180 Millionen Euro für neue Spieler: Woher kommt das Geld für Atlético Madrids spektakuläre Shoppingtour?

Von Patrik Eisenacher / Mark Doyle
Julián Álvarez
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Die Rojiblancos sind seit einigen Jahren von der großen internationalen Bildfläche verschwunden. Einige Mega-Transfers sollen das nun ändern.

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Anfang August wollte Atlético Madrid Stürmer Artem Dovbyk vom FC Girona loseisen - doch der Ukrainer präferierte die AS Roma. "Atlético ist ein großartiger Verein", sagte der Berater des Spielers, Oleksiy Lundovsky, im Interview mit Ukrfootball, "aber wir haben dort kein ernsthaftes Projekt für Artem gesehen."

Auch die Fans der Rojiblancos erkannten in den letzten Jahren wohl keinen Weg zurück zu den besonders erfolgreichen Zeiten von 2014 bis 2016, als Atlético einmal spanischer Meister wurde und zweimal das Champions-League-Finale erreichte.

Nach einer frustrierenden Saison 2023/24, die viel versprach, aber nicht allzu viel hielt, hatte man den Fans eine Revolution versprochen, eine aufregende Erneuerung des Kaders