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NBA Playoffs - 5 Fragen zu den L.A. Clippers: Ist die Ära Kawhi Leonard/Paul George nun endgültig gescheitert?

Von Robert Arndt
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Die L.A. Clippers sind trotz großer Ambitionen erneut frühzeitig in den Playoffs ausgeschieden. Die Verletzungen von Paul George und Kawhi Leonard kamen mal wieder zur Unzeit, Letzterer hat erneut eine schwere Knieverletzung davongetragen. Die Zeit läuft gegen die beiden Superstars: Ist die Ära PG-13/Kawhi nach vier Jahren endgültig gescheitert?

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Außerdem: Wie geht es mit Russell Westbrook weiter? Und warum sind die Clippers eigentlich der große Verlierer des neuen Kollektivvertrags?

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Meniskussriss bei Kawhi: Waren die Clippers wirklich ein Contender?

Zunächst einmal: Hut ab vor diesen Clippers. Ohne Paul George war das Team von Coach Ty Lue klarer Außenseiter gegen die Suns, dennoch klauten die Clippers gleich Spiel 1 in Phoenix und hatten schließlich auch ohne Kawhi Leonard Chancen, die Serie weiter zu verlängern. Das gelang nicht und so haben die Clippers in vier Jahren mit PG-13 und Kawhi gerade einmal drei Playoff-Serien gewonnen.

Am Mittwoch sickerte dann in den US-Medien durch, dass es sich bei der Knieverletzung von Kawhi um einen Meniskusriss im rechten Knie handelt. Wie dieser behandelt wird, entscheide sich in den kommenden zwei Wochen. Leonard hatte nur in den ersten beiden Playoff-Partien mitwirken können.

Natürlich ist es ärgerlich, dass wir erneut nicht die Clippers in voller Stärke sahen, doch gleichzeitig ist dies auch selbstverschuldet. Über Monate schlafwandelten die Clippers durch die Regular Season und verpassten es so, eine bessere Ausgangsposition zu schaffen. So wäre es möglich gewesen, die Suns zu vermeiden und auch ohne die beiden Stars eine Runde zu überleben.

"Was mir Mut macht, ist, dass wir noch keine Serie verloren haben, wenn Kawhi und PG gesund waren", sagte Lue im Anschluss. Unter seiner Regie ist das richtig, allerdings gab es auch die Bubble 2020, als L.A. unter Doc Rivers mit voller Kapelle eine 3-1-Führung gegen Denver verspielte. Bei den Clippers passen Theorie und Praxis einfach nicht zusammen.

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L.A. Clippers: Die Regular Season war eine Enttäuschung

Mit diesem Kader war es eine Enttäuschung, dass in der Regular Season nur 44 Spiele gewonnen wurden und durchaus die Gefahr bestand, erneut im Play-In zu landen. Vor der Saison gab nicht wenige, die L.A. als Favoriten im Westen sahen, doch sichtbar war dies zu selten. Vor allem offensiv blieb vieles Stückwerk, sodass selbst mit einem Luxuskader unerklärliche Durststrecken die Regel waren. Die Clippers waren eher ein Ensemble als ein wirkliches Team. Erst in der Serie mit den Suns blitzte bisweilen das enorme Potenzial auf, auch ohne Leonard. Russell Westbrook spielte hierbei eine große Rolle, allerdings zeigten sich auch mal wieder seine Limitationen, je länger die Serie dauerte.

Dennoch war die Westbrook-Verpflichtung allen Unkenrufen zum Trotz etwas Positives. Gleiches gilt für den Trade von Eric Gordon, der wie zu erwarten, hervorragend ins Konstrukt der Clippers passte. Es ist umso ärgerlicher, dass wir die Clippers in den Playoffs nicht in voller Stärke gesehen haben. Das Team bleibt so ein Papiertiger und reiht sich mit den Brooklyn Nets als eines der größeren "Was wäre, wenn ..."-Teams der vergangenen Jahre ein.

