Olympische Spiele - Tag 8 kompakt: Sascha und Dima - ein Hoch auf unsere Schlägertypen!

Von Stefan Petri
Konnte seinen Sieg über Novak Djokovic gar nicht begreifen: Alexander Zverev.
© getty

Am Freitag gibt es für Team Deutschland bei den Olympischen Spielen in Tokio zwar keine Goldmedaille zu bejubeln, dafür aber gleich mehrere sensationelle Vorstellungen. Alexander Zverev feiert den größten Sieg seiner Karriere, Dimitrij Ovtcharov schließt Frieden mit dem Allmächtigen. Und im Kanu-Slalom haben wir mittlerweile ein Medaillen-Abo. Olympia kompakt.

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Ja, es war wieder kein Gold dabei für Team Deutschland an diesem Freitag in Tokio. Wir bewegen uns schnurstracks auf die Halbzeit dieser Spiele zu, da sind weiterhin nur drei Goldmedaillen eine ernüchternde Bilanz.

Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es aus deutscher Sicht ein extrem erfolgreicher Tag war. Wie Alexander Zverev nach Rückstand die Golden-Slam-Träume von Novak Djokovic beendete, entschädigt doch für so manche Enttäuschung. Dazu Dimitrij Ovtcharov, der Eier haben muss wie Pampelmusen und vier Matchbälle abwehrte, bevor er über Bronze jubeln durfte. Brutal, unsere Schlägertypen!

Dazu der wichtige, eindrucksvolle Sieg im Handball über die starken Norweger und der Prestige-Erfolg im Hockey über Erzrivale Holland. Auch bei den Hockey-Damen läuft es. Und dann noch das Medaillen-Abo bei den Slalom-Kanuten. Alles wunderbar. Wäre aus dem Silber des Ruder-Achters die Goldene geworden, sprächen wir von einer Eins plus plus. Aber auch so ist es eine glatte Eins. Weitermachen! Das nächste Gold kommt bestimmt.

Die wichtigsten Entscheidungen des Tages (Vorschau auf Tag 9)

WettbewerbErgebnis
Rudern, Achter, MännerNeuseeland zu stark! Deutschland-Achter verpasst Gold
Schwimmen, 200 m Brust, FrauenSchoenmaker holt Gold in Weltrekordzeit
Schwimmen, 200 m Rücken, MännerJewgeni Rylow macht Doppel-Gold perfekt
Schießen, Sportpistole, FrauenVennekamp verpasst Medaille, Gold nach Russland
Kanuslalom, Einer, MännerAigner holt Bronze bei Prskavec-Erfolg
Judo, Schwergewicht, MännerNur Bronze für Judo-Gigant Riner
Tennis, Doppel, MännerMektic/Pavic holen Gold im kroatischen Finale
Tischtennis, Einzel, MännerOvtcharov gewinnt episches Bronze im Einzel
10.000 Meter, MännerErstes Leichtathletik-Gold geht nach Äthiopien

Was sonst noch wichtig war:

Tennis: Ja, er hat noch kein Grand-Slam-Turnier gewonnen. Ja, er hat bei einem Grand Slam noch nicht einmal einen Top-10-Spieler geschlagen. Und ja, es war nicht Best-of-five. Aber was Sascha Zverev heute in der Hitze Tokios abzog, gegen den besten Spieler der Welt, das muss jetzt einfach auch mal angemessen gewürdigt werden!

Der Junge greift nämlich nach Gold für Deutschland. Einen Djokovic zu schlagen, der im Turnierverlauf absolut souverän wirkte, der Geschichte schreiben wollte, und das auf Hartplatz, nach Satz- und Breakrückstand, das ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Hand aufs Herz: Beim Stand von 1:6 und 2:3 hätte doch niemand mehr einen Pfifferling auf Zverev gesetzt. Aber plötzlich spielte der groß auf, knackte Nole mit Power, Cleverness und der besseren Fitness. Und zog sich mit seinem Aufschlag immer wieder aus brenzligen Situationen. Leute, sowas kann ein Dosenöffner sein für ganz große Taten auf der Tour.

Außerdem war es herzerwärmend zu sehen, wie viel Zverev der Sieg bedeutete. Wie er nach dem Matchball in sein Handtuch heulte wie ein Schlosshund - dabei war das war ja nur das Halbfinale. "Das ist einer der stolzesten Momente meiner Karriere - wenn nicht sogar der stolzeste", sagte er ergriffen, und man kauft es ihm ab. Er spiele "für alle Athleten, die im Dorf sind, für alle, die zu Hause zuschauen, generell für Deutschland." Sorry, aber da kriegt man doch Gänsehaut. Und da soll mal einer sagen, dass Olympiagold im Tennis nicht viel bedeutet und die Slams wichtiger sind und dieser ganze Käse.

