Trippelschritte in eine neue Ära

Arthur Abraham will eine neue Ära einleiten
© getty

Wenn Arthur Abraham (41-4-0) am Samstag in der Berliner o2 World (ab 22.30 Uhr im LIVE-TICKER) erneut auf Paul Smith (35-4-0) trifft, geht es für den Weltmeister um weit mehr als den Titel der WBO im Super-Mittelgewicht. Der Rückkampf gegen den Briten markiert vielmehr den Beginn einer neuen Ära - und birgt gleichzeitig eine große Gefahr.

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"Die Punktrichter waren einfach nur blind", wetterte Paul Smith auf einer im Rahmen des zweiten Duells mit Arthur Abraham abgehaltenen Pressekonferenz Anfang Februar. "Wenn ich nach den Expertenmeinungen aus England und Übersee gehe, dann bin ich schon längst der Champion", legte der britische Herausforderer nach und blickte seinen Widersacher mit versteinerter Miene an.

Eine Einschätzung, die zumindest als fragwürdig angesehen werden muss. Schließlich endete der erste Kampf in Kiel mit einem einstimmigen Punktsieg zu Gunsten des alten und neuen Weltmeisters. Zwar hinterließ die Höhe der Wertungen, die Punktrichter urteilten mit 117:111, 117:111 sowie 119:109, einen faden Beigeschmack, doch am Sieg Abrahams gab es in Schleswig-Holstein wenig zu rütteln.

"Ich habe den ganzen Kampf im Griff gehabt, auch wenn er ein schwerer Gegner war", hatte der 35-Jährige direkt im Anschluss seine Leistung beurteilt und auch sein überaus kritischer Trainer Ulli Wegner wirkte zufrieden. Die Führhand Abrahams war stets präsent, schnelle Kombinationen brachten seinen Kontrahenten unter Druck. Zwar ließ der Champion gegen Ende ein wenig nach, wirklich in Gefahr war er allerdings nie.

Dennoch legte Smiths Promoter Eddie Hearn im Anschluss Protest gegen die Wertung ein. Die WBO reagierte, unterzog das Urteil einer Prüfung und bestätigte letztendlich wie erwartet das Ergebnis. Lediglich die Höhe der höchsten Wertung wurde moniert.

Ein kalkulierbares Risiko

Dass es nun überhaupt zu einem Rückkampf kommt, hat der Brite vor allem den zukünftigen Plänen des Weltmeisters zu verdanken. Während Smith seine erneute Chance dankend annimmt, dürften die Gedanken seines Gegenübers bereits um einen Kampf mit Erzfeind Felix Sturm kreisen. Der Mann von der Insel gilt in diesem Konstrukt als kalkulierbares Risiko. Alles andere als ein Sieg Abrahams wäre als Überraschung einzustufen, statt einem Sprung ins Ungewisse geht es mit kleinen Schritten in die Zukunft.

Eine Tatsache, die Smith wohl bekannt sein dürfte und die er als Motivation nutzt. "Ich bin dieses Mal noch fitter, physisch stärker und habe an meiner Taktik gefeilt", zeigte sich der Linksausleger zuletzt selbstsicher und schob Richtung Abraham nach: "Du kannst machen was du willst, aber am 21. Februar wirst du auf dem Boden liegen."

Ein Knockout scheint in der Tat die einzige Möglichkeit des Briten zu sein, denn über die Scorecards der Punktrichter wird Smith aufgrund seiner limitierten Mittel wohl auch in Berlin keine echte Chance auf den ersehnten Gürtel haben.

Allerdings strebt auch Abraham ein vorzeitiges Ende und damit Werbung in eigener Sache an: "Ich will noch einmal deutlich klarstellen, wer hier der Champion ist. Paul Smith hat im ersten Kampf eine gute Leistung gezeigt, doch ich war eben der Bessere. Wieso danach rumgejammert und in einigen englischen Medien von Fehlurteil geredet wurde, verstehe ich nicht", so der gebürtige Armenier: "Einen dritten Kampf wird es nicht geben. Ich werde Smith dieses Mal noch deutlicher seine Grenzen aufzeigen und ihn K.o. schlagen."

Meilenstein für den deutschen Boxsport

Der angekündigte Knockout gegen einen selbstbewussten Gegner, der durch die Unterstützung von Manchester Uniteds Wayne Rooney über die Grenzen seiner Heimat hinaus für ein erhebliches mediales Echo sorgt, wäre für den Weltmeister der perfekte Start einer vielversprechenden Vision.

Nach jahrelanger Zusammenarbeit mit der "ARD" handelt es sich beim Duell mit Smith um den ersten Sauerland-Event nach der Bekanntgabe der Kooperation mit "Sat.1". Ein langangelegtes Projekt, von dem beide Seiten profitieren wollen und im Idealfall auch können. "Wir freuen uns, sehr viele große Fights zusammen zu machen", resümierte ein sichtlich zufriedener Kalle Sauerland die Perspektiven, die der neue TV-Deal mit sich bringt.

