UFC

Sonnen und Bisping überschatten Hauptkampf

Von Oliver Copp
Chael Sonnen (l.) kämpft gegen Michael Bisping
© Getty

In der Nacht von Samstag auf Sonntag findet im United Center in Chicago, Illinois die zweite Ausgabe von UFC on FOX statt, das international UFC Live heißt. In beiden Hauptkämpfen wird ein neuer Herausforderer um die Weltmeisterschaft ermittelt. Doch diesmal bekommt nicht der Hauptkampf die meiste Aufmerksamkeit.

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Es kommt im Profikampfsport nicht häufig vor, dass ein Kampf aus dem Vorprogramm von den Fans sehnlicher erwartet wird als der Hauptkampf. Der frühere UFC Halbschwergewichtsmeister Rashad Evans ist an sich ein ausgezeichneter Kämpfer mit Ausstrahlung und einem fast perfekten Kampfrekord. Sein Problem: Die Persönlichkeit entfaltet sich nur beim richtigen Gegner.

Der Nachwuchskämpfer und frühere Spitzenringer Phil Davis scheint dort noch nicht angekommen zu sein. Überschattet wird das Aufeinandertreffen vom zweiten Hauptkampf, in dem die beiden Badboys der UFC, Chael Sonnen und Michael Bisping, gegeneinander ins Octagon steigen. Wer sich hier durchsetzt, wird Mitte Juni in Sao Paulo vor 70.000 Zuschauern den dominantesten Champion der UFC-Geschichte und Lokalmatador, Anderson "The Spider" Silva, herausfordern.

Der Engländer Michael Bisping ist nicht nur der bekannteste europäische UFC-Kämpfer, sondern gilt weithin auch als der erfolgreichste Europäer im Octagon. Seit seinem Octagon-Debüt im Finale der dritten Staffel von The Ultimate Fighter holte sich der Brite zwölf Siege und verlor dabei nur dreimal. Seine Fans sagen, er sei viel besser als sein Ruf und dass zwei knappe Punktniederlagen gegen Rashad Evans und Wanderlei Silva und eine Knockoutniederlage gegen Dan Henderson nichts sind, für das man sich schämen muss.

Er polarisiert die Fans wie kein Zweiter

Seine Kritiker entgegnen, dass er bislang nicht einen Kämpfer aus der Top 10 bezwungen hat, dass ihn Hendersons Rechte in ein Paralleluniversum geschickt hat und dass seine Fäuste weich wie Kissen sind. Ob man ihn mag oder verabscheut - es gibt niemanden, der zu Michael Bisping keine Meinung hat. Er polarisiert die Fans wie kein Zweiter. Oder besser: fast kein Zweiter.

Sein Gegner in Chicago, Chael Sonnen, ist auch kein Kind von Traurigkeit. Nachdem Anderson Silva im April 2010 mit seiner miserablen Leistung gegen Demian Maia die komplette UFC blamierte, stand der bis dato durch seinen mittelmäßigen Kampfrekord aufgefallene Sonnen auf und forderte laut einen Titelkampf gegen den Brasilianer. Kein Schimpfwort, keine Geringschätzung ging ihm zu weit. Er wollte Silva mit psychologischer Kriegsführung besiegen, bevor er überhaupt ins Octagon steigt. Sonnen fand bei den Journalisten, die Silvas überhebliches Verhalten gegenüber der englischsprachigen Presse satt hatten, einen fruchtbaren Nährboden.

In kürzester Zeit war es unmöglich, sich auf den einschlägigen MMA-Webseiten zu bewegen, ohne dass einem Chael Sonnens neuestes Interview entgegensprang. Es waren die unterhaltsamsten vier Monate der UFC-Geschichte, bis der Kampf im August 2010 tatsächlich stattfand. Doch das Echo war geteilt: Die eine Hälfte der Fans freute sich darauf, dass er Silva den Gürtel endlich aus dessen Klauen entreißt. Die andere Hälfte konnte es kaum mehr erwarten, bis Silva dem Großmaul mit der Schwäche für Tapouts das Maul stopft.

