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Sabermetrics als Grundlage für das Moneyball-Prinzip im Baseball: WAR - What is it good for?

Sabermetrics bilden die Grundlage für die analytische Evaluierung von Baseballspielern
© getty

Spätestens seit "Moneyball" weiß man auch hierzulande, wie wichtig statistische Daten im Baseballsport sind. Die sogenannten Sabermetrics, die erweiterten Statistiken im Baseball, bilden die Grundlage für die analytische Evaluierung des Sports. SPOX gibt Einblick in die wichtigsten Statistiken und erklärt deren Anfänge.

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Kein Sport wird so von Statistiken geprägt wie Baseball. Nicht zuletzt dank "Moneyball" sind diese salonfähig geworden und prägen das Bild der Szene. Darüber hinaus ist wohl auch kein Fantasy-Sport so beliebt wie Fantasy Baseball, jedenfalls in den USA. Der Grund liegt auf der Hand: Kein Sport hat so ausführliche Statistiken, um ein möglichst objektives Spielerlebnis zu erzeugen.

Doch die Statistiken sind natürlich nicht nur dazu da, das Spiel anschaulicher zu gestalten oder Fantasy-Spieler zu beglücken. Statistische Daten werden schon seit knapp 30 Jahren dazu verwendet, Spieler zu evaluieren. Und zwar auf komplett objektiver Basis - im Gegensatz zum traditionellen Scouting, das höchst subjektiv daherkommt.

Seit jeher gab es im Baseball schon Statistiken wie den Schlagdurchschnitt für Hitter oder den Earned Run Average für Pitcher. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Boxscore erfunden, eine Tabelle, die übersichtlich die wichtigsten Statistiken für jeden Spieler darstellt, sodass jeder Leser einigermaßen mitverfolgen konnte, wie denn ein Spiel verlaufen ist.

Doch knapp 100 Jahre später kam man vereinzelt zur Erkenntnis, dass diese Werte an sich herzlich wenig aussagten. Der Ingenieur Earnshaw Cook, ein Princeton-Absolvent, gilt als einer der ersten, der Daten sammelte, die über die Standard-Statistiken hinausgingen. Er veröffentlichte seine Erkenntnisse in seinem Buch "Percentage Baseball" (1964), das allerdings auf heftigen Gegenwind stieß in den nationalen Medien sowie bei Funktionären und Coaches.

Bill James und die Sabermetrics

Mit diesem neumodischen Humbug wollte man eben nichts zu tun haben. Dennoch war das nicht das Ende einer weitläufigeren Draufsicht auf das in den Staaten so beliebte Spiel. 1971 wurde schließlich die Society for American Baseball Research, oder SABR, gegründet. Einer der Gründerväter war der Journalist Bill James, der 1977 die erste Ausgabe seiner jährlichen "Baseball Abstracts" veröffentliche und die sogenannten "Sabermetrics" bekannter machte.

Doch was sind diese Sabermetrics? Sie sind im Grunde ein Sammelbegriff für höherwertige Statistiken im Baseball. Das interessante daran ist, dass bis heute immer mehr Statistiken dazu kommen, die mehr oder minder aussagekräftige Perspektiven auf den Sport ermöglichen.

In Sachen Batting wurde zunächst mal der Batting Average als ungenügend entlarvt. Er errechnet sich durch die Formel: Hits geteilt durch At-Bats. Heißt konkret: Schafft ein Hitter in zehn At-Bats drei Hits, dann beträgt der Schlagdurchschnitt .300! Und das ist sehr gut.

Das Problem dabei ist jedoch, dass der Schlagdurchschnitt rein gar nichts über die anderen Wege, die erste Base zu erreichen, aussagt. Ein Hitter kann auch per Walk oder Hit-by-Pitch die erste Base erreichen, wird dadurch aber nichts an seinem Schlagdurchschnitt ändern. Was Spielerevaluation betrifft, rennt man allein hiermit schon in eine Sackgasse.

Billy Beanes Moneyball-Prinzip basiert auf der Run-Differenz

Das durch Billy Beane bei den Oakland A's salonfähig gemachte Moneyball-Prinzip beruht nämlich auf der Grundlage, dass der Wert eines Spielers dadurch bemessen wird, inwiefern er zur Run-Differenz seines Teams ultimativ beiträgt. Inwiefern hilft er seinem Team, Runs zu erzielen oder Runs zu verhindern? Der Schlagdurchschnitt hilft da nur sehr beschränkt weiter.

