SPOX: Für DAZN kommentieren Sie das erste Mal gemeinsam mit ihm die World Series in Sydney. Welche Wertschätzung hat dieses Turnier für die Spieler?
Paulke: Da die Top-Spieler allesamt gesetzt sind, ist das Turnier extrem stark besetzt. Dazu kommen noch die australischen Qualifikanten Kyle Anderson und Simon Whithlock. Aber es ist "nur" ein TV-Turnier, das Darts weltweit populärer machen soll und kein Major. Trotzdem ist es den Spieler nicht egal, sie wollen sich in Sydney für die enorm wichtige zweite Jahreshälfte in Form spielen.
SPOX: Wenn man sich das bisherige Jahr anschaut, kann eigentlich nur van Gerwen der Favorit als Favorit gelten, oder?
Paulke: Das Turnier bietet die Chance, van Gerwen auch mal zu zeigen, dass er nicht unschlagbar ist. Aber trotzdem ist für mich van Gerwen derzeit das Maß aller Dinge. Was er konstant spielt, ist nicht von dieser Welt.
SPOX: Was zeichnet van Gerwen aus?
Paulke: Er interpretiert Darts neu, van Gerwen spielt ein anderes Darts als die Generation der 90er Jahre, mit mehr Power und Geschwindigkeit. Mit seiner Körpersprache überrollt er seine Gegner auf der Bühne förmlich. Darts ist zu 90 Prozent Kopfsache und van Gerwens größte Stärke ist seine Selbstverständlichkeit: Er geht die Spiele mit enormen Selbstbewusstsein an und liegt häufig früh mit drei Legs vorne. In Sydney kommt ihm der Modus auch noch entgegen, weil ein Best-of-Modus gespielt wird.
SPOX: Im Ally Pally tut sich van Gerwen verhältnismäßig schwer. Liegt das am Modus?
Paulke: Ich glaube eher, dass das am Druck liegt. Eigentlich hat er die Qualität, um den Titel nach 2014 ein zweites Mal zu holen. Aber nach seinem Achtelfinal-Aus im letzten Jahr macht er sich selbst enorm Druck und das Niveau bei der WM ist brutal. Grundsätzlich wirkt er bei der WM fast schon zu verbissen. Anderson ist da anders: Er strahlt Ruhe aus und weiß, dass er niemandem etwas beweisen muss. Er ist total entspannt auf der Bühne.
SPOX: Wie sehen Sie die Chancen von Taylor auf den 17. WM-Titel?
Paulke: Eigentlich ist es das Jahr des Phil Taylors und es ist beeindruckend, in diesem Alter nochmal so zurückzukommen, ist beeindruckend. Das große Problem ist, dass er als Nummer 4 der Welt immer Anderson und van Gerwen aus dem Weg räumen muss. Ich glaube, dass er noch ein Major holt, aber mehr als 16 WM-Titel werden es nicht mehr. Taylor hatte van Gerwens Selbstverständnis auch 20 Jahre lang, aber jetzt ist dieses sensible Konstrukt zusammengebrochen.
SPOX: Taylor und van Gerwen könnten in Sydney erst im Finale aufeinander treffen. Beim letzten Match der beiden war Taylor unterlegen und hat versucht, van Gerwen mit allen Mitteln aus dem Konzept bringen...
Paulke: ...die Reaktion von Taylor beim World Matchplay hat Bände gesprochen. Das war kein Fairplay, Taylor war hilflos und sein Verhalten war albern. Dieses Match steckt bei beiden noch im Kopf.
SPOX: Auch Gerwyn Price und Adrian Lewis sind zuletzt aneinander geraten. Wird der Konkurrenzkampf grundsätzlich intensiver?
Paulke: Price kommt aus einem anderen Sport und kennt das vom Rugby nur so. Aber es besteht die Gefahr, dass er sich so isoliert. Es gab aber auch früher schon Spieler, die dieser Konfrontation nicht aus dem Weg gegangen sind. Das finde ich auch nicht verwerflich, "winning ugly" gehört dazu. Man muss davon überzeugt sein, dass man die größten Spieler schlagen kann, sonst gelingt das nie.
SPOX: Anderson gehört selbst zu den besten Spielern und hat gezeigt, dass er jeden schlagen kann. Was können wir in den nächsten Monaten von ihm erwarten?
Paulke: Anderson ist nicht der van-Gerwen-Typ, der eine Trophäe nach der anderen einsammelt, aber der ist plötzlich da und spielt sensationell. Das hat er bei der WM zuletzt zwei Mal bewiesen. Ich warte aber auch auf den ersten Major-Sieg von Peter Wright. Sonst läuft er Gefahr, eine Terry-Jenkins-Karriere zu erleben: wenn du diese Finals nicht in den ersten Anläufen gewinnst, dann verlierst du sie dein ganzes Leben.
Gary Anderson im Interview: "Musste siegen, um Windeln zu zahlen"
SPOX: In diesem Jahr stehen vor der WM mit dem Grand Prix, der EM, dem Finale der World Series of Darts und dem Grand Slam noch vier Majors auf dem Programm. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Paulke: Das sind noch vier echte Highlights! Besonders der Grand Slam und der World Grand Prix reizen mich. Beim Grand Slam of Darts wollen die PDC-Spieler den BDO-Spielern zeigen, dass sie besser sind. Das ist immer noch ein Thema. Der World Grand Prix lebt von seinem Double-In-Modus. Normalerweise wird es einem verziehen, wenn man nach dem Check-Out eine kurze Schwächephase hat, aber in Dublin steht man permanent unter Druck.
SPOX: Aber das größte Turnier ist und bleibt die WM. Können Sie uns die Faszination Ally Pally erklären?
Paulke: Das ist DAS Party-Turnier schlechthin - und das auf der größten Darts-Bühne der Welt. Die Fans werfen sich in die verrücktesten Kostüme und feiern die Tage komplett durch. Es ist vergleichbar mit Wembley, Wimbledon oder Mekka - als Darts-Fan musst du mal da gewesen sein. Mittlerweile sind so viele deutsche Fans dort, dass die PDC sogar überlegt, deutsche Security-Leute einzusetzen.