Felix Sturm starrte auf sein Smartphone, als der fünfmalige Box-Weltmeister im schwarzen T-Shirt auf das Podium schlenderte. Gelassen und locker gab sich der 43-Jährige auf der Pressekonferenz vor diesen so wichtigen zwölf Runden am Samstag. Entweder ist Sturms große Karriere dann endgültig vorbei, oder er greift nach all der Zeit vor Gericht und in Untersuchungshaft noch einmal nach einem WM-Gürtel.
Einziges Hindernis in der Dortmunder Westfalenhalle ist der Ungar Istvan Szili (39). "Wenn man die Chance hat, danach um die WM zu boxen - ich bin 43, Istvan ist fast 40 - wird man so motiviert sein wie noch nie in seinem Leben. Deswegen nehme ich das Thema extrem ernst. Er ist für mich momentan der wichtigste Gegner", sagte Sturm. Der Gewinner des Kampfes soll im Spätsommer auf den britischen IBO-Weltmeister Lerrone Richards treffen.
Als Austragungsort für das WM-Duell im Supermittelgewicht wird die Veltins Arena in Gelsenkirchen gehandelt, wo Sturm sich zum sechsten (!) Mal in seiner 21 Jahre langen Profikarriere zum Champion krönen könnte. "Wir trainieren, um zu gewinnen, dafür leben wir", so Sturm, dessen Angriff auf den Titel durchaus Zweifler auf den Plan rief. "Das geht doch nicht mehr in diesem Alter. Das hat nichts mit Boxen zu tun", sagte Ex-Weltmeister Dariusz Michalczewski der Bild.
Fest steht: Beide in die Jahre gekommenen Fighter kriegen so eine Gelegenheit wohl kaum noch einmal - auch wenn es "nur" um den Titel des kleineren IBO-Verbandes geht. Aber zumindest ein bisschen soll es sich anfühlen wie einst 2004, als Sturm das WM-Duell gegen US-Star Oscar de la Hoya dominierte und zwar unglücklich verlor, aber Herzen eroberte.
Felix Sturm: "Habe immer an ein Comeback geglaubt"
Ja, damals hatte das Boxen in Deutschland noch einen anderen Stellenwert, zu dem Sturm in den Jahren darauf maßgeblich beitrug. Aber trotzdem will er es auch im fortgeschrittenen Alter noch einmal wissen. Deshalb ist er Ende 2020 zurückgekommen, die zwei Kämpfe danach gewann er. "Viele glaubten nicht daran, dass ich noch mal in den Ring zurückkehre. Aber ich habe immer daran geglaubt", sagte Sturm der Bild am Sonntag.
Vor fast genau drei Jahren, als Sturm auf der Fitnessmesse FIBO in Köln festgenommen wurde, hätte wohl niemand einen Gedanken an einen erneuten WM-Fight verschwendet. Über acht Monate saß der begnadete Techniker wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft. Hinzu kamen Doping-Vorwürfe, die in Verbindung mit Sturms vorerst letztem Kampf 2016 gegen den Russen Fjodor Tschudinow standen, in dem er den WBA-Titel zurückerobert hatte.
Danach war Sturm positiv auf die anabole Substanz Hydroxy-Stanozolol getestet worden. Wegen dieses Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz, der ihm auch noch eine Anklage wegen Körperverletzung einbrachte, sowie Steuerhinterziehung wurde Sturm im April 2020 zu drei Jahren Haft verurteilt. Mittlerweile wurde die Strafe auf zwei Jahre und vier Monate verkürzt. Wann er sie antreten muss, ist noch nicht klar. Bis dahin boxt Sturm. Und holt sich womöglich Titel Nummer sechs.