"Es muss nicht immer die Formel 1 sein"

Marco Wittmann ist zweifacher DTM-Champion
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SPOX: Obwohl in der Vergangenheit mit Paul Di Resta und Pascal Wehrlein DTM-Fahrer in die Formel 1 aufgestiegen sind, blieb die Gerüchteküche in Ihrem Fall - trotz erneuter Meisterschaft - relativ ruhig. Warum?

Wittmann: Vielleicht bin ich mittlerweile zu alt. (lacht) Nein, man muss sich einfach eingestehen, dass der Weg in die Formel 1 nur bedingt möglich ist. Natürlich hat es der eine oder andere geschafft, doch da waren entweder Connections vorhanden oder eine Menge Geld im Spiel. Ich habe diesen Geldkoffer nicht. Und um ehrlich zu sein, möchte ihn den auch gar nicht haben, denn in der Formel 1 sollten nur Topfahrer unterwegs sein und nicht die Kids mit der größten Kohle. Da bin ich lieber in der DTM, wo 18 Werksfahrer am Start sind - es muss nicht immer die Formel 1 sein.

SPOX: Die fahrerische Qualität ist in der DTM also höher als in der vermeintlichen Königsklasse?

Wittmann: Ja, man muss sich nur mal die ehemaligen Formel-1-Fahrer in der DTM anschauen. Die tun sich extrem schwer. Zudem traut sich fast niemand, von der Formel 1 zu uns zu kommen, weil die Challenge einfach so groß ist. Bei uns haben alle Fahrer Sieg- oder zumindest Podiumschancen. In der Formel 1 war es doch bis zuletzt so, dass im Grunde nur die Mercedes-Fahrer gewinnen konnten. Wenn die im Qualifying einen Fehler gemacht haben, wurden sie trotzdem noch Zweiter. In der DTM bist du dann schnell mal auf Platz 16. Das zeigt die Leistungsdichte.

SPOX: Blicken wir auf Ihre Anfänge zurück. Sie haben Ihre Karriere im Kartsport begonnen. 2004 standen Sie dann kurz vor dem Gewinn der Junioren-Meisterschaft und damit Ihrem ersten größeren Titel. Doch am Finalwochenende brachen Sie sich die Hand ...

Wittmann: Richtig, das war einer meiner unschöneren Momente. In einem der Vorläufe kollidierte ich mit einem Konkurrenten und überschlug mich. Ich versuchte dann, den zweiten Vorlauf zu fahren, doch die Schmerzen ließen das nicht zu. Ich musste also bei den Finalrennen zuschauen und hoffen, dass mein Verfolger nicht ausreichend punktet - eine ganz bittere Situation. Doch am Ende hatte ich Glück im Unglück: Mein Polster hielt bis zum Schluss und ich wurde Meister. Ein wirklicher Zittersieg!

SPOX: 2007 nahm Sie dann Willi Weber unter Vertrag, der sich vor allem als langjähriger Manager von Michael Schumacher einen Namen gemacht hat. Warum hielt die Zusammenarbeit nur ein Jahr?

Wittmann: Willi Weber wollte nach dem Erfolg mit Michael Schumacher einen Junioren-Pool aufbauen und nahm Nico Hülkenberg, Christian Vietoris und mich unter Vertrag. Die Zusammenarbeit hat mir den Sprung vom Kart- in den Formelsport ermöglicht, doch etwas wirklich Langfristiges war nicht möglich. Herr Weber hatte seine Glanzzeit mit Michael und wollte nochmal etwas auf die Beine stellen, am Ende hat ihm aber wohl die Motivation gefehlt. Nach einem Jahr waren Christian und ich raus aus seinem Programm, etwas später dann auch Nico.

SPOX: Obwohl Sie 2010 und 2011 Vizemeister in der Formel 3 wurden, blieb der Sprung in die GP2 oder eine andere höhere Serie aus. Ihnen fehlten schlicht die finanziellen Mittel. Wie sehr hadert man in so einer Situation mit seinem Schicksal?

Wittmann: Natürlich ist das manchmal frustrierend, wenn man das Potenzial für mehr hat, es aber am Geld scheitert. Doch man muss da Realist sein. Und letztlich hat mir mein Weg geholfen, Erfahrungen zu sammeln und mich weiterzuentwickeln. Zudem ging es für mich ja weiter, als BMW mich 2011 zu den DTM-Testfahrten einlud. Ich konnte mich beweisen, bekam ein festes Cockpit - der Rest ist Geschichte.

SPOX: Sie haben auf Ihren Social-Media-Kanälen kürzlich für eine Spendenaktion an den schwer verunglückten britischen Nachwuchsfahrer Billy Monger geworben, zudem ist Alessandro Zanardi ihr großes Vorbild. Beide mussten sich nach schweren Unfällen die Beine amputieren lassen. Wie sehr fürchten Sie sich vor derartigen Schicksalsschlägen?

Wittmann: Solche Vorfälle zeigen, dass Motorsport immer noch gefährlich ist - egal, wie gut die Sicherheitsstandards auch sein mögen. Es kann immer was passieren und entsprechend sollte man den Respekt vor dem Risiko nie verlieren. Doch Angst darf man im Rennauto nicht haben. Sobald man sich fürchtet, ist man zu langsam.

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