Im deutschen Schwimmsport herrscht dicke Luft

SID
Das neue Konzept von Trainer Henning Lambertz ist ein Grund für die Unruhe beim DSV
© getty

Es brodelt im deutschen Schwimmsport. Bei der Kurzbahn-DM stand nicht die Leistung der Sportler, sondern die Verstimmung unter den Trainern im Mittelpunkt.

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Im Wasser plätscherten die deutschen Kurzbahn-Meisterschaften vor sich hin, am Beckenrand schlugen die Wellen aber so hoch wie schon lange nicht: Im Deutschen Schwimm-Verband (DSV) herrscht dicke Luft, von Aufbruchstimmung zwei Wochen nach der Wahl des neuen Präsidiums ist kaum etwas zu spüren. Gründe dafür sind die Hängepartie um die Trainerverträge, das neue Konzept von Bundestrainer Henning Lambertz und ein Kommunikations-Problem.

Die vor allem hinter vorgehaltener Hand angebrachte Kritik der Heimtrainer wollte Lambertz nicht auf sich sitzen lassen. In einer Grundsatzrede vor der Presse am Rande der DM auf der 25-m-Bahn in Berlin mit dem ironisch gemeinten Schlusssatz "Ich habe fertig!" verteidigte der Bundestrainer seine Ideen.

"Wir müssen die Lücke aufholen, auch unsere Geldgeber erwarten mehr als nur ein 'weiter so'. Wenn ich alles so lasse, dann stehen wir in vier Jahren da und haben wieder nichts", sagte Lambertz drei Monate nach dem medaillenlosen Olympia-Debakel von Rio: "Ich bin kein Prophet, aber ich weiß eins: So bleiben kann es nicht!"

Freiwasser-Trainer erhält "positive Signale"

Mit einschneidenden Veränderungen tun sich aber traditionell vor allem die Heimtrainer schwer. In diesen Tagen ist die Verunsicherung besonders groß. "Es weiß keiner, was kommt. Es herrscht maximale Verunsicherung bei den Trainern", sagte Magdeburgs Stützpunktleiter Bernd Berkhahn.

Vor allem die noch immer nicht unterschriebenen Trainer-Verträge sorgen für Ärger. Frank Embacher, Leiter des Bundesstützpunktes Halle/Saale und Erfolgscoach des zurückgetretenen Weltrekordlers Paul Biedermann, setzte dem DSV ein Ultimatum. "Ich brauche innerhalb der nächsten Woche ein klares Signal", sagte Embacher. Bis Ende des Monats müsse er sich ansonsten auf eine andere Stelle beworben haben.

Stefan Lurz, Bundesstützpunktleiter in Würzburg und Freiwasser-Bundestrainer, erhielt zwar bereits "positive Signale". Er betonte aber auch: "Natürlich herrscht innerhalb der Trainerschaft Unruhe wegen der Verträge."

Die neuen Verbandschefin Dörries betonte, ihr seien aufgrund der noch nicht beschlossenen Förderreform im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) noch die Hände gebunden: "Ich hoffe, dass ich am Mittwoch, nach dem Gespräch mit dem DOSB, alle Informationen zusammenhabe."

"Kommunikation ist keine Einbahnstraße"

Für Verstimmung unter den Heimtrainern sorgt auch das Maßnahmen-Paket von Bundestrainer Lambertz. Als Konsequenz aus der Nullrunde von Rio gibt Lambertz unter anderem ein neues, auf Maximalkraft ausgerichtetes Kraftkonzept vor. Das sehen viele Heimtrainer als unerwünschte Einmischung in ihre Arbeit. "Das ist kein Anspruch auf Absolutismus, sondern nur eine Basis", sagte Lambertz.

Auch die künftig härteren Qualifikationsnormen für Großereignisse stoßen auf Kritik, weil sich Schwimmer aus der zweiten Reihe vom Leistungssport abwenden könnten. Zudem halten einige Trainer es für einen Fehler, dass Lambertz am liebsten mit noch weniger als den sieben vom BMI wohl genehmigten Bundesstützpunkten arbeiten will.

"Überall gibt es Insellösungen, mit denen man gut arbeiten kann, bis hin zur Weltspitze. Und jetzt wird erstmal alles platt gemacht. Das erinnert mich an eine bestimmte Zeit", kritisierte Berkhahn: "Ist das produktiv? Im Moment finde ich das nur unsensibel."

Lambertz appellierte an die Heimtrainer: "Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Es scheint einige Trainer zu geben, die extreme Probleme haben, sich zu öffnen. Ich versuche denen seit dreieinhalb Jahren die Ängste zu nehmen, dass ich ihnen die Köpfe abreiße. Jeder kann auf mich zukommen."

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