Ein Wort aber noch zu Djokovic, der ja nicht überall der Beliebteste ist. Respekt davor, dass er trotz seiner Jagd nach dem Grand Slam nach Japan gereist ist und sich in der Bruthitze gequält hat - Bedingungen, die ihm nicht unbedingt liegen. Niemand hätte einen Ton gesagt, hätte er die Spiele ausgelassen, um Kraft für die US Open zu tanken - wie es so viele andere Top-Spieler getan haben. Stattdessen trat er im Einzel und im Mixed an. Und steht jetzt in Olympischen Halbfinals bei einer Bilanz von 0-4.

Tischtennis: Nichts gegen Lin Yun-Ju, bestimmt ein toller Kerl und sowieso ein riesiges Talent. Aber wenn Dimitrij Ovtcharov nach der herkulischen Leistung gegen Ma Long am Donnerstag ohne Einzelmedaille hätte abreisen müssen, es hätte sich nicht richtig angefühlt. Das hatte er nicht verdient. Dima, wir verneigen uns vor deiner Leistung. Nach dem Match gestern so zurückzukommen, vier Matchbälle abzuwehren und dann Bronze einzutüten, mehr geht schon fast nicht.

Sogar seinen Frieden mit dem Allmächtigen machte der 32-Jährige nach dem Sieg über Lin. "Warum es im Sport manchmal so und manchmal so geht, weiß am Ende nur der liebe Gott", hatte er nach der Niederlage gegen Ma Long - der es im Finale gegen Fan Zhendong übrigens leichter hatte als gegen den Deutschen - noch gehadert. Dann aber kamen heute die Matchbälle gegen ihn, und einen verschlug der Taiwaner vollkommen ohne Not. Ovtcharovs Fazit: "Bei einem der Matchbälle dachte ich: Das war's. Aber er hat verschlagen, das war Hilfe von oben. Die musste ich annehmen."

Dimitrij Ovtcharov hat seine zweite olympische Einzelmedaille gewonnen.
© getty
Dimitrij Ovtcharov hat seine zweite olympische Einzelmedaille gewonnen.

Rudern: Auf das Flaggschiff ist Verlass, auch wenn es am Ende wie schon 2016 nicht zu Gold reichte. "Für mich bleibt, was die Jungs über die vergangenen Jahre geleistet haben", erklärte Steuermann und London-Olympiasieger Martin Sauer: "Es war etwas Besonderes." Er bestritt das letzte Rennen seiner Karriere. Schade, dass die Dominanz der letzten Jahre - bis 2019 war der Achter drei Jahre lang ungeschlagen - nicht noch etwas länger andauern konnte, böse sein kann man den Jungs aber natürlich nicht.

Was nicht darüber hinwegtäuscht, dass die Bilanz der deutschen Ruderer ein, ähem, Schlag ins Wasser ist. Zwei Medaillen, kein Sieg, da hatten sich alle Beteiligten im Vorfeld deutlich mehr versprochen. "Wir sind schon insgesamt enttäuscht. Das kann man nicht wegreden", gab Bundestrainer Ralf Holtmeyer zu. Seine Begründung: "Wir lieben durchaus den Erfolg, aber nicht den Weg dahin."

Kanuslalom: Wo in Villariba bei den Ruderern noch nach Gründen für die schwache Bilanz gesucht wird, wird in Villabajo bei den Slalom-Kanuten schon gefeiert. Vier Rennen - vier Medaillen! Das kriegen sonst eigentlich auch nur unsere Dressurreiterinnen hin. Heute ritt Hannes Aigner die Stromschnellen und Strudel zu Bronze hinab und machte die beste Bilanz seit 49 Jahren perfekt. Was ganz besonders Mut macht: 2016 ging das Team noch komplett leer aus. So schnell kann's gehen mit dem Turnaround!

Turnen: Simone Biles hat das bestätigt, was schon einige vermutet hatten. Wo sie nach dem Abbruch des Mehrkampf-Finales mit der Mannschaft eher allgemein davon gesprochen hatte, sich auf ihre "mentale Gesundheit fokussieren" zu wollen und in den Tagen davor den großen Druck betont hatte, der auf ihr lastete, ging sie auf Instagram nun ins Detail. Der Grund für ihren Rückzug: die im Turnen gefürchteten "Twisties". Eine mentale Blockade, bei der man das räumliche Bewusstsein fürs Turnen verliert.

Wie fühlt sich das an? "Man kann oben von unten nicht mehr unterscheiden", beschrieb Biles. "Das verrückteste Gefühl überhaupt. Keine Kontrolle mehr über den eigenen Körper. Was noch erschreckender ist: Weil ich nicht mehr weiß, wo ich in der Luft bin, weiß auch nicht, wie oder worauf ich landen werde." Sie könne sich selbst nicht erklären, wie sie ihren ersten Sprung im Wettkampf überhaupt gelandet habe. Sie habe dieses Phänomen nicht zum ersten Mal erlebt, aber früher sei es nur kurzzeitig und am Boden oder Sprung aufgetreten. Diesmal allerdings auch am Stufenbarren und dem Schwebebalken - "was scheiße ist. Aber so richtig." Das klingt übel. Und leider nicht so, als würden wir sie in Tokio noch einmal erleben.

