Vom Hinterradlutscher zum Toursieger

Von Torsten Adams
Das Podium der Tour de France 2011: Cadel Evans (M.), Andy Schleck (l.) und Fränk Schleck
© Getty

Die 98. Tour de France ist Geschichte. Es gab jede Menge Überraschungen, aber auch zahlreiche Enttäuschungen. Von der Metamorphose des Cadel Evans und den Fehlern der Schleck-Brüder bis hin zum zwiespältigen Auftritt der Deutschen und dem Terrassen-Ausritt von Thomas Voeckler: Das Fazit der Tour 2011.

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Cadel Evans: Vom Bruchpiloten und Hinterradlutscher zum Toursieger

Um 17.29 Uhr fuhr Cadel Evans über den Zielstrich auf den Champs Elysees. Keine zehn Sekunden später lagen sich alle neun BMC-Fahrer überglücklich in den Armen. Es war geschafft: Der Australier krönte sich als verdienter Sieger einer spektakulären und spannungsgeladenen Tour 2011.

Dabei behagen Evans medienwirksame Auftritte so gar nicht. Wilde Jubelarien, Seitenhiebe auf die Konkurrenz, derbe Sprüche - das ist nicht der Stil des 34-Jährigen.

"Ich habe viel Kritik kassiert in den vergangenen Jahren", sagte Evans auf der Pressekonferenz. Wegen seiner zurückhaltenden und zu vorsichtigen Fahrweise hatten ihn viele schon als "Hinterradlutscher" verspottet.

Gefahr für die Teamkollegen

Vom Bruchpiloten und ewigen Zweiten war die Rede. 2004 strich sein Team Telekom ihn aus dem Tour-Kader, weil er nach Ansicht der Mannschaftsleitung wegen seines Fahrstils eine Gefahr für die Teamkollegen sei. Im Jahr zuvor hatte er sich bei Stürzen dreimal das Schlüsselbein gebrochen.

2007 und 2008 war er nahe dran am Toursieg. Doch in den entscheidenden Zeitfahren konnte er Alberto Contador und Carlos Sastre nicht mehr einholen.

Inspiriert von Miguel Indurain

Als niemand mehr daran geglaubt hatte, holte er in diesem Jahr zum großen Schlag aus. Mit seinen 34 Jahren geht Evans als ältester Toursieger nach dem zweiten Weltkrieg in die Geschichte ein. Es war ein langer Weg, auf dem der ehemalige Weltklasse-Mountainbiker zum Champion auf dem Rennrad wurde.

"Wir hatten keinen Fernseher, also dauerte es bis 1991, bis ich zum ersten Mal Bilder der Tour de France gesehen habe", erzählt Evans. "Jedes Kind wird von vielen Dingen im Leben inspiriert. Als ich damals Miguel Indurain in Frankreich habe siegen sehen, war bei mir der Ehrgeiz entfacht, etwas ähnlich Großes zu schaffen."

Evans kann auch anders

20 Jahre und sieben Tour-Teilnahmen später hat Evans sein Ziel erreicht. Und zwar verdient. Vom einstigen Hinterradlutscher war nichts mehr zu sehen.

Im Gegenteil. Vom ersten bis zum letzten Tag nahm er das Rennen in die Hand: Gleich bei der ersten Etappe war er hellwach und wurde am Mont des Alouettes Zweiter. Beim Teamzeitfahren glänzte BMC und machte wichtige Sekunden auf die Konkurrenz gut. An der Mur-de-Bretagne folgte der prestigeträchtige Sieg gegen Contador.

Und nicht zuletzt in den Alpen zeigte Evans, dass er ein wahrer Champ ist: Er war es, der am Galibier die Verantwortung für die Verfolgung von Andy Schleck übernahm. Und er war es, der auf dem Weg nach Alpe d'Huez die Attacke von Contador und Schleck parierte. Im "Zeitfahren seines Lebens" holte Evans zum finalen Schlag aus.

"Nationaler Cadel-Evans-Tag"

Mit seinem Sieg versetzte Evans einen ganzen Kontinent in Ekstase. "Cadel Evans hat sich mit diesem Erfolg selbst zum härtesten Sportler Australiens gestempelt", sagte der Liberalen-Parteichef und Radsport-Fan Tony Abbott.

Prompt wurden die Australier aufgefordert, zu Beginn der Arbeitswoche in Anlehnung an Evans' Gelbes Trikot in gelber Kleidung zu erscheinen.

Ed Husic ging noch einen Schritt weiter: "Ich will einen nationalen Cadel-Evans-Tag", twitterte das Parlamentsmitglied und schlug den Montag nach der letzten Tour-Etappe vor.

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