Rodel-Gott Johannes Ludwig im Interview: "Ohne Corona hätten das durchaus schöne Spiele sein können"

Von Christian Guinin
Johannes Ludwig
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Bei den Olympischen Spielen in Peking sorgte Rodler Johannes Ludwig für die erste Goldmedaille für Team Deutschland. Gegenüber SPOX erklärt der 35-Jährige nun, wie er den Triumph in den Tagen danach verarbeitet hat.

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Außerdem spricht er über die Chancen beim anstehenden Team-Wettbewerb, die Zukunft des deutschen Rodel-Sports und die Corona-Situation bei Olympia.

Johannes Ludwig über ...

... seine Goldmedaille:

"Auf jeden Fall gucke ich sie mir schon ein paar Mal öfter an. Sie liegt hier neben mir im Nachttischschränkchen. Ich habe mir das Ganze auch noch einmal im Fernsehen angeguckt, um das Revue passieren lassen zu können. Da passieren immer unheimlich viele Dinge auf einmal. Das kann man dann gar nicht alles auf die Schnelle realisieren. Ich habe eine wunderschöne Schatulle zu meiner Medaille bekommen. Ich nehme sie jeden Tag raus, fass sie an und streichele sie auch ein bisschen (lacht). Das tut schon gut."

... seine Emotionen nach der Zieleinfahrt:

"Im Endeffekt weiß man das schon, wenn man über die Ziellinie gefahren ist. Das ist auch der schönste Moment. Da empfangen dann einen die Teamkollegen. Diese Freude, das ist einmalig bei Olympischen Spielen. Das habe ich in dieser Form noch nicht so erlebt. Da bekomme ich immer noch Gänsehaut."

... die kommenden Tage:

"In den nächsten Tagen werden sicherlich immer wieder neue Eindrücke kommen. Dann setzt sich das Bild noch ein Stück weit mehr zusammen."

... das Lesen eines Kapitels des Buches "Das Paket" von Sebastian Fitzek vor dem entscheidenden vierten Lauf:

"Ich habe das in diesem Jahr zum ersten Mal so gehandhabt. Schon zum Einstieg in den ersten Weltcup des Winters. Ich habe dann gemerkt, dass mir das ziemlich gut tut und mich ablenkt. Die Anspannung bei Olympischen Spielen, die kann man mit anderen Rennen nicht vergleichen. Aber das war schon bei meinen ersten Spielen in Pyeongchang so. Mittlerweile bin ich reifer geworden und kann damit besser umgehen."

... die Anspannung:

"Vor dem vierten Lauf habe ich mir schon Gedanken gemacht. Darum habe ich noch einmal das Buch ausgepackt und ein Kapitel gelesen. Das war tatsächlich auch ein ziemlich spannendes Kapitel. Da wurde gerade aufgeklärt, wer der Mörder ist. Das war dann eigentlich ganz cool."

Ludwig: "Gefühl, dass die Begeisterung für den Sport fehlt"

... die Vorbereitung auf den Team-Wettbewerb:

"Gestern war der erste Tag, an dem ich versucht habe, wieder ein bisschen in meinen Fokus zu kommen, weil ich doch stark abgeschweift bin. Dann ist mir eingefallen, dass ich ja meinen Schlitten auch vorbereiten und alles wieder zusammensuchen muss. Das war die letzten Tage nicht so geordnet. Wenn ich das alles mache, komme ich aber wieder in diesen Modus."

... seine Vorfreude auf den Team-Wettbewerb:

"So ein Team-Staffelrennen ist natürlich etwas ganz Besonderes. Da ist die Anspannung besonders groß, weil man auch Mitverantwortung für die Teamkollegen trägt. Man möchte das schließlich nicht versauen. Wenn man dann aber unten ist und gemeinsam den Teamerfolg erringt, das ist dann eine ganz besondere Freude. Da ist man nicht so für sich allein."

