Olympische Spiele in Tokio - Tag 4 kompakt: Freudentanz oder Paarungsritual? Ein Ausraster für die Ewigkeit!

Von Stefan Petri
Schwimmtrainer Dean Boxall sorgte für den Ausraster des Tages.
© imago images

Am vierten Tag der Olympischen Spiele in Tokio gewinnt Team Deutschland zum dritten Mal Edelmetall, muss aber weiter auf den ersten Olympiasieg warten. Dramatisch wird es im Tischtennis und Turnen, eine 13-Jährige holt Gold - und warum sprechen wir eigentlich über olle Klamotten? Olympia kompakt am Montag.

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"So verrate mir doch, wertes Orakel: Wann glänzet es nun endlich gülden?"

Pah! Das ganze Nur-Gold-zählt-Gelaber geht richtig auf den Senkel, das muss mal gesagt werden. Da holt Sideris Tasiadis nach neun Jahren - und einer ergreifenden persönlichen Geschichte - wieder eine Medaille und dann zählt sie nicht, nur weil er diesmal nicht der Allerschnellste war?

"Aber ..."

Und überhaupt! Die Hockey-Damen gewinnen. Ludwig/Kozuch stehen im Beachvolleyball-Achtelfinale. Eine 19-Jährige schwimmt vorne mit. Zverev marschiert, Koepfer auch. Aber immer geht es nur um Medaillen!

Der ganze Olympia-Tag zum Nachlesen im Ticker.

"So haltet ein, ich ..."

Na schön. Von mir aus. Goldmedaillen müssen es sein, ja? Gut. Morgen. Dressur mit der Mannschaft. Rudern. Kanu. Da hast du dein Gold. Zufrieden?

"..."

Die wichtigsten Entscheidungen des Tages (Vorschau auf Tag 5):

Was sonst noch wichtig war:

Turnen: Dass die deutschen Olympia-Klamotten Schlagzeilen machen, gibt es normalerweise nur ein einziges Mal. Dann nämlich, wenn die neueste Kollektion vorgestellt wird und sich alle fragen, was die Designer diesmal geritten hat. Gut, vielleicht noch bei der Eröffnungsfeier, wenn wir dann tatsächlich in diverse Grüntöne gekleidet einmarschieren.

Die "It's my choice"-Aktion von Elisabeth Seitz sorgt dieser Tage aber sogar für internationale Aufmerksamkeit. Die Turnerin hat zusammen mit ihren Teamkolleginnen nämlich nicht nur den üblichen Leotard im Gepäck, sondern auch eine langbeinige Variante, die nicht nur das Aller-aller-aller-aller-Nötigste verdeckt. Und hier und da mit Klebeband fixiert werden muss.

"Die Botschaft soll sein: Jeder soll tragen, was er will, je nach Lust und Laune", erklärte die 27-Jährige, die übrigens je nach Lust und Laune auch wieder in den Leotard schlüpfen wird und mit ihrer Aktion bemerkenswert entspannt umgeht. Weniger Revolution auf Teufel komm raus, mehr ... Freiheit. So einfach ist das.

Es muss nicht immer der knappe Leotard sein: Elisabeth Seitz in der Qualifikation der Frauen.
© getty
Es muss nicht immer der knappe Leotard sein: Elisabeth Seitz in der Qualifikation der Frauen.

Welche Variante man als Zuschauer jetzt schöner/ästhetischer findet? Wurscht. Die entscheidenden Fragen sind: Lässt sich damit genauso gut turnen wie in der textilärmeren Variante? Beeinflusst es eventuell die Punktrichter, weil Körperspannung oder ähnliche sportliche (!) Gesichtspunkte schwieriger zu bewerten sind? Und ... das war's. Zur Abwechslung kann eine Sportart ja nicht nur für das TV-Publikum attraktiver werden, sondern für die Athletinnen selbst. Insofern: gut gemacht, Elisabeth! Am Donnerstag ist sie im Mehrkampf wieder dran.