NBA Playoffs - Suns vs. Clippers: Die Serie im Überblick

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
117. April2 UhrPhoenix SunsL.A. Clippers110:115
219. April4 UhrPhoenix SunsL.A. Clippers123:109
321. April4.30 UhrL.A. ClippersPhoenix Suns124:129
422. April21.30 UhrL.A. ClippersPhoenix Suns100:112
526. April4 UhrPhoenix SunsL.A. Clippers136:130
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L.A. Clippers: Ist die Ära Leonard/George gescheitert?

Es wurde bisher kaum thematisiert, aber die Clippers kommen an einen Punkt, an welchem zumindest diskutiert werden sollte, ob dieses Duo eine Zukunft hat. Drei gewonnene Serien in vier Jahren ist ein enttäuschendes Ergebnis für das riesige Investment, welches die Clippers vor vier Jahren eingingen. Um Leonard und George zu holen, gab die Franchise fünf Erstrundenpicks, Danilo Gallinari und auch Shai Gilgeous-Alexander ab, der in wenigen Wochen möglicherweise sogar ins All-NBA First Team gewählt wird.

Auf dem Papier sieht das richtig schlecht für die Clippers aus, doch mal ehrlich: Wer hätte damals diesen Trade nicht gemacht? Zwei Star-Forwards, einer amtierender Finals-MVP, der andere ein Top-3-MVP-Kandidat in jenem Jahr. Es war eine einmalige Chance für eine bis zum heutigen Tage darbende Franchise, welche endlich aus dem Schatten des großen Bruders steigen wollte - und dafür Risiken einging.

Die Krankenakten von George und Leonard waren bestens belegt, es sollte über die vier Jahre ein Problem bleiben. Zusammen standen die beiden nur in 142 von möglichen 347 Partien auf dem Feld, das sind knapp 41 Prozent. Zusammen absolvierten die beiden gerade einmal drei volle Playoff-Serien - und das ist der Hauptgrund, warum die vier Jahre so verlaufen sind, wie sie eben verlaufen sind. Gerade 2021 hätte das Jahr der Clippers werden können, als man in den Conference Finals ohne Kawhi erst an Phoenix scheiterte.

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Lässt sich das noch einmal wiederholen? Fakt ist, dass der Westen auch in diesem Jahr sehr offen war, daran dürfte sich im kommenden Jahr wenig ändern. Die Verletzungen lassen sich trotzdem nicht wegdiskutieren. Was nützt ein Kawhi, bald 32 Jahre alt, der weiter ein Top-5-Spieler ist, wenn er denn spielt - aber einfach nicht gesund bleiben kann?

Sowohl George als auch Leonard können 2024 aus ihren Verträgen aussteigen. Wenn die Clippers also einen Schnitt machen wollen, dann wäre dieser Sommer der richtige Zeitpunkt. Nachfrage sollte es geben, schließlich können sich bei der Parität in dieser Spielzeit jede Menge Teams einreden, nur einen Kawhi oder PG-13 vom Contender-Status entfernt zu sein.

Gleichzeitig passt dies nicht zu den Ambitionen von Besitzer Steve Ballmer, der seit seiner Ankunft vor neun Jahren Unmengen an Geld in die Franchise gepumpt hat. 2024 wird darüber hinaus die neue Arena fertig sein, entsprechend werden die Clippers echte Stars als Aushängeschilder brauchen, um diese auch zu füllen. Auch darum ist es schwer vorstellbar, dass L.A. nun eine Kehrtwende macht und die Titeljagd fürs Erste aufgibt. Es gibt da nur ein Problem ...

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L.A. Clippers: Wie schauen die Finanzen aus?

Die Clippers sind Stand jetzt im kommenden Jahr das teuerste Team der NBA. Inkludiert man den nicht-garantierten Vertrag von Eric Gordon, stehen die Clippers bei knapp 202 Millionen Dollar an Gehaltsausgaben (das gab es noch nie), womit sie satte 40 Millionen über der Luxussteuergrenze liegen. Laut Bobby Marks (ESPN) würde das eine zusätzliche Rechnung von 175 Millionen nach sich ziehen.

