"Ich würde Bolt nicht mit Ali vergleichen"

Raphael Holzdeppe wurde 2013 in Moskau Weltmeister
© getty

Weltmeister 2013, Vizeweltmeister 2015, Bronze bei den Olympischen Spielen 2012: Raphael Holzdeppe gehört zu den besten Stabhochspringern seiner Zeit. Vor der Leichtathletik-WM in London (4. bis 13. August, täglich im LIVETICKER) spricht der 27-Jährige im Interview mit SPOX über verschollene Stäbe, mentale Extremsituationen, eine Achterbahnfahrt und die Bedeutung von Usain Bolt für den Sport.

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SPOX: Herr Holzdeppe, wir haben uns zuletzt ein bisschen Sorgen um Ihre WM-Teilnahme gemacht. Schließlich waren Ihre Stäbe für London mehr oder weniger verschollen. Was war da denn los?

Raphael Holzdeppe: (lacht) Das war alles ziemlich kurios. Ich war auf dem Weg nach Marokko zu einem Wettkampf, schon da sind die Stäbe nicht mit mir im Flugzeug angekommen. Es wurde hin und her telefoniert, was das Zeug hält. Erst wenige Stunden vor dem Wettkampf waren sie dann da. Doch auf dem Weg zurück und weiter zur WM-Generalprobe in Monaco, sind die Stäbe wieder nicht mitgeliefert worden. Es ging letztlich mehr als eine Woche, bis sie endlich wieder in meinem Besitz waren.

SPOX: Irgendwie passt diese Geschichte zu Ihrer bisherigen Saison. Man kommt kaum umher, den Begriff Achterbahnfahrt zu verwenden.

Holzdeppe: Da kann ich nur zustimmen. Es war bislang eine Saison mit durchwachsenen Ergebnissen. Das war selbstverständlich weder so erhofft noch geplant. Aber ich muss eben damit leben, dass gerade am Anfang einige Störfaktoren dazu kamen, mit denen ich einfach nicht rechnen konnte. Das hat an den Kräften gezehrt.

SPOX: Einer dieser Störfaktoren war ein Materialwechsel, zu dem Sie sich nach einem Stabbruch entschlossen haben - von Carbon zu Glasfaser. Was war bei dieser Umstellung die größte Schwierigkeit?

Holzdeppe: Das Sprungverhalten ist einfach anders. Bei einem Carbonstab versucht man, so schnell wie möglich aus der Biegung wieder herauszukommen. Dementsprechend muss man seinen gesamten Sprungablauf schneller gestalten. Bei einem Glasfaserstab bleibt man hingegen etwas länger in der Biegung und hat somit mehr Zeit, um den ganzen Sprung durchzuziehen. Wenn in der ersten Phase des Ablaufs etwas nicht perfekt läuft, bleibt einem also eventuell noch die Chance, kleinere Fehler zu korrigieren. Die Umstellung meines Sprungverhaltens dauerte letztlich etwas länger, als ich es gedacht hatte. Als das besser funktionierte, bin ich gleich 5,80 Meter gesprungen. Ich weiß jetzt, dass die Umstellung erfolgreich gewesen ist, wenn auch manchmal die Feinabstimmung noch nicht passte.

SPOX: Die Umstellung erfolgte wie angesprochen aufgrund eines Stabbruchs im Vorfeld. Man verliert das Vertrauen in sein Material, was wiederum mental schwierig ist. Ist so ein Erlebnis für einen Stabhochspringer in etwa mit einem Crash eines Rennfahrers oder dem Sturz eines Skispringers zu vergleichen?

Holzdeppe: Ich vergleiche das gerne mit einem Turmspringer, der zum Auerbachsalto ansetzt, und dann mit dem Kopf gegen den Turm knallt. Der zweifelt beim nächsten Mal auch und ist sich nicht ganz sicher, ob er diesmal genügend Platz zwischen sich und dem Turm gelassen hat. Und selbstverständlich ist es beim Stabhochsprung fatal, wenn das Vertrauen in das Material verloren geht. In dem Moment, in dem ich loslaufe, darf es keinen Gedanken daran geben, ob der Stab in der Biegung hält. Mehrere Stabhochspringer, die mit dem gleichen Material wie ich gesprungen sind, haben im Verlauf dieser Saison Stabbrüche erlebt. Ein Athlet hat sich dabei sogar die Hand gebrochen. Auch deshalb habe ich mich für den Wechsel entschieden.

SPOX: Das Material und das Vertrauen darin sind also extrem wichtig. Wie viel Kopfsache ist das Stabhochspringen generell?

Holzdeppe: In dem Moment, in dem ich loslaufe, ist Stabhochsprung im Prinzip zu 100 Prozent Kopfsache. Ich habe natürlich eine bestimmte Fitness, eine bestimmte Form, ein bestimmtes Können. Letztlich entscheidet aber mein Kopf darüber, ob ich meine Fähigkeiten voll ausschöpfen kann, oder ob ich vielleicht nur auf 80 Prozent komme.

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