernatur: Auf dem gesamten Feld macht er mit schnellen Schritten Druck auf den Ball, switcht geschickt mit seinen Mitspielern die Zuordnung, schnappt mit seiner riesigen Spannweite (über 2,16 Meter) nach jedem potentiellen Steal oder Rebound.

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Ebenso hat Portis am College endgültig seine Aggressionen in den Griff bekommen. Er ist ein absoluter Leader, der eine ähnliche "Never-give-up"-Mentalität an den Tag legt, wie sein großes Vorbild - alles wird dem Erfolg untergeordnet. Die Razorbacks gingen in seinem letzten Hochschuljahr mit einer Bilanz von 27:9 ins NCAA Tournament, Bobby erzielte im Schnitt 17,5 Punkte, schnappte sich 8,9 Rebounds und blockte 1,4 Würfe pro Spiel.

Belohnt wurden diese Leistungen mit dem "SEC Player of the Year"-Award und das zum 20. Jubiläum von Vorbild und Unterstützer Corliss Williamson, der als letzter Razorback die Trophäe Richtung Hallendecke recken durfte. Trotz der starken Stats ihres Star-Forwards scheiterten die Razorbacks schließlich in der 32tel-Runde an den Tar Heels und Bobby vergoss noch in der Halle bittere Tränen.

Sorry, D-Rose

Als dickes Trostpflaster warten nun die Bulls, die sich die Dienste des vormaligen Hitzkopfs an 22. Stelle sicherten. Bevor sich der Neu-Bulle jedoch mit starken Leistungen in der Summer League auszeichnen konnte, galt es noch ein paar Irritationen aus dem Weg zu räumen. Die berühmte Posse um seine Anti-Bulls-Tweets, die Portis 2011 ganz nach altem Gebaren ohne große Überlegungen in die Tasten schlug und die sich besonders mit Team-Leader Derrick Rose beschäftigten.

Jetzt, da die Schatten der Vergangenheit bei Seite geschafft sind, macht sich Portis auf, als potentieller Steal des Drafts erneut gegen alle Widerstände in den Kampf zu ziehen. An seiner Einstellung gibt es ohnehin kein Zweifel. Wie er erst über Twitter verlauten ließ: "An alle Kids da draußen. Schwerstarbeit ist ein Talent, Arbeitseifer eine Kunst."

Bobby Portis im Steckbrief

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