Ballmer war in der Vergangenheit bereit, das zu übernehmen, doch mit den neuen Regeln im Kollektivvertrag (der noch immer nicht unterzeichnet ist) könnte sich das ändern. Berichten zufolge wird es im kommenden CBA eine zweite Steuergrenze von 17,5 Millionen Dollar über der Salary Cap geben, "Apron" genannt, also bei rund 180 Millionen Dollar. Die Clippers liegen deutlich drüber und das kann zu extremen Restriktionen führen.

Unklar ist allerdings noch, ob die weiter unten genannten Regeln alle tatsächlich schon ab Juli gelten.

L.A. Clippers: Alle Verträge für 2023/24

SpielerAlterPosition23/2424/2525/26
Paul George32Forward45,648,8*UFA
Kawhi Leonard31Forward45,648,8*UFA
Eric Gordon34Guard20,9***UFA-
Norman Powell29Guard18,019,220,5
Marcus Morris33Forward17,1UFA-
Nicolas Batum34Forward11,7UFA-
Robert Covington32Forward11,7UFA-
Ivica Zubac26Center10,911,7UFA
Terance Mann26Guard10,611,4UFA
Amir Coffey25Forward3,73,9UFA
Bones Hyland22Guard2,34,2**RFA
Brandon Boston Jr.21Forward1,8***RFA-
Jason Preston23Guard1,8***RFA

* Spieler-Option, ** Team-Option, *** nicht garantiert

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Aus Berichten der bekannten Newsbreaker gibt es folgende Strafen für das Überschreiten dieser Linie - es ist allerdings noch nicht klar, wann genau diese installiert werden. Man kann davon ausgehen, dass dies scheibchenweise geschehen wird. Hier die Übersicht:

  • Teams haben keine Midlevel Exception zur Verfügung (auch nicht die Mini-MLE)
  • Teams können in Trades nicht mehr Geld aufnehmen als sie abgeben (es darf auch kein Cash verwendet werden)
  • Es können keine Spieler auf dem Buyout-Markt akquiriert werden.
  • Teams in der "Repeater Tax" zahlen für jeden weiteren Dollar zwei weitere Dollar obendrauf.
  • Und das Wichtigste: Teams über dem zweiten "Apron" dürfen für die kommenden sieben Jahre keinen Erstrundenpick traden (ab 24/25)
  • Sollte dann dieses Team in mehr als einem Jahr weiter drüber liegen, wandert der eigene Erstrundenpick automatisch ans Ende der ersten Runde

Wer das liest, wird verstehen, warum die Clippers allen Grund haben, Geld einzusparen. Diese Strafen sind so drastisch, dass jedes Team versuchen sollte, unter den angesprochenen 180 Millionen Dollar zu bleiben. Da der Clippers-Kader für das kommende Jahr im Prinzip steht, mag das unerheblich sein, doch für die langfristige Zukunft (mit den alternden George und Leonard) wäre es ein Killer.

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L.A. Clippers: Wie geht es mit Russell Westbrook weiter?

Wer hätte gedacht, dass wir diese Frage ernsthaft stellen müssen? Aber aufgrund der Umstände ist es eben eine. Westbrook machte bei den Clippers das, was über so viele Jahre machte. Es war klassischer "Russ Ball", der die Clippers ohne George und Leonard konkurrenzfähig hielt. In den fünf Partien legte der Guard 23,6 Punkte, 7,6 Rebounds und 7,4 Assists bei Quoten von 41 Prozent aus dem Feld und 36 Prozent von draußen auf.

"Wir wollen, dass Russ einfach er selbst sein kann", hatte Lue nach der umstrittenen Verpflichtung Ende Februar erklärt. Und so war es dann auch, selbst wenn das nie der Plan der Clippers war. "Russ Ball" wurde ohne die Stars alternativlos, hatte aber klare Limitationen, wie gegen Ende der Serie mal wieder sichtbar wurde. Immerhin: Zusammen mit Kawhi und George hatte Westbrook in 230 Minuten ein Net-Rating von +5,2.

