"Good shot, Good shot"

Von Martin Gödderz
Michael Jordan (r.) gewann mit North Carolina 1982 die NCAA-Meisterschaft
© getty

In einem der besten Finals der College-Basketballgeschichte hat mit den Villanova Wildcats ein Team gewonnen, was viele auf der Rechnung hatten, doch niemand wirklich ernst nahm. Der Champion bildet die Antithese zur Entwicklung der letzten Jahre, Matchwinner Jenkins bekam sogar Anerkennung von Michael Jordan.

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Als Kris Jenkins mit dem Ertönen der Sirene den entscheidenden Dreier durch die Reuse donnerte und seine Villanova Wildcats damit zum National Champion 2016 krönte, drehte sich Michael Jordan, der inmitten eines Pulks von Tar-Heels-Fans stand, zu seinem Kumpel Ahmad Rashad um. Er nickte kurz, er lächelte: "Good shot, good shot."

Ein ehrliches Lob von höchster Stelle. MJ weiß, wovon er spricht. 1982 war es sein Gamewinner gegen die Georgetown Hoyas, der den Carolina Tar Heels den Titel brachte. Später beschrieb Jordan diesen Wurf als einen der Wendepunkte seiner Karriere.

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Nun steht Kris Jenkins vor keiner ähnlichen Karriere, der Junior wird aller Voraussicht nach nächstes Jahr wieder für die Wildcats auflaufen. Die Erfahrung, dass er in einem der besten College-Spiele aller Zeiten nicht einfach nur mitgewirkt hat, sondern dieses mit einem wahnwitzigen Buzzerbeater sogar entschieden hat, wird ihm niemand mehr nehmen.

Was sich vor Jenkins' entscheidendem Wurf auf dem Court im NRG Stadium zu Houston abgespielt hatte, war ein atemberaubendes Basketballspiel. Es offenbarte die komplette Dramatik des College-Basketballs und war gleichzeitig ein Finale für die Geschichtsbücher mit einem höchst ungewöhnlichen Gewinner.

Ein untypischer Champion

Der Titelgewinn der Wildcats ist keine gewöhnliche Cinderella-Story eines Underdog-Teams, das etliche Favoriten auf dem Weg zum Titel aus dem Weg geräumt hat, so wie es bei Villanovas Championship-Run 1985 der Fall war. Damals feierte das College, nur an achter Stelle gesetzt, den bislang einzigen Titel seiner Geschichte gegen das hochfavorisierte Georgetown.

Nein, Villanova galt schon vor dem Turnier als eine der besten Mannschaften des Landes, auch wenn die Tar Heels als Favorit ins Finale gingen. Trotzdem ist der Sieg im Finale, ganz unabhängig vom Zustandekommen mitsamt des irren Buzzerbeaters und des dramatischen Spielverlaufs, ein Märchen im Kleinen. Villanova wird mit aller Wahrscheinlichkeit der erste Champion seit knapp 30 Jahren sein, von dem kein einziger Spieler in der ersten Runde des NBA-Drafts gezogen wird.

Diese Wildcats sind eine Mannschaft voller harter Arbeiter, Teamplayer und Underdogs, die der College-Welt gezeigt hat, dass man entgegen der Erfahrung der letzten Jahre kein Team voller NBA-Talente braucht, um auf höchstem Niveau bestehen zu können. Villanova ist kein Champion wie Duke im letzten Jahr mit Jahlil Okafor und Justise Winslow oder Connecticut vor zwei Jahren mit einem überragenden Shabazz Napier.

Vielmehr haben sich die Wildcats den Titel mit ehrlicher Arbeit in der Defensive und einer gnadenlosen Effektivität unter dem Korb verdient. Genau das zeigte sich auch im Championship Game eindrucksvoll, als Nova 58,3 Prozent seiner Feldwürfe verwandelte und damit exakt im eigenen Durchschnitt bei diesem Turnier lag - die beste Quote, die in den letzten 50 Jahren bei einem NCAA-Turnier erreicht wurde.

Williams ringt mit den Tränen

Als Villanovas Head Coach Jay Wright nach dem Spiel zum Gamewinner von Jenkins meinte, dass er eben für solche Momente leben würde, hätte er dies auch für sein ganzes Team sagen können. Stattdessen betonte Wright aber noch einmal, welch unfassbares Spiel die Basketballwelt zu sehen bekommen hatte.

"Ich bin einfach nur stolz, dass ich bei diesem Spiel dabei sein durfte. Ich habe mir alle Finals angesehen, die man sich ansehen kann und ich kann nur sagen, dass dieses eines der besten aller Zeiten war. Einfach nur großartiger College-Basketball. Das hat mir Roy Williams auch gesagt", offenbarte Wright nach dem Spiel.

Während Wright noch vom fantastischen Spiel schwärmte, saß beinahe parallel der genannte Roy Williams auf der Pressekonferenz und rang mit den Tränen. Für Wrights Trainer-Kollegen war eine Welt zusammengebrochen. Die Tar Heels hatten nicht einfach nur ein denkwürdiges Finale verloren. Nach der Niederlage stehen viele Fragezeichen hinter der Zukunft in North Carolina.

Ihren Nimbus als eines der besten Recruiting-Teams hatten Williams und die Tar Heels schon in den letzten Jahren abgegeben. Kentucky und Co. hatten der UNC bereits länger den Rang abgelaufen, wenn es um das Abwerben potentieller NBA-Lottery-Picks ging. Trotzdem reichte es zu einem Run bis ins Finale, wo nach einem irren Finish mitsamt des überragenden Dreiers von Marcus Paige der Sieg in Reichweite schien, ehe Jenkins in Aktion trat.

"Ich liebe meine Jungs"

Nun hat der 65-jährige Williams in seiner Trainerkarriere schon einige Spiele verloren, er stand auch schon in anderen Championship Games an der Seitenlinie und musste Niederlagen einstecken. So aufgelöst wie nach dem gestrigen Finale hat man den UNC-Coach allerdings noch nie erlebt. "Mein Glückwunsch geht an Villanova, sie haben es definitiv verdient. In diesen Momenten kann man nicht viel sagen, doch ich liebe meine Jungs in der Umkleide", gab Williams mit feuchten Augen zu.

Von diesen Jungs brechen nun mit Brice Johnson und Marcus Paige, die ihr Glück im NBA-Draft versuchen, die zwei besten Spieler weg. Es mag der besonderen Tragik der atemberaubenden Endphase geschuldet sein, dass Williams mit den Tränen rang. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die Niederlage eine besondere darstellt: Es könnte Williams' letztes Spiel an der Seitenlinie der Tar Heels gewesen sein, deren Zukunft und eigener Anspruch auf Dominanz in der NCAA so fragwürdig wie selten erscheint.

Die Wildcats dagegen haben ein Signal an den Rest der College-Welt gesetzt, dass man auch mit einem gut funktionierenden Teamgebilde ohne Talente von NBA-Kaliber den Titel holen und die Dominanz der ganz großen Namen im Geschäft durchbrechen kann.

Dass Villanova noch einmal eine ähnliche Serie hinlegt, erscheint unwahrscheinlich. Mit den Seniors Ryan Arcidiacono und Daniel Ochefu verlassen zwei Eckpfeiler das College, Josh Hart und Jalen Brunson werden zumindest mal in der NBA anklopfen. Die Erinnerung an eines der großartigsten Finalspiele, das ganz dem Motto der March Madness entsprach, wird bleiben.

Wie sagte Jordan doch gleich? "Good shot, Good shot."

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