Martin vor WM-Zeitfahren: "keine Baustellen"

SID
Tony Martin blickt zuversichtlich auf das WM-Zeitfahren
© getty

Tony Martin wirkte gelöst, sein Olympia-Desaster von Rio de Janeiro hat er längst hinter sich gelassen. Das Hadern, das Zweifeln ist vorbei. Aber als großer Favorit sieht der dreimalige Weltmeister sich deswegen am Mittwoch (ab 12.30 Uhr) im WM-Einzelzeitfahren nicht.

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"Ich fühle mich gut, bin aber zurückhaltend mit irgendwelchen Prognosen", sagte Martin vor seinem letzten Saisonhöhepunkt: "Die letzten Zeitfahren waren doch zu enttäuschend."

Der 31-Jährige musste schmunzeln, als er erfuhr, dass er diese Zurückhaltung wohl exklusiv hat. Sowohl sein Landsmann Jasha Sütterlin, der den zweiten deutschen Startplatz erhalten hat, als auch seine Noch-Teamkollegen von Etixx-Quick Step sehen Martin bei der zu erwarteten Hitzeschlacht ganz vorn. "Ich bin selber ein bisschen überrascht", sagte er, als er in Doha im Hotel Ritz Carlton über seine Ambitionen sprach.

Kritik am Wechsel zu Katjuscha

Das Rot der edlen Ledersessel in der Empfangshalle der luxuriösen deutschen Mannschaftsherberge passte irgendwie. Denn Martin musste sich am Rande der WM auch für ein mit viel Skepsis beäugtes Wagnis rechtfertigen.

Martin trägt ab dem kommenden Jahr das Rot des umstrittenen Katjuscha-Rennstalls, den er in der Vergangenheit sehr kritisch sah. "Klar, musste ich mich erklären. Es gab Fragen. Man muss jede Änderung erläutern", sagte der gebürtige Lausitzer.

Das Team des russischen Geldgebers Igor Makarow hat in den vergangenen Jahren diverse Doping-Skandale produziert, will sich aber nun wandeln und weg vom Schmuddelimage. Zu dem Zweck wurde auch die Partnerschaft mit dem deutschen Shampoo-Hersteller Alpecin am Dienstag fixiert. "Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Team wird sich im nächsten Jahr ändern. Katjuscha 2016 ist ein ganz anders als 2017. Wenn ich davon nicht überzeugt gewesen wäre, hätte ich das nicht gemacht", betonte Martin, der "ein gutes Bauchgefühl" hat.

Rückbesinnung auf alte Tugenden

Sein wieder gestärktes Selbstvertrauen in seiner Paradedisziplin zieht Martin auch aus der Rückbesinnung auf das Altbewährte. Der Wahl-Schweizer hatte nach der WM-Enttäuschung im Vorjahr mit einer veränderten Positon experimentiert, aber nie die richtige Abstimmung gefunden. "Rio war der Tiefpunkt", sagte Martin, "danach habe ich gedacht: Wieso nicht die alte Position, ich bin da schließlich über Jahre schnell gefahren."

Jetzt muss Martin nur die Hitze im Wüstenstaat ähnlich gut verkraften wie beim Sieg im WM-Mannschaftszeitfahren am Sonntag. Für ihn wird das der entscheidende Faktor über die 40 Kilometer lange Strecke, auch für die Konkurrenten wie Tom Dumoulin (Niederlande) oder Rohan Dennis (Australien). "Die Form ist auf jeden Fall sehr gut, ich habe keine Baustellen. Die Unbekannte ist die Hitze, das wird eine große Rolle spielen", sagte Martin.

Doch auch darauf hat er sich eingestellt. Daheim hatte Martin sich "ein eigenes Klimastudio" aufgebaut und vor einem Heizlüfter die Bedingungen simuliert. "Ich habe gemerkt, dass es etwas gebracht hat", sagte Martin. Vielleicht doch genug, um seinen vierten Zeitfahrtitel zu holen und mit dem Schweizer Olympiasieger Fabian Cancellara gleichzuziehen: "Ich bin an einem Punkt, wo ich nichts zu verlieren habe. Es erwartet keiner, dass ich Weltmeister werde."

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