Egan Bernal lag schmerzgeplagt auf dem Asphalt, die große Delle am Heck des vor ihm parkenden Reisebusses zeugte von der immensen Wucht des Aufpralls, die sorgenvollen Blicke seiner Teamkollegen ließen Schlimmes erahnen. Der amtierende Giro-Gewinner und frühere Tour-de-France-Champion hat sich bei einem Trainingssturz in seiner Heimat Kolumbien schwere Verletzungen zugezogen. Die erhoffte Rückkehr zur Frankreich-Rundfahrt im Sommer ist derzeit kaum vorstellbar.
Die Liste der Blessuren liest sich furchteinflößend: Der 25-Jährige vom Team Ineos Grenadiers erlitt Brüche an einem Wirbel, am rechten Oberschenkel, an der rechten Kniescheibe und an mehreren Rippen sowie eine Verletzung der Lunge. In zwei Operationen wurden das rechte Bein fixiert und der Wirbelbruch stabilisiert. Bernals Zustand ist stabil, er befindet sich aber zur Beobachtung auf der Intensivstation in der nahe Bogota gelegenen Universitätsklinik La Sabana.
Der Unfall hatte sich im rund 30 km von der Hauptstadt Bogota entfernten Gachancipa ereignet. Den Angaben lokaler Verkehrsbehörden zufolge prallte Bernal auf einen Bus, als das Fahrzeug an einer Haltestelle stoppte. In Sozialen Netzwerken kursierten Fotos von der Unfallstelle.
Im Netz erreichte Bernal eine Welle der Solidarität. Sogar Kolumbiens Präsident Ivan Duque äußerte sich, schickte via Twitter Genesungswünsche an "unseren geliebten Champion Egan Bernal". Viele Fahrerkollegen wie seine Landsleute Rigoberto Uran und Nairo Quintana, der spanische Ex-Weltmeister Alejandro Valverde oder der deutsche Tour-Etappensieger Simon Geschke drückten die Daumen für einen erfolgreichen Heilungsprozess und ein baldiges Comeback auf dem Rad.
Bernal-Rückkehr noch völlig offen
Der Crash wirft Bernal in der Zielsetzung für die anstehende Saison zurück. Wann er wieder im Rennsattel sitzen kann, ist offen. Bernal hatte zu Jahresbeginn noch große Ziele verkündet. Er wolle zur Tour zurückkehren, sagte er nach der Verlängerung seines Vertrags mit Ineos Grenadiers bis 2026.
Bernal war 2020 ein Jahr nach seinem Erfolg in Gelb zum bislang letzten Mal bei der Frankreich-Rundfahrt dabei. Wegen einer Rückenverletzung musste er jedoch vorzeitig aufgeben und damit seine Hoffnungen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung begraben. Im vergangenen Jahr verzichtete Bernal auf einen Start bei der Grand Boucle, startete stattdessen beim Giro d'Italia - und gewann diesen erstmals.
Seinen Fokus wollte Bernal bis zu seinem Unfall wieder auf die Tour de France richten. "Ich habe für die besten Jahre meines Lebens unterschrieben", sagte Bernal bei der Bekanntgabe der weiteren Zusammenarbeit mit seinem Team. Stattdessen steht ihm beim Kampf um das Comeback sein wohl schwerstes Rennen bevor.