Basketball: Team USAuchnichtmehrsogutwiefrüher hat ja die erste Niederlage im Turnier kassiert. Das muss bekanntlich nichts heißen. Wahrscheinlich gibt es am Mittwochmorgen einen Sieg gegen den Iran und alles ist wieder gut. Schließlich hat man mit Abstand am meisten Talent im Kader. Allerdings: Was Luka Doncic heute gezeigt hat, könnte Kevin Durant, Dame Lillard und Co. ein paar Sorgenfalten ins Gesicht gezaubert haben. 48 Punkte, eine unfassbare One-Man-Show vom Superstar der Dallas Mavericks. "Er ist der beste Spieler auf der Welt", staunte Argentiniens Trainer nach der kostenlosen Abreibung. Merke: Das beste "Team" haben die USA sowieso selten. Aber wenn die besten Spieler jetzt auch noch unter fremder Flagge auflaufen, könnte es richtig eng werden. Ach ja, ein Olympia-Rekord waren die 48 Punkte von Doncic natürlich nicht. Den hält immer noch der legendäre Brasilianer OSCAR SCHMIDT mit 55 Punkten aus dem Jahr 1988.

Mountainbike: Da wollte Mathieu van der Poel, Enkel von Tour-de-France-Legende Raymond Poulidor, im Mountainbike die Goldmedaille angreifen und hatte sich den Kurs vom ersten bis zum letzten Meter perfekt eingeprägt. Doch dann ließen ihn die Organisatoren übel auflaufen, weil sie an einem felsigen Sprung eine hölzerne Rampe aus dem Trainingslauf entfernten. Van der Poel fuhr die Stelle deshalb falsch an, stürzte bei der Landung und musste mit einer Hüftverletzung ins Krankenhaus. Doppelt bitter: Nach sechs Tagen in Gelb war er bei der Tour de France ausgestiegen, um sich auf die Spiele zu konzentrieren.

Judo: Wir hatten das Thema vor zwei Tagen schon - auch da war es schon extrem unappetitlich. Jetzt ist es - womöglich - schon wieder passiert: Am Montag trat der Sudanese Mohamed Abdalrasool nicht zu seinem Kampf gegen den Israeli Tohar Butbul an. Wo beim ersten Mal noch der Palästina-Konflikt vorgeschoben wurde - richtig: Butbul ist an diesem Schuld ... -, gab es diesmal aber keine Erklärung. Erst kam Abdalrasool ganz normal zum Wiegen, aber dann war er plötzlich raus. Im Zweifel für den Angeklagten, also warten wir mal ab, welche Erklärung dazu noch kommt. Ein Geschmäckle hat es Stand jetzt aber definitiv.

Medaillenspiegel: Nach drei Wettkampftagen führt Gastgeber Japan vor den USA, China und Russland. Alles nachvollziehbar. Wir stehen auf Rang 40, zusammen mit Kasachstan und knapp vor der Mongolei. Gut, der Weihnachtsmann ist kein Osterhase, wusste schon Uli H. aus M. Aber warum sind die Briten so weit vor uns? Sieben Medaillen, darunter drei Goldene. Erst sind sie im Fußball besser als wir, und jetzt auch noch das. Nur Elfmeterschießen, das können sie immer noch nicht.

Teenager des Tages: Momiji Nishiya

Dass die Skateboard-Wettbewerbe ein eher jüngeres Teilnehmerfeld anlocken würden, das war klar. Aber dass die dann auch noch gewinnen, das nicht. Vor den Augen von Legende Tony Hawk gewann die 13 Jahre alte Nishiya im Street der Frauen die Goldmedaille. "Dieses Ausmaß an Emotionen habe ich noch nie erlebt", sagte sie danach völlig überwältigt: "Das war die größte Freude, die ich je hatte." Tony Hawk ist mittlerweile übrigens 53. Die drei Frauen auf dem Podium waren zusammen 42.

