Sein zweiter Goldlauf von Pyeongchang lag gerade mal 90 Minuten zurück, da wurde Ski-König Marcel Hirscher schon nach dem möglichen dritten gefragt. Kann er, der größte Skifahrer seiner Zeit, den Legenden Toni Sailer und Jean-Claude Killy nachfolgen?
Hirscher zog die Mundwinkel nach unten und hob beide Hände vom Tisch etwas in die Höhe, auf seinen Rennhandschuhen prangten die sechs großen Kristallkugeln mit dem jeweiligen Jahr, in dem Hirscher sie gewann. "Keine Ahnung", sollte diese Geste sagen, Hirscher selbst schwieg. Nur eine vierte Goldfahrt schloss er aus, den Teamwettbewerb wird er nicht fahren.
"Nein, das geht nicht", sagte Hirscher, "wenn ich auch gerne würde. Aber ich wäre kein Profi, wenn ich nicht so schnell wie möglich nach Hause fahren würde." Hirscher, der Getriebene, der Kannibale des alpinen Skisports, dachte in schon an die nächsten Weltcup-Rennen am ersten März-Wochenende, an den nächsten Triumph im Gesamtweltcup, seinen siebten.
Nur der Reis stört Marcel Hirscher
Den olympischen Slalom am Donnerstag, den nimmt der Top-Favorit natürlich noch mit, auch wenn er nach Gold in Kombination und Riesenslalom bekannte, "schon ein bisschen müde" zu sein.
Die Jagd nach seinen ersten Goldmedaillen bei Olympia hat den 28-Jährigen ebenso geschlaucht wie die Bedingungen. "Es ist immer kalt", sagte er, und, "sorry, liebe asiatischen Freunde, aber ich kann keinen Reis mehr sehen. Zweieinhalb Wochen Reis ist für einen Kerl aus Europa zu viel."
Yiiihaaa! Demonstration der Macht
Am Sonntag, im Rennen, war davon nichts zu spüren. Als der Unnachahmliche mit dem größten Vorsprung in einem Olympia-Riesenslalom seit 40 Jahren ins Ziel raste, stand die geschlagene Konkurrenz applaudierend Spalier.
Hirscher wirbelte eine Schneewolke auf, die den Zweitplatzierten Henrik Kristoffersen und Alexis Pinturault (Bronze) mitten im Gesicht traf. Es war eine Machtdemonstration, wie sie Hirscher längst zur Gewohnheit gemacht hat.
"Yiiihaaa", brüllte der oft so kontrollierte Hirscher, und Kristoffersen rief ihm zu: "Das ist das verdienteste Gold der Welt." Hirscher, ergänzte der Norweger, sei "im Riesenslalom im Moment unschlagbar, für uns geht es nur um den Platz dahinter". Für die Deutschen nicht einmal um das: Linus Straßer und Fritz Dopfer belegten die Plätze 22 und 26, Alexander Schmid schied aus.
Schlüsselerlebnis: WM in Schladming
Den Schlüssel zu seiner Dominanz sieht Hirscher in der Heim-WM von Schladming 2013, wo er unter unmenschlichem Druck gestanden habe - und nach der Niederlage im Riesenslalom mit Gold im Slalom, dem letzten WM-Rennen, seinen ersten großen Einzelsieg holte. "In Schladming", sagte er am Sonntag, "is um ois gangen." Um die Frage: "Schaffe ich es, in meinem Sport ein Großer zu werden oder nicht. Das war brutal."
Der Olympia-Riesenslalom dagegen - ein Klacks! Er habe am Start kurz das Worst-case-Szenario durchgespielt, was dann gewesen wäre. Hirschers Erkenntnis: "Nix! Nix wäre gewesen!" Derart befreit raste er zur nächsten Goldmedaille.
Und jetzt, der Slalom? Triple-Gold? "Es ist ein neues Rennen", sagte Hirscher, "aber die Leute erwarten wieder dieselben Sachen." Er ist bereit.