Ohnehin war Russ nicht einfach Russ: Er verteilte mehr den Ball und war an der Seite der Flügelstars durchaus effizient - zumindest in der Regular Season. In den Playoffs hätte Phoenix vermutlich wieder Westbrook gelockt, so viele Würfe wie möglich zu nehmen. Doch auch hier ist das alles Theorie, es lässt sich schlichtweg nicht erörtern.

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Dies müssen die Clippers jedoch tun - und scheinen Westbrook halten zu wollen. "Er hat unsere Saison gerettet", meinte Lue nach Spiel 5. Und auch Westbrook selbst scheint mit den zwei Monaten mehr als zufrieden zu sein. "Es ist eine Top-Organisation. So etwas sieht man selten und es hat Spaß gemacht, hier jeden Tag zur Arbeit zu kommen", erklärte der Spielmacher nach dem Aus.

Zu seiner Zukunft wollte der 34-Jährige aber nichts sagen. Viel anbieten können die Clippers ohnehin nicht, wie wir bereits aufgezeigt haben: Maximal 3,8 Millionen Dollar sind es, um genau zu sein. Ob Westbrook das nimmt? Verdient hat er in seiner Karriere zumindest genug, nur LeBron James (431 Mio. Dollar), Kevin Durant (350) und Chris Paul (359) haben über ihre Karriere mehr eingestrichen als der Clippers-Guard (336).

Russell Westbrook: Seine Stats für die L.A. Clippers

/SpieleMINPTSFG%3P%REBAST
RS2130,215,848,935,64,97,6
Playoffs538,523,641,035,77,67,4
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L.A. Clippers: Wo besteht Nachholbedarf?

Lassen wir das Finanzielle doch mal kurz beiseite. Fakt ist, dass die Clippers im Aufbau weiterhin mehr Stabilität brauchen. Reggie Jackson und John Wall waren fürchterlich, Westbrook ein klares Upgrade, aber eben auch mit den bekannten Fragezeichen. Sollte Westbrook gehen, verbleiben Mann und Hyland, beides keine klassischen Spielmacher, auch wenn die Clippers mit Mann als Einser ein Net-Rating von +4 hatten.

Mann zählt zudem mit 26 Jahren zu den jüngeren Spielern im Kader, auch Hyland brachte etwas mehr Dynamik. Vor allem auf dem Flügel altert das Team, sodass Morris, Covington oder Batum mögliche Trade-Kandidaten sind. Hier kann Geld eingespart werden und gleichzeitig der Kader etwas verjüngt werden, wenn das gewünscht ist.

Backup-Center Plumlee hat ebenfalls keinen Vertrag, auch hier müssten die Clippers bei einem Abgang nachlegen. Bei möglichen Trades haben die Clippers jedoch nicht viel anzubieten. Aus Milwaukee kommt in diesem Jahr der 30. Pick im Draft (dazu halten die Clips ihren eigenen Second Rounder). Gut möglich, dass die Clippers ihren Pick traden werden, da an Position 30 sicherlich kein Guard abfallen wird, der den Clippers wirklich weiterhilft. 2026 geht dann der letzte Erstrundenpick aus dem George-Deal nach OKC.

Es ist also durchaus warhscheinlich, dass L.A. mit einem ähnlichen Kader in die neue Saison geht und wieder zum erweiterten Contender-Kreis zählt. Es kommt immer auf die Sichtweise an. Die Serie mit Phoenix hat einmal mehr unterstrichen, dass die Clippers nah dran sind und unter Umständen die Serie in voller Stärke gewonnen hätte. Und darauf werden die Clippers auch aufbauen.

Die Alternativen sind auch rar gesät, weil die Chips eben schon seit 2019 in der Mitte liegen.

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