Olympische Spiele - Tag 7 kompakt: Monster, Hass und ein vergessener Arm

Alexander Zverev steht im Olympia-Halbfinale.
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Der Donnerstag sorgt bei den Olympischen Spielen aus deutscher Sicht für Jubel und Leid. Ein Ruder-Ass will die Tour de France erobern, beim Hockey-Team kracht es gewaltig. Und: Warum die Namen Diego Maradona und Pele auch auf dem Wasser eine Rolle spielen können. Olympia kompakt.

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Machen wir uns nichts vor: Mit einmal Silber und zweimal Bronze war der Donnerstag nicht unbedingt ein unvergesslicher Olympia-Tag aus deutscher Sicht. Ganz im Gegenteil: Für manchen Athleten war es ein Tag zum Vergessen.

Klar: Der Leichtgewichts-Doppelzweier der Ruderer hat mit Silber mehr als abgeliefert. Wir durften eine heroische Tischtennis-Schlacht erleben und dürfen im Herren-Einzel im Tennis träumen. Bronze im Kanu-Slalom ist aller Ehren wert und auch mit Platz drei im Judo in der Klasse bis 78 kg kann man sehr gut leben.

Aber insgesamt war mehr drin, hatte man sich zumindest mehr erhofft. Denken wir an das vermaledeite 800-Meter-Freistil-Rennen im olympischen Schwimmbecken oder das Einer-Debakel im Rudern. Und was ist eigentlich aus der stolzen Hockey-Nation Deutschland geworden?

Die wichtigsten Entscheidungen des Tages (Vorschau auf Tag 8)

Was sonst noch wichtig war:

Hockey: 2004 Bronze, 2008 Gold, 2012 Gold, 2016 Bronze. Und 2021 das Aus in der Vorrunde? Das kann doch wohl nicht wahr sein! Die Hockey-Herren stehen nach der blamablen 3:4-Pleite gegen Südafrika mit zwei Siegen und zwei Niederlagen vor dem letzten Gruppenspiel mit dem Rücken zur Wand. Am Freitag (13.45 Uhr) muss gegen die Niederlande, amtierender Vize-Weltmeister, mindestens ein Unentschieden her, um aus eigener Kraft ins Viertelfinale einzuziehen.

Immerhin: Nach Ausreden - beispielsweise hätte die Affenhitze dafür herhalten können - suchte keiner der Beteiligten. "Mit so einem Gestolpere von A bis Z wird das natürlich nichts", wetterte Bundestrainer Kais al Saadi: "Wir brauchen jetzt klare ehrliche Worte. Da muss Tacheles gesprochen werden." Man müsse nun "den Hass und die Wut" mitnehmen und "mit einer Top-Performance antworten".

Auch Kapitän Tobias Hauke nahm kein Blatt vor den Mund: "Wir waren in allen Belangen nicht gut genug, um bei den Olympischen Spielen zu gewinnen. Das ist nicht akzeptabel und tut total weh."

Klar: Gegen ein bis dato punktloses Südafrika darf eine deutsche Hockey-Nationalmannschaft nicht verlieren. Generell wäre es aber womöglich an der Zeit, die hohen Ansprüche ein wenig herunterzuschrauben. Warum? Lest Euch das SPOX-Interview mit Hockey-Legende Moritz Fürste durch!

Rudern: Im Rudern gegen die irischen Leichtgewichts-Doppelzweier-Götter McCarthy/O'Donovan anzutreten, ist leicht überspitzt ausgedrückt in etwa so, als würde man Diego Maradona und Pele in ihren besten Zeiten auf dem Fußballplatz gegenüberstehen. Genau das haben Jonathan Rommelmann und Jason Osborne getan - und sich einen heißen Fight mit den irischen Überfliegern geliefert.

Am Ende reichte es zwar nicht zu Gold, dafür aber zu einer nicht weniger sensationellen Silbermedaille. "Ich kann das noch nicht so ganz fassen. Wir wussten, dass wir gut in Form sind. Wir haben den Iren einiges geboten, sie hatten ganz schön mit uns zu kämpfen. Wir sind super zufrieden und können uns nichts vorwerfen", sagte Rommelmann.

Osborne, der (Achtung: Flachwitz) vor 27 Jahren von seinen Eltern für mich völlig unverständlich nicht den Vornamen Ozzy verpasst bekam, war nicht weniger begeistert. Auch wenn er das auf dem Siegerbild nicht so gut zeigen konnte.

"Ozzy" will übrigens auch in Zukunft Olympia-Geschichte schreiben - allerdings nicht im Boot! Der Mainzer peilt eine Karriere als Radprofi an und ist in seinen Planungen schon recht weit: "Ich will es da gerne einfach mal versuchen und gucken, was da so geht." Viel Erfolg!

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Oliver Zeidler erlebt ein Desaster

Ein wahrer Albtraum war der Tag dagegen für Einer-Weltmeister Oliver Zeidler, der vor Olympia zu den heißesten deutschen Goldanwärtern überhaupt gezählt wurde. Auf den letzten 500 Metern von Platz zwei auf Rang vier durchgereicht, Knockout im Halbfinale, Traum geplatzt. Was für ein Mist!

"Ich bin sehr enttäuscht, vor allem nach dem bisher so erfolgreichen Saisonverlauf. Die Niederlage nagt schon sehr an mir", sagte der 25-Jährige. "Für ihn bricht ein Traum zusammen", meinte Vater und Trainer Heino Zeidler und machte die Bedingungen mitverantwortlich: "Dieser extreme Wind war der größte Gegner, deswegen hat es nicht gereicht."