Trivial formuliert: Um einen Run zu erzielen, muss man zunächst mal auf Base kommen. Nur dort besteht die Chance, dass man einen Run erzielt. Beane nannte Kevin Youkilis einst den "Greek God of Walks". Zu Recht: Er hatte in seiner Karriere eine On-Base Percentage von .382, was nur 154 der über 18.000 Spieler in der MLB-Geschichte übertroffen haben.

Und diese OBP ist zugleich eine der bekanntesten Sabermetrics-Statistiken unserer Zeit. Sie beinhaltet nämlich nicht nur Hits, sondern auch Walks und Hits-by-Pitch, die man durch die Plate Appearances teilt. Und sie sagt eben aus, wie häufig ein Hitter mindestens die erste Base erreicht.

Ein weiterer wichtiger Aspekt in der individuellen Bewertung eines Hitters ist die Slugging Percentage, denn diese konzentriert sich auf die Qualität der Hits. Ob jemand einen Monster-Homerun a la Aaron Judge schlägt oder lediglich ein Single durch die Mitte fabriziert, ist laut Schlagdurchschnitt einerlei! Beides sind unterm Strich Hits.

OPS: Aaron Judge ist produktiver als Eric Hosmer

Die Slugging Percentage jedoch sagt uns, wie hoch die Qualität der Hits ist, also wie viele Bases der Batter in der Regel per Schlag überquert. Die Formel hier ist: Total Bases durch At-Bats. Ein Single ist eine Base, ein Double zwei, Triple drei und der Homerun zählt vier Bases.

Ein aktuelles Beispiel in dieser Hinsicht ist ein kleiner Vergleich zwischen Yankees-Outfielder Aaron Judge und Royals-First-Baseman Eric Hosmer. Beide schlagen (Stand: 26.7.17) .310, was den Schlagdurchschnitt betrifft. Doch bei der Slugging Percentage liegt Judge bei .646, Hosmer lediglich bei .488. Judge ist also der klar produktivere Spieler. Hauptgrund für den Unterschied sind die mehr als doppelt so finalen Homeruns von Judge (32 gegenüber 15).

Da man aber gerne auf einen Wert anstatt mehreren schaut, wurde schließlich On-Base plus Slugging, kurz: OPS, eingeführt, was einfach die Summe aus OBP und SLG ist. Bleiben wir beim aktuellen Beispiel, dann liegt Judge hier bei 1.081, Hosmer bei lediglich .857 - in Sachen OBP liegt nämlich Judge bei .434, Hosmer bei .369.

Judge kommt also auch deutlich häufiger auf Base, was daran liegt, dass er die Liga in Walks anführt und doppelt so viele hat wie Hosmer (72 - 36). Judge ist also rein analytisch betrachtet der bessere Spieler, weil er offensiv produktiver ist als Hosmer.

Dann gibt es natürlich noch Zahlen wie Runs Batted In und dergleichen, doch solche sind von Mitspielern abhängig. Kommt niemand vor einem auf die Base, sinkt die Chance auf ein RBI gewaltig. Hierfür gibt es dann Stats wie "Runs Created", in der grob gesagt alles reinspielt, was ein Spieler von sich aus tun kann, um einen Run zu erzielen. Also auf Base kommen, Bases stehlen, Runs nach Hause schlagen usw.

Pitching losgelöst von Fähigkeiten der Mitspieler

Auf der Pitching-Seite war jahrelang der ERA die Go-To-Statistik. Die Earned Runs werden geteilt durch die gepitchten Innings und das Ergebnis wird mit neun - ein komplettes Spiel geht neun Innings - multipliziert. Schon hat man den ERA, der sagt, wie viele Runs ein Pitcher im Schnitt pro Spiel zulässt.

Sabermetricians, wie sie genannt werden, kritisieren jedoch, dass dieser Wert nicht berücksichtigt, ob ein Pitcher selbst die Ursache für einen gegnerischen Hit ist oder doch eher seine Mitspieler. Ein richtig guter Shortstop kommt eher an einen scharfen Ground Ball heran als ein Mittelklasse-Shortstop.

Hierfür wurden die "Defense Independent Pitching Statistics" eingeführt. Voros McCracken entwickelte dieses System 1999, um ausschließlich die Leistung eines Pitchers zu messen. Diese Statistiken erfordern allerdings höhere Mathematik und sind schwer anschaulich zu erklären. Einer der bekanntesten Werte in diesem Hinblick ist das Fielding Independent Pitching (FIP).