Bösewicht des Tages: NBC

Tatjana Schoenmaker hat am Freitag über 200 Meter Brust einen Weltrekord aufgestellt. Warum das so außergewöhnlich war? Es könnte gut und gerne der einzige Einzel-Weltrekord dieser Spiele bleiben, lediglich zwei Freistil-Staffeln der Frauen haben darüber hinaus neue Bestmarken aufgestellt. Das liegt den Protagonisten zufolge auch daran, dass in Tokio schon morgens geschwommen wird. "Du wachst auf und bist ein bisschen müder als sonst", sagte Schoenmaker, und auch Rivalen Lilly King monierte die Uhrzeiten der Finals, die ab 10.30 Uhr Ortszeit starten. Warum das so ist? Damit sie der Sender NBC in den USA zur Primetime übertragen kann. Buuuuh!

Unfall des Tages: Aron Baynes

Der Big Man von den Toronto Raptors wollte mit seinen Aussies bei den Spielen eigentlich eine Medaille, in einem Test vor zwei Wochen schlug man schließlich auch die USA. Baynes kann jetzt aber nicht mehr mithelfen. Der hatte sich schon gegen Italien den Nacken verknackst - und dann rutschte er im Badezimmer aus und stürzte. So wurde alles noch schlimmer: "Es hat sich herausgestellt, dass es eine ernste Sache war", so Teamarzt David Hughes. Für Baynes sind die Spiele beendet. 34 ist er, es könnten seine letzten Spiele gewesen sein.

Sperrstunde des Tages: Tokyo Metropolitan Gymnasium

Olympische Spiele werden generalstabsmäßig geplant. Aber manchmal passieren einfach extrem dumme Fehler. Wie am Freitagmorgen, als Ovtcharov wenige Stunden vor seinem Bronze-Match in der Halle trainieren wollte - doch die war abgesperrt. Der Grund war laut DTTB, dass es kein Sicherheitspersonal und keine Volunteers gab. Wurde wohl einfach verschwitzt. "Unser Trainer-Team hat alle Olympischen Spiele seit 1988 mitgemacht. Eine Hallenschließung hat es noch nie gegeben", konnte es Sportdirektor Richard Prause nicht fassen. Ist ja zum Glück nochmal gut gegangen.

Sprüche des Tages

"Ich habe ihm gesagt, dass er der Größte aller Zeiten ist. Ich weiß, dass er Geschichte schreiben wollte. Er hat 20 Grand Slams gewonnen. Aber man kann nicht alles haben." (Alexander Zverev über seinen Sieg gegen Novak Djokovic)

"Andi weiß, wenn er acht überragende Spiele über 60 Minuten macht, dass ich mich gerne auf die Bank setze, da ziehe ich am besten auch noch die Schuhe aus. Das ist mir wurscht." (Johannes Bitter über Andreas Wolff)

"Wir können damit sehr sehr gut leben, dass Neuseeland gewonnen hat. Aber wir leben auch sehr gut damit, dass wir vor den Niederlanden und vor Großbritannien sind." (Hannes Ocik vom Deutschland-Achter)

"Ich schwimme in einem Rennen, das wahrscheinlich nicht sauber ist. Ich habe etwa 15 Gedanken, 13 davon würden mir jede Menge Ärger einbringen." (US-Schwimmer Ryan Murphy nach seiner Niederlage gegen den Russen Evgeny Rylov)

"Die kaputte Schallplatte spielt wieder einmal das Lied über das russische Doping und jemand drückt fleißig auf den Knopf der englischsprachigen Propaganda." (Das Russische Olympia-Komitee auf Twitter über Murphys Anschuldigungen)

"Die Restrisiken durch Hitze und Covid-19 wurden auch noch vom IOC auf die Athleten per Haftungsausschluss abgeladen. Es mutet daher grotesk an, dass sie in gefängnisartigen Zuständen ihre Quarantäne absitzen müssen, während IOC-Mitglieder im teuren Luxushotel absteigen und mit hohen Tagespauschalen versorgt werden." (Schwere Vorwürfe der "Interessenvereinigung Athleten Deutschland" gegen die Quarantäne-Zustände in Tokio)

Zahlen des Tages

2: Olympische Einzelmedaillen für Dimitrij Ovtcharov. Er ist der einzige Nicht-Chinese mit dieser Ausbeute neben Jan-Ove Waldner (1992 Gold, 2000 Silber).

4: Von Dimitrij Ovtcharov abgewehrte Matchbälle im Match um Bronze.

8: Spiele in Serie, die Zverev gegen Djokovic zwischenzeitlich gewann. Vier Breaks am Stück gegen den Djoker, der im ganzen Turnierverlauf nur einmal sein Service abgegeben hatte.

16: Anzahl der deutschen Medaillen. Dreimal Gold, viermal Silber, neunmal Bronze. Macht derzeit Rang zehn im Medaillenspiegel.

1:33: So hoch verloren die Südafrikanerinnen im Wasserball gegen die Niederlande. Torverhältnis jetzt: 6:83.

3300: Zahl der neuen Covid-Infektionen in Tokio am Freitag. "Das Feuer wütet", sagte ein hochrangiger Vertreter der Regierung.

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