Sonnen hat ein Granitkinn und ist ein Spitzenringer

Unterm Strich gab es aber kaum jemanden, der Sonnen überhaupt eine Chance gegen den Weltmeister einräumte. Dann geschah das, womit wirklich niemand rechnen konnte: Chael Sonnen dominierte Anderson Silva vier Runden lang. Der Weltmeister war nie in ernsthafter Gefahr, aber er machte auch keinen Stich gegen den Amerikaner und lag auf den Punktzetteln hoffnungslos hinten. Auch in der fünften und letzten Runde gab Sonnen den Ton an, bis Silva ihn in einem unachtsamen Moment in einen Triangle Choke nahm und zur Aufgabe zwang.

Nach einer Sperre wegen der unerlaubten Einnahme von Testosteron will Sonnen nun den zweiten Anlauf wagen. Im Oktober 2011 verpasste er Brian Stann die einseitigste Niederlage seiner Karriere, während Michael Bisping vor wenigen Wochen Jason "Mayhem" Miller ein ähnliches Waterloo bescherte, um sich in Position zu bringen.

Chael Sonnen geht nun als haushoher Favorit gegen Bisping ins Rennen. Gefühlt ist das auch richtig, denn Sonnen ist stilistisch der ungünstige Gegner, den man dem Briten überhaupt vorsetzen könnte - vielleicht einmal mit Ausnahme des Weltmeisters. Sonnen hat ein Granitkinn, ist ein Spitzenringer und im Striking alles andere als schlecht und verfügt über ausgezeichnete Ausdauer. Seine Schwachstelle ist seine Aufgabegriffabwehr - acht seiner elf Niederlagen kamen durch Tapout zustande. Bisping wird mit seiner Beinarbeit punkten wollen, verfügt über eine gute Takedownverteidigung und unterbewertete Grapplingfähigkeiten am Boden. Trotzdem trennen die beiden Welten, und alles andere als ein dominanter Sieg von Chael Sonnen wäre eine Überraschung.

Davis: Newcomer mit unendlich viel Potenzial

Rashad Evans verlor vor zweieinhalb Jahren seine Weltmeisterschaft im Halbschwergewicht an Lyoto Machida. Diese Erstrundenniederlage durch Knockout ist bis heute der einzige Makel in Evans' ansonsten perfektem Kampfrekord. Seit zwei Jahren läuft er nun einem Titelkampf hinterher. Entweder war der Weltmeister verletzt, Evans war verletzt oder das Timing passte nicht. Evans setzte seinen sicheren Titelkampf erst gegen Quinton "Rampage" Jackson aufs Spiel, dann gegen Tito Ortiz - und bestand beide Prüfungen. Nun riskiert Evans zum dritten Mal alles, wenn er auf Phil Davis trifft.

Davis, der erst fünf Kämpfe in der UFC hatte, gilt als Newcomer mit unendlich viel Potenzial. Ob er bereits an dem Punkt angekommen ist, an dem er jemandem wie Rashad Evans gefährlich werden kann, wird noch zu beweisen sein. Allerdings wird Davis einen erheblichen Gewichtsvorteil für sich verbuchen können, und im Ringen entscheidet auf einem ähnlichen Niveau jedes Pfund zwischen dominieren und dominiert werden.

Wenig zuversichtlich stimmt auch, dass Davis sich kurz vor Neujahr eine schwere Platzwunde am Kopf zuzog und die letzten vier Wochen mit angezogener Handbremse trainieren musste, um keine Kampfabsage aus medizinischen Gründen zu riskieren.

In Summe fällt es somit schwer, von einem ausgeglichenen Kampf zu sprechen. Ein Sieg von Phil Davis mag nicht ausgeschlossen sein, aber richtig gute Karten kann man ihm nicht bescheinigen. Wenn Rashad Evans sich keinen groben Schnitzer leistet, wird er das Ding recht problemlos nach Hause bringen.

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