„Wir sind keine Nasenbohrer“

Von Interview: Philipp Pander
Trotz Degradierung ist Audi-Pilot Martin Tomczyk in seiner elften DTM-Saison auf Erfolgskurs
© Imago

Mit 29 Jahren fährt Martin Tomczyk seine elfte DTM-Saison. Vor der Saison wurde der Rosenheimer von Audi ins zweite Glied versetzt, kämpft nun aber als Jahreswagen-Pilot um den Titel. Im Interview spricht Tomczyk über die Enttäuschung nach der Degradierung, das kleine Kind in ihm und den Prestige-Charakter des Showevents im Olympiastadion.

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SPOX: Martin Tomczyk, Sie sind Anfang der Saison in einen Jahreswagen versetzt worden. Seither blühen Sie auf und hatten zwischenzeitlich sogar die Gesamtführung erobert - als erster Fahrer in einem Vorjahres-Auto überhaupt. Wie erklären Sie sich das?

Martin Tomczyk: In der DTM muss immer das Gesamtpaket stimmen, sprich: Auto und Team müssen harmonieren. Das ist in diesem Jahr der Fall. Dass ich aber von Anfang an so konkurrenzfähig sein würde, konnte keiner ahnen. Von daher ist es umso schöner, dass es so eingetreten ist.

SPOX: War es auch die Wut im Bauch, die Sie antrieb, nachdem Sie nach zehn Jahren bei Audi ins zweite Glied rücken mussten?

Tomczyk: Es war natürlich schon eine Enttäuschung, als ich die Entscheidung mitgeteilt bekommen habe. Trotz alledem muss man als Sportler immer das Beste aus dem machen, was man gerade hat. Und so war es auch in meinem Fall. Ich habe mich neu motiviert, meine Zielsetzung neu formuliert und versucht, diese mit meinem neuen Team bestmöglich umzusetzen.

SPOX: Wie viel Genugtuung verspüren Sie dementsprechend jetzt?

Tomczyk: Es ist natürlich immer schön, wenn man vorne in der DTM mitfahren und auch Rennen gewinnen kann. Dann spielt es auch keine Rolle in welchem Auto man sitzt. Allerdings ist natürlich schon Genugtuung dabei, wenn ich sehe, dass ich momentan der schnellste Audi-Pilot bin und auf Platz zwei der Gesamtwertung stehe.

SPOX: Zum ersten Mal sind Sie nun die Nummer eins im Team. Mit Rahel Frey haben Sie eine unerfahrene Teamkollegin an Ihrer Seite. Wie ist die Situation für Sie?

Tomczyk: Das ist eine neue Situation für mich. Auch weil ich zuvor immer in einem Vier-Mann-Team gefahren bin und wir jetzt zu zweit sind. Mit zehn Jahren DTM-Erfahrung denke ich schon, dass ich einiges einbringen kann. Dementsprechend konstruktiv arbeitet das Team mit mir. Das können wir jedes Wochenende umsetzen.

SPOX: Der Teamkollege ist meist der erste Konkurrent eines Rennfahrers. Ist die Beziehung zu einer Teamkollegin anders?

Tomczyk: Nicht wirklich, sie ist eine Konkurrentin wie jeder andere Teamkollege auch. Da unterscheidet man nicht, ob es nun ein Mann oder eine Frau ist.

SPOX: Wer sind die besseren Autofahrer? Männer oder Frauen?

Tomczyk: Da kann ich mich natürlich jetzt schnell ins Abseits drängen (lacht). Ich kann nur von meiner Beziehung (mit Rennfahrerin Christina Surer, Anm.d.Red.) sprechen, und da sind wir fast auf demselben Niveau.

SPOX: Und wer von Ihnen hat mehr Punkte in Flensburg?

Tomczyk: (lacht) Sie!

SPOX: Sie kommen aus einer Rennsport-Familie. Ihr Vater ist ADAC-Sportpräsident, Ihr Bruder ist Ihr Berater und außerdem sind Sie mit Christina Surer liiert. Selbst auf Familienfesten gibt es dann wohl kaum ein anderes Thema als den Motorsport, oder?

Tomczyk: Es ist klar, dass man viel über Motorsport redet. Wie andere Familien haben wir aber auch ganz normale Gesprächsthemen. Wenn man daheim ist, will man ja auch nicht nur über den Beruf reden. Das versuchen wir dann schon zu separieren. Trotzdem dreht sich viel um Benzin, Reifen und Autos.

SPOX: Betreiben auch die meisten Ihrer Freunde Motorsport?

Tomczyk: Nein, gar nicht, und das finde ich auch gut. Die meisten meiner Freunde kenne ich schon seit der Schulzeit. Da steht dann Kicker- oder PlayStation spielen im Vordergrund.

SPOX: Und mit welchem Fahrer aus der DTM oder Formel 1 verbringen Sie auch Ihre Freizeit?