Baseball Prospectus wiederum setzt auf den Peripheral ERA, der Hits, Walks, Homeruns und Strikeouts betrachtet und einen Adjusted Ballpark Factor berücksichtigt, da Baseballstadien nun mal alle unterschiedliche Maße und Eigenheiten aufweisen. Manche Ballparks sind eher für Hitter ausgelegt, andere sind Paradiese für Pitcher.

BABIP für Langzeitvorhersagen unbrauchbar

Man vergleiche etwa die "Schießbude" Great American Ball Park in Cincinnati mit dem gigantisch großen Petco Park in San Diego. Ein Pitcher wird basierend auf klassischen Statistiken eher in San Diego gut aussehen als in Cincy. Aber fair ist dieser Vergleich dann keineswegs.

Ebenfalls beliebt ist der BABIP, der Batting Average on Balls in Play. Die Formel hierfür ist recht trivial. Hits Minus Homeruns werden geteilt durch At-Bats Minus Hits Minus Homeruns Plus Sacrifice Flys. Die Frage hier ist, wie viele Bälle gegen einen Pitcher, die ins Spiel gebracht werden, werden auch zu Hits? Umgekehrt gibt es diese Statistik natürlich auch für Hitter.

Allerdings wird BABIP basierend auf Wahrscheinlichkeitsrechnung eher nicht als brauchbare Bewertungsgrundlage für die Qualität eines Pitchers oder Hitters angesehen. Man geht davon aus, dass wenn ein Spieler in einem Jahr einen verhältnismäßig hohen BABIP aufweist, dann im folgenden Jahr wahrscheinlich schlechter abschneiden wird. Im Gegensatz dazu sollte jemand mit einem schlechteren BABIP im Folgejahr erfolgreicher sein. Dieser Wert gleicht sich in der Regel über einen längeren Zeitraum betrachtet aus.

WAR - what is it good for?

Will man generell die Wertigkeit eines Spielers bemessen, greift man dieser Tage zu VORP oder WAR, also dem Value over Replacement Player oder den Wins Above Replacement.

VORP sagt aus, wie viel ein Spieler zu seinem Team beiträgt im Vergleich mit einem fiktiven Ersatzmann, der unter Durchschnitt agiert. Und WAR wiederum funktioniert ähnlich und beschreibt, für wie viel mehr Siege der Spieler für sein Team gesorgt hat im Vergleich zum fiktiven Backup.

WAR-Werte variieren allerdings von Position zu Position und basieren auf erfolgreicher Leistung eines Spielers und seiner Spielzeit. Allerdings berechnen verschiedene Portale diese Statistik unterschiedlich, da sie nicht alle identische Variablen verwenden. Baseball-Reference wird andere Werte liefern als zum Beispiel FanGraphs.

Jose Altuve, der aktuell die American League in WAR anführt, hat laut FanGraphs einen Wert von 5.5, bei Baseball-Reference liegt er bei 5.9. Beide sind sich jedoch einig, dass aktuell kein Spieler der AL wertvoller für sein Team ist als der Second Baseman für die Houston Astros.

Sabermetrics als objektive Ergänzung zum klassischen Scouting

Statistiken werden immer wichtiger in der heutigen Zeit, vor allem im Bereich des Scoutings. Auch wenn das subjektive Beobachten eines Spielers durch erfahrene Scouts schon immer funktioniert hat und nach wie vor ein wichtiger Aspekt der Spielerakquise im professionellen Baseball ist, muss man heutzutage auf Analytics zurückgreifen. Schon deshalb, weil man es sich nicht erlauben kann, objektive Zahlen zu ignorieren.

Das unterstrich auch Billy Beane im exklusiven Interview mit SPOX: "Wenn man diese Daten nicht nutzt und sich seinen Zugang zu Informationen nicht zunutze macht, verliert man den Anschluss." Und Sabermetrics, die einst nur zur besseren Veranschaulichung des Sports für die breite Öffentlichkeit und zur Verbesserung von Fantasy Games gedacht waren, sind die beste Quelle für besagte Daten.

Sabermetrics sind für den gewöhnlichen Fan vielleicht nicht notwendig, um das Spiel auf einfache Weise nachzuvollziehen. Doch wer sich ernsthafter mit Baseball befasst, kommt heutzutage nicht mehr drum herum, diese Daten zu beachten.

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