Dominator des Tages: Adam Peaty

"Ich bin doch keine Maschine." So irgendwie ging doch das Lied, oder? Gemeint war damit definitiv nicht Adam Peaty. Der Brite verteidigte seinen Titel über 100 Meter Brust mehr als souverän - und hat jetzt die 18 schnellsten jemals geschwommenen Zeiten über diese Distanz auf dem Konto. Das hat wahrscheinlich nicht einmal Michael Phelps geschafft. Der war auch kein Schrank auf zwei Beinen, Peaty dagegen sieht aus, als würde er im Nebenjob beim Strongman antreten. Worauf wir ganz besonders neidisch sind: Er inhaliert täglich 8.000 Kalorien weg, ohne zuzunehmen.

PS: Warum ist Brustschwimmen eigentlich olympisch? Keiner weiß es.

Ausraster des Tages: Dean Boxall

Einfach mal viral gehen, während der eigene Schützling die zweitschnellste Zeit der Geschichte schwimmt und US-Superstart Katie Ledecky die erste olympische Niederlage überhaupt beibringt. Dachte sich wohl der Trainer der Australierin Ariarne Titmus. Wobei: Wahrscheinlich dachte er überhaupt nichts mehr. Als Titmus nämlich über die 400m Freistil als Schnellste anschlug, führte Boxall auf der Tribüne eine Mischung aus Freuden-, Regentanz und Paarungsritual auf, rastete völlig aus - und ist jetzt eine kleine Berühmtheit. Wobei: Noch besser kam die arme Ordnerin an, die verzweifelt versuchte, den wildgewordenen Boxall wieder einzufangen.

Sprüche des Tages

"Ich denke darüber nach, was Sinn im Leben hat und was nicht. Ich mach nur das, worauf ich Bock habe." (Diese Maxime führte Tasiadis zu seiner zweiten Olympia-Medaille)

"Ich habe mich wie von einer Dampflok überfahren gefühlt." (Anna-Lena Friedsam nach ihrer 1:6, 1:6-Rutsche gegen Anastasia Pavlyuchenkova)

"Ich wollte ihn schlagen. Jeder möchte ihn schlagen und der Stolperstein sein, dass er den Golden Slam nicht holt." (Jan-Lennard Struff nach seiner Niederlage gegen Novak Djokovic)

"In meinem ersten Jahr im College war ein Hurrikan, da sind wir alle im Gang eingesperrt worden, weil die Fenster eingebrochen sind. Von daher bin ich sturm- und wassererprobt." (Dominik Koepfer über den nahenden Taifun)

"Ich werde bis zum nächsten Spiel Serien gucken und dummes Zeug mit den Kollegen quatschen. Wie es halt in einer Männer-WG abläuft." (Timo Bolls Medaillenrezept)

Zahlen des Tages

0,103: So groß war der Vorsprung der russischen Turner im Mehrkampffinale vor Gastgeber Japan. 262.500 Punkte zu 262.307 Punkte. Nach 18 Durchgängen auf sechs Geräten.

9: Vor so vielen Jahren sagte der Norweger Kristian Blummenfelt der Lokalzeitung Bergens Tidende, dass er in Tokio Triathlon-Gold gewinnen will. Mission erfüllt.

13: 2008 in Peking hatte China zuletzt eine Goldmedaille im Tischtennis ausgelassen - vor 13 Jahren also. Bis jetzt: Im Mixed-Doppel verloren Xu Xin/Liu Shiwen gegen die Japaner Jun Mizutani und Mima Ito.

200: So viele Länderspiele hat Uwe Gensheimer auf dem Konto. Ausgerechnet in seinem 200. feuerte er dem argentinischen Keeper beim Siebenmeter den Ball an den Kopf. Die Folge: Platzverweis.

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