... die deutschen Medaillenchancen im Team-Wettbewerb:

"Wenn alles normal läuft, geht es um Gold oder Silber. Aber es läuft natürlich nicht immer normal oder nach Wunsch. Ich würde sagen, dass Österreich und die Deutschen den Favoritenstatus haben. Die sollten Gold und Silber unter sich ausmachen. Da werden dann Kleinigkeiten entscheiden."

... den Grund für die deutschen Rodel-Erfolge seit langer Zeit:

"Rodeln hat in Deutschland natürlich schon eine starke Tradition. Da sind wir im Vergleich zu anderen Ländern schon breiter aufgestellt, was Nachwuchsarbeit, finanzielle Unterstützung und die Infrastruktur betreffen. Grundsätzlich können wir also aus einem größeren Fundus an Nachwuchstalenten greifen."

... die Zukunft des deutschen Rodelsports:

"Im Verhältnis zu anderen Nationen sind wir wahrscheinlich noch gut aufgestellt, aber es ist so wie in vielen anderen Sportbereichen. Ich habe das Gefühl, dass die Begeisterung bei den Kindern für den Sport fehlt. Auch geeignete Trainer zu finden, die das auf freiwilliger Basis machen, ist nicht leicht. Das war früher ein bisschen einfacher. In meiner Kindheit habe ich beispielsweise noch von vielen DDR-Strukturen profitiert. Dieses Ehrenamt ist letztlich wichtig und dafür gibt es immer weniger Bereitschaft."

... die Motivation der Jugend, sich nach einem Goldmedaillen-Gewinn für den Rodelsport zu begeistern:

"Das ist sicherlich ein Faktor, der das Ganze gut verkaufen kann. Aber letztlich ist es ein gesellschaftliches Problem. Kinder sind in der heutigen Zeit oft durch andere Sachen abgelenkt. Deswegen ist das alles schwieriger."

Johannes Ludwig
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Ludwig: "War richtig, die Spiele stattfinden zu lassen"

... die Corona-Situation bei den Olympischen Spielen:

"Das Corona-Problem ist zunächst Mal kein chinesisches Problem, sondern ein weltweites. Sicherlich gehen die Chinesen damit deutlich restriktiver um als viele andere Nationen. Ob das richtig oder falsch ist, sei dahingestellt. Wir haben unsere Erfahrungen schon gesammelt, als wir im November zum Weltcup hier waren. Da sind wir auf viele Probleme in diesem Corona-System gestoßen. Gegenüber dem IOC haben wir dann unsere Eindrücke geschildert. Ich glaube, dass China in Sachen Kontaktbeschränkungen und CT-Wert da schon ein Stück weit entgegengekommen ist. Die würden das nach ihrer Auffassung noch viel restriktiver angehen. Dennoch muss ich sagen, dass es weniger Fälle gibt, als ich erwartet hätte. Nichtsdestotrotz hat das bedeutet, dass viele Athleten extra vorsichtig im Vorfeld der Spiele agieren mussten. Aber das ist ein generelles Corona-Problem. Hätten die Spiele hier in China ohne Corona stattgefunden, denke ich, dass das durchaus schöne Spiele hätten sein können. Natürlich unabhängig von der ganzen Kritik an Menschenrechten, Nachhaltigkeit, Größenwahn oder Propaganda."

... seine persönliche Wahrnehmung der Spiele:

"Grundsätzlich ist der Ablauf bei Olympischen Spielen immer strenger. Man muss sich eben mit den Gegebenheiten abfinden. Wer sich darüber aufregt, hat schon verloren. Das gilt generell für Olympia. Irgendwie macht das Olympische Spiele auch aus. Ich finde auch, dass es richtig war, die Spiele stattfinden zu lassen. Bei uns im Rodeln gab es auch nur einen Corona-Fall, der mir bekannt ist. Insgesamt ist das also alles sehr fair abgelaufen."

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