Kristina Timanowskaja ist nach ihrer Flucht vor der eigenen Regierung in Polen angekommen, das IOC nimmt unterdessen die Funktionäre des zwielichtigen NOKs aus Belarus ins Visier. Am Mittwoch gegen 20.00 Uhr landete die Leichtathletin, die nach öffentlichen Entführungsvorwürfen gegen ihre Delegation während der Olympischen Spiele weltweit Bekanntheit erlangt hat, in Warschau. Zuvor hatte sie einen Zwischenstopp in Wien eingelegt.
Bei der Landung in Österreichs Hauptstadt war Timanowskaja von Staatssekretär Magnus Brunner in Empfang genommen worden. Brunner bestätigte vor Journalisten, dass sie die Reise nach Polen fortsetzen werde und die Flugroute aus "Sicherheitsgründen" geändert worden sei. Timanowskaja ginge es den Umständen entsprechend gut. "Sie macht sich Sorgen um ihre Familie. Sie ist müde, angespannt und nervös, wie die Dinge weitergehen", so Brunner.
Polnisches Visum auch für Timanowskajas Ehemann
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) setzte derweil in Tokio eine Disziplinarkommission ein und kündigte an, Leichtathletik-Trainer Juri Moisewitsch und Funktionär Artur Schumak zum Fall Timanowskaja zu befragen. Die 24-Jährige hatte aus Angst vor dem Gefängnis in ihrer Heimat die Rückreise verweigert, sie sollte gegen ihren Willen vor dem Start über 200 m nach Belarus gebracht werden. Zuflucht fand sie in der polnischen Botschaft.
Polen hat Timanowskaja ein humanitäres Visum angeboten, das sie annehmen will. "Das polnische Außenministerium hat schon Kontakt mit mir aufgenommen, und auch der Leichtathletik-Verband hat mir Unterstützung zugesagt. Ich hoffe sehr, dass ich in Polen in Sicherheit sein werde", sagte Timanowskaja der Bild. Wie am Mittwochnachmittag bekannt wurde, erhält auch ihr Ehemann ein polnisches Visum.
Selbst Maas und Blinken melden sich zu Wort
Ihr Fall hatte einen Skandal ausgelöst, in den sich hochrangige Politiker aus Europa und den Vereinigten Staaten einschalteten. So verurteilten auch Außenminister Heiko Maas in der Rheinischen Post und sein US-Amtskollege Antony Blinken via Twitter das mutmaßliche Vorgehen der belarussischen Delegation. Die deutlichste Kritik kam aus Polen, Timanowskajas neuer Heimat.
Welche Konsequenzen dem Nationalen Olympischen Komitee aus Belarus drohen, ist ungewiss. Athletenverbände hatten den sofortigen Ausschluss noch während der Spiele in Tokio gefordert. Das IOC hatte das NOK bereits im vergangenen Jahr mit Sanktionen belegt. Staatschef Alexander Lukaschenko musste sein Amt als Vorsitzender abgeben, seinem Sohn und Nachfolger Wiktor verweigert das IOC die Anerkennung. Zudem sind die finanziellen Zuwendungen ausgesetzt.
Timanowskaja: "Es ging mir nicht um Politik"
Timanowskaja hatte als eine von 2000 Sportlerinnen und Sportlern einen Offenen Brief unterzeichnet, in dem Neuwahlen der Regierung und die Freilassung von politischen Gefangenen gefordert wurden. Lukaschenko geht seit der Wahl 2020 mit Polizeigewalt gegen die Demokratiebewegung in seinem Land vor. In Tokio hatte Timanowskaja eine sportliche Entscheidung öffentlich infrage gestellt, die Tragweite hatte sie nach eigener Aussage unterschätzt.
"Von Anfang an ging es mir nicht um Politik. Ich habe nur kritisiert, dass unsere Cheftrainer über das Staffellauf-Team entschieden haben, ohne sich mit den Sportlern zu beraten", sagte sie.