Und läuft. Und läuft. Überhaupt nicht.

Volkswagen zieht sich nach der Saison 2016 aus der WRC zurück
© getty

Ein Beben erschüttert den Motorsport. Der Volkswagen-Konzern verändert sein Motorsport-Engagement radikal: Audi und VW ziehen sich aus ihren Weltmeisterschaften zurück. Was öffentlich als zukunftsgerichtete Neuausrichtung verkauft wird, ist ein Abschied ohne Rücksicht. Der von Ex-Boss Martin Winterkorn formulierte Anspruch des Wolfsburger Megakonzerns, mit allen Mitteln zum größten Automobilhersteller der Welt zu werden, hat ein großes Opfer gefordert.

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"Neuausrichtung" heißt das aktuelle Zauberwort im Volkswagen-Konzern. "Einstampfen" wäre passender.

Vier Jahre lang hat Volkswagen die Rallye-WM zuletzt dominiert. Seit dem Einstieg in die WRC zur Saison 2013 fuhren Sebastien Ogier und Julien Ingrassia der Konkurrenz davon. 42 von 51 Rallyes gewannen die VW-Fahrer. Jetzt sind sie vorübergehend arbeitslos. Das Werksprogramm hat ihr Arbeitgeber mit sofortiger Wirkung beendet. Das Saisonfinale in Australien werden die drei Polo R WRC noch absolvieren. Dann ist Schluss. "Das Auto" ist für die Rallye-WM gestorben.

Szenenwechsel: Neuburg bei Ingolstadt. Hier hat Audi im August 2014 sein "Kompetenzzentrum Motorsport" eröffnet. 460 Arbeitsplätze. Ein großer Teil zur Entwicklung der hochmodernen WEC-Renner, der Prototypen für die Langstrecken-WM. "Simply the Best" lautete das Motto für die von Joest-Motorsport eingesetzten Autos. Seit Audi im Jahr 1999 einstieg, sprangen elf Siege bei den 24 Stunden von Le Mans heraus. Doch wie bei VW in Hannover herrscht auch hier Lagerkoller. Am 19. November fahren die beiden R18 in Bahrain ihr letztes Rennen. Ein Ende mit Schrecken.

Der Volkswagen-Konzern hat binnen sieben Tagen zwei seiner drei Werksprogramme zum Ende des Jahres beendet, mit denen er in den Weltmeisterschaften der FIA antrat. Lediglich Porsche bleibt der WEC erhalten.

Einziges Ziel: Geld sparen

Beiden Rückzügen ist eins gemein: Sie erfolgten, obwohl die Autos fürs nächste Jahr bereits entwickelt sind. Seit über einem Jahr hatte VW etwa seinen neuen Polo im Testbetrieb. Ein Ende mit Schrecken. Das einzige Ziel: So viel Geld sparen, wie irgendwie möglich.

Seit Volkswagen am 3. September 2015 gegenüber der US-amerikanischen Unweltbehörde EPA zugab, seine Motorensoftware manipuliert zu haben, kommen die Wolfsburger aus den Negativschlagzeilen nicht mehr heraus.

Gewinnwarnungen, Milliardenrückstellungen für Umrüstungen, Winterkorn-Rücktritt, Betrugsermittlungen in Deutschland, Razzien durch die Staatsanwaltschaft Braunschweig, Zurückfahren der geplanten Investitionen um mehrere Milliarden Euro, ein vom Kraftfahrbundesamt angeordneter Rückruf aller Autos mit Betrugssoftware, 3,5 Milliarden Euro Verlust vor Steuern und Zinsen im dritten Quartal 2015, Ermittlungen der EU, Klage der US-Regierung, Schadensersatzklagen von Aktionären und Kunden, Einbruch der Aktie auf die Hälfte des Prä-Dieselgate-Werts, 1,5 Milliarden Euro Verlust im Jahr 2015. Minus-Rekord und genug Stoff für eine Fernsehserie von Netflix, Leonardo di Caprio will gar einen Hollywood-Blockbuster auf die Beine stellen.

Wie teuer VW die betrügerische Vorgehensweise wirklich zu stehen kommt, ist noch immer kaum einzuschätzen. Eine grundsätzliche Einigung zwischen Volkswagen und den US-Behörden gab es Ende April 2016. Bundesrichter Charles Breyer verkündete im Oktober den endgültigen Vergleich: Er kostet die Wolfsburger bis zu 15 Milliarden Euro - allein in den USA, allein für die Autos mit manipulierten 2,0-Liter-Dieselmotoren. Für die 3,0-Liter-Motoren steht eine Einigung ebenso aus wie im Streit mit den Aktionären und den Wettbewerbsbehörden.

Abgasskandal führt zu Motorsport-Rückzug

Volkswagen muss sparen. An jeder Ecke. Auch wenn Audis WEC-Engagement pro Jahr "nur" einen Betrag im dreistelligen Bereich und das Rallye-Abenteuer von VW rund 70 Millionen Euro jährlich kosten, fielen sie dem Rotstift zum Opfer. Die Ausgaben wären dem mächtigen Betriebsrat schlicht und ergreifend nicht zu vermitteln, wenn gleichzeitig beim Personal gespart wird.

Statt das zu kommunizieren, probierte Volkswagen die Ausstiege als positive Nachricht zu verkaufen. Insbesondere Audis Rückzug aus der WEC sollte ein neues Bild vom Volkswagen-Konzern nach außen tragen: Die Dieselmarke steigt in die Serie mit Perspektive ein, die rein elektrische Formel E.

Allein, das von den PR-Strategen konstruierte Bild war derart schief zusammen gehämmert, dass es ohne eine einzige Windbö in seine Einzelteile zerfiel. Schon im September hatte Audi angekündigt, sich in der Formel E stärker bei Abt-Schaefflers Elektrorennprojekt einzubringen. Ab der Saison 2017/2018 als Werksteam.

Selbst VW betonte, die fortschreitende Elektrifizierung der Straßenautos sorge dafür, dass die Anstrengungen auf zukunftsträchtige Technologien verlagert werden müssten. Dabei hat die Motorsport-Abteilung dort so viel praktische Erfahrung mit Elektro-Antrieben wie ein Lamborghini von Benzinsparen.

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