Entsprechend hoch sind jedoch auch die Erwartungen - innerhalb wie außerhalb des Rings. "Die vereinbarte Zusammenarbeit mit unserem neuen Partner Sauerland Event ist ein Meilenstein für den deutschen Boxsport", sagte beispielsweise "ProSiebenSat.1"-Geschäftsführer Zeljko Karajica im Rahmen des Sport-Business-Kongresses "SpoBiS": "Ich denke, ein Marktanteil von bis zu 25 Prozent ist möglich. Wir sind der neue deutsche Boxsender."

Der aus dem Hype entstehenden Verantwortung ist man sich auch im direkten Umfeld des Weltmeisters durchaus bewusst. "Wir möchten einen sehr guten Eindruck im ersten Kampf bei Sat.1 hinterlassen", sagte Wegner im Vorfeld: "Arthur wurde als großer Star angekündigt, also muss er das auch beweisen und den Kampf gewinnen." Am besten auf möglichst eindrucksvolle Art, versteht sich. Schließlich gilt: Je besser die Leistung, desto besser die Vermarktungsmöglichkeiten.

Pay-per-View statt Free-TV?

Sogar das Thema Pay-per-View rückt im Hinblick auf weitere Kämpfe mit dem aktuellen Aushängeschild Sauerlands in den Fokus der Verantwortlichen. "Wenn sich in den USA, in Großbritannien oder sogar in Dänemark das Pay-per-View beim Boxen durchgesetzt hat, warum dann nicht in Deutschland?", führte Karajica aus, der ein solches Konzept auch in Deutschland als marktfähig erachtet.

Insgesamt seien in Zusammenarbeit mit dem Sauerland-Boxstall, der mit Jürgen Brähmer, Yoan Pablo Hernandez und nicht zuletzt Gennady Golovkin über weitere marktrelevante Namen verfügt, sechs Kämpfe pro Jahr im Free-TV geplant, zwei weitere als Pay-per-View.

Das Hauptaugenmerk des Senders liegt zunächst jedoch auf einem potentiellen Kassenschlager - dem Duell zweier Erzfeinde. "Sturm gegen Abraham würde sich anbieten, um unser Angebot zu etablieren", sagte Karajica. Sollte der Start gelingen und sich das Investment des Senders rentieren, wirken die ambitionierten Pläne in der Tat wie ein Start einer neuen Ära.

Sturm-Absage als Zeichen

Dass auch Sturm ein Teil dieser sein möchte, dürfte spätestens seit der Absage des 36-Jährigen an die IBF klar sein. Nachdem der Mittelgewichts-Weltmeister des Verbandes, Jermain Taylor, aufgrund von Problemen mit dem Gesetz seinen Titel nicht wie vorgeschrieben verteidigen konnte und diesen kampflos abgeben musste, hätte sich für Sturm laut "ESPN" die Chance auf einen Titelkampf eröffnet.

Vor dem Hintergrund, dass der ehemalige Weltmeister den Gürtel erst im Mai des vergangenen Jahres an Sam Soliman verlor, avancierte der gebürtige Bosnier zum großen Favoriten auf das Duell um den vakanten Titel. Im Gespräch war ein Kampf gegen Hassan N'Dam. Doch Sturm lehnte ab.

"Diesen Kampf werden wir nicht machen. Felix fühlt sich sehr wohl im Super-Mittelgewicht. Dort möchte er boxen, auch wenn es kein Problem wäre, das Limit für das Mittelgewicht zu erreichen", lautete die offizielle Begründung seines Managers Roland Bebak gegenüber der "Sport Bild". Zwischen den Zeilen dürfte klar sein, wohin die Reise geht. Etwaige Risiken, die ein Duell mit Abraham verhindern könnten, werden jedenfalls frühzeitig eliminiert.

Direkt auf ein mögliches Duell mit dem WBO-Weltmeister angesprochen, sagte Bebak: "Das ist ein Kampf, den wir wollen." Durch die Tatsache, dass mit Sturm und Robert Stieglitz, der ebenfalls noch eine Rolle spielen könnte, auch die Konkurrenz Abrahams bei "Sat.1" unter Vertrag ist, gehören Probleme aufgrund konkurrierender TV-Partner ebenfalls der Vergangenheit an.

Der Tisch ist gedeckt

Die Rahmenbedingungen stimmen somit und auch der Wille beider Parteien ist deutlich zu spüren. Die Zeit für den lang erwarteten Kampf könnte endlich gekommen sein. "Das ist schon seit Jahren ein Traum von mir, der mir und den Boxfans in Deutschland und der Welt bald erfüllt werden kann", sagte Abraham.

Worte, die auch Karajica nur allzu gerne hören wird: "Nach dem Kampf von Sturm gegen Stieglitz haben alle Blut geleckt. Nach all dem Gerede ist die Zeit gekommen", legte dieser selbst zuletzt nach. Der Weg scheint endgültig frei. Eine Bedingung gibt es dann allerdings doch noch: Bei der Ouvertüre gegen Smith darf nichts schief gehen.

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