Tomczyk: Im Endeffekt sind sie alle Konkurrenten. Mit dem einen Konkurrenten kommt man besser aus, mit dem anderen eher weniger gut. Die versucht man dann zu meiden. In meiner Freizeit habe ich selten Kontakt zu anderen Kollegen und bin froh, wenn ich meine Freunde sehe, weil es dann um andere Themen geht. Wenn man sich mit einem Rennfahrer trifft, dreht sich immer alles um den Rennsport.

SPOX: Rennfahrer wissen bekanntlich, wie man feiert. Zu welchen Anlässen lassen Sie es mal krachen?

Tomczyk: Wenn man ein Rennen gewinnt, ist das natürlich ein guter Grund zu feiern. Ein Team arbeitet mit so viel Ehrgeiz, Anstrengung, Herzblut und Leidenschaft. Und man arbeitet ja immer wieder nur auf das Rennen hin. Wenn man das dann gewinnt, dann ist es auch an der Zeit, dass man loslassen und feiern kann.

SPOX: Sind die DTM-Partys also berühmt-berüchtigt?

Tomczyk: Es gibt schon die eine oder andere Party, die man gerne noch einmal erleben würde. Gerade am Ende der Saison machen wir zusammen mit Mercedes, mit den Konkurrenten, eine große Feier. Dann ist der Druck raus. Man hat Spaß zusammen und sieht über einiges, was die Saison über passiert ist, hinweg.

SPOX: Sie fahren Harley und haben gemeinsam mit ihrem Bruder ihrem Vater einen Zero-G-Flug geschenkt. Brauchen Sie auch privat immer Ihre Dosis Adrenalin?

Tomczyk: Wenn man tagtäglich im Motorsport ist, ist man natürlich auch anderes gewöhnt. Wir wollten unserem Vater etwas schenken, das man sonst nie machen würde, und da haben wir uns für den Flug entschieden. Wir schließen uns natürlich an. Denn wo wird man sonst noch schwerelos?

SPOX: Als Kontrastprogramm lassen Sie gemeinsam mit Ihrem Bruder ferngesteuerte Rennboote über die Seen heizen oder gehen Paintball spielen.

Tomczyk: Ich mache einfach alles, was Spaß macht und habe den Spleen, wenn ich etwas sehe, das gut ist, dann muss ich es auch haben - ganz abgesehen davon, wie lange ich es dann wirklich betreibe. Ich bin ein Typ, der gerne alles ausprobiert.

SPOX: Außerdem sammeln Sie lebensgroße Filmfiguren.

Tomczyk: Ich habe irgendwann damit angefangen. Ich mag vor allem die Marvel-Comics und habe dementsprechend einige Figuren von ihnen. Mittlerweile stehen elf Stück in meinem Partyraum.

SPOX: Sind Sie ein Paradebeispiel dafür, dass in jedem Mann immer noch ein bisschen Kind steckt?

Tomczyk: Für mich ist das wirklich ein wichtiges Thema. Solange ich das Kindliche in mir behalten kann, versuche ich das auch auszuleben. Und das lasse ich mir auch sicher nicht ausreden. Denn irgendwann ist die Zeit vorbei, in der ich das ausleben kann. Ich versuche es zu genießen.

SPOX: Am Wochenende steht nun der DTM-Showevent im Münchener Olympiastadion an. Stehen Sie auf derartige Show-Wettbewerbe oder fehlt da der Anreiz in Form von Meisterschaftspunkten?

Tomczyk: Es hat natürlich keinen Meisterschaftscharakter. Dafür geht es durch die KO-Duelle, Mann gegen Mann, um Prestige. Ich glaube, wenn das Haus voll ist, wird die Stimmung auf jeden Fall super. Es ist freies Fahren in einem neuen Modus und ich habe noch keinen im Fahrerlager getroffen, der sich nicht darauf freut.

SPOX: Haben Sie sich Tipps von Ihrem ehemaligen Teamkollegen Matthias Ekström geholt? Schließlich hat er dreimal das Race of Champions gewonnen.

Tomczyk: Es ist etwas anderes, mit dem DTM-Auto dort anzutreten. Ich habe ihm aber schon zwei, drei Fragen gestellt, wegen dem Bodenbelag zum Beispiel. Aber die Fragen klären sich auch von alleine, wir sind ja keine Nasenbohrer. Da gewöhnt man sich schnell dran.

SPOX: In München stellt sich BMW als neuer Hersteller vor. Eine Option für Sie, oder sagen Sie: Forever Audi?

Tomczyk: Zunächst einmal ist es gut, dass ein dritter Hersteller in die DTM kommt. Das frischt das Ganze komplett auf, auch durch neue Fahrer. Ich bin seit elf Jahren mit Audi verbunden und fühle mich dort derzeit sehr wohl.

SPOX: Nur drei Punkte trennen Sie vom Meisterschaftsführenden Bruno Spengler. Werden Sie der erste DTM-Champion in einem Jahreswagen?

Tomczyk: Keine Ahnung. Soweit will ich auch noch gar nicht denken. Zum Schluss zählen wir zusammen. Und wenn es reicht, dann reicht es.

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