Kanu: Drittes Edelmetall im dritten Rennen: Für die deutschen Slalom-Kanuten läuft es im Wildwasser ausgezeichnet. In einer wahren Nervenschlacht schnappte sich Andrea Herzog bei der olympischen Premiere im Canadier Bronze.

"Es ist total unglaublich. Es ist verrückt. Ich kann es im Moment nicht realisieren. Ich bin total glücklich. Ich kann es überhaupt nicht beschreiben", sagte die 21-Jährige. Zuvor hatten bereits Ricarda Funk mit Gold im Kajak und Sideris Tasiadis mit Bronze im Canadier Edelmetall geholt - nach null Medaillen in Rio 2016!

Für Herzog ist der Erfolg eigentlich eine logische Konsequenz. Sie ordnet alles dem Sport unter, weshalb auch das Familienleben viel zu kurz kommt. Herzog scherzt in diesem Zusammenhang gerne und erklärt das Erfolgsgeheimnis ihrer Beziehung mit Freund Philipp folgendermaßen: "Wir schaffen es meistens, dass wir uns nicht sehen." So einfach kann das sein!

Judo: Als Weltmeisterin in der Klasse bis 78 kg war Anna-Maria Wagner mit dem Ziel Gold nach Tokio gereist. Dann kam im Halbfinale die gerade einmal 1,67 Meter große Japanerin Shiro Hamada, erledigte Wagner nach 83 Sekunden und verknotete ihr dabei auch noch nach allen Regeln der Kunst den Arm. Unter Schmerzen kämpfte die 25-Jährige um Bronze und setzte sich tatsächlich durch.

"Ich habe mich einfach selbst angeschrien, damit ich den Arm vergesse", sagte Wagner: "Ich habe mir gesagt, wenn ich den Fuß auf die Matte setze, dann ist alles scheißegal, dann gibt es nur diese Medaille - und die will ich haben. Jetzt bin ich einfach nur unfassbar stolz. Ein Kindheitstraum ist wahr geworden."

Auch Florian Wellbrock verpasste eine Medaille. Er wurde über 800 Meter Freistil nur Vierter.
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Auch Florian Wellbrock verpasste eine Medaille. Er wurde über 800 Meter Freistil nur Vierter.

Schwimmen: Auch von Doppel-Weltmeister Florian Wellbrock wurde über 800 m Freistil eine Medaille erwartet. Dann der Schreck: Platz vier, nur Blech! "Es ist ärgerlich, an sich habe ich ein souveränes Rennen gemacht. Mehr war nicht drin", meinte Wellbrock.

Das sah Bundestrainer Bernd Berkhahn aber anders. Er übte offene Kritik am 23-Jährigen: "Er hat die Abstände nicht richtig eingeschätzt, das muss man klar so sagen. Er ist ein bisschen abgewichen von dem Plan, den wir eigentlich hatten. Er hätte das Rennen von Anfang an schnell machen müssen. Diesen Vorteil hat er hergeschenkt", so Berkhahn.

Tennis: 6:4, 6:1! Der Franzose Jeremy Chardy war im Viertelfinale für Alexander Zverev keine große Herausforderung. Doch jetzt kommt es knüppeldick: Am Freitag wartet in der Vorschlussrunde das serbische Tennis-Monster Novak Djokovic.

"Ich weiß, dass ich den schwersten Gegner im Tennis vor mir habe. Und ich weiß, dass ich mein bestes Tennis spielen muss, um überhaupt eine Chance zu haben", macht sich Zverev keine Illusionen.

Aber hey, Sascha, bitte auch an Steffi denken! Denn das Kunststück, in einem Jahr Australian Open, French Open, Wimbledon, US Open und Olympiagold zu gewinnen, gelang zuletzt der Gräfin 1988. Das darf aus deutscher Sicht gerne so bleiben!

Tischtennis: 81 Minuten, sieben Sätze, phasenweise Tischtennis von einem anderen Stern! Was Dimitrij Ovtcharov bei seiner 3:4-Niederlage gegen Chinas Superstar Ma Long - genannt "der Drachen" - leistete, war schlicht unglaublich. Das Finale, die riesige Sensation und der damit verbundene Griff nach Gold waren tatsächlich möglich. Stattdessen muss der 32-Jährige am Freitag gegen Lin Yun-Ju (Taiwan) Bronze ins Visier nehmen.

"Ich habe meine Frau und meinen Vater angerufen", sagte Ovtcharov, und ihm schossen die Tränen in die Augen: "Sie haben mich aufgebaut. Das tat natürlich gut. Das war eines der besten Spiele, die ich je gespielt habe. Ich hatte den besten Spieler, den es je gab, beim größten Turnier am Rande einer Niederlage. Warum es im Sport manchmal so und manchmal so geht, weiß am Ende nur der liebe Gott."

Der Tischtennis-Gott war nicht auf "Dimas" Seite, dafür aber Respekt, Anerkennung und Stolz der deutschen Tischtennis-Fans und des Bundestrainers Jörg Roßkopf: "Es gab selten ein besseres Spiel, vom ersten bis zum letzten Ballwechsel. Das war Wahnsinn." Also Kopf hoch - und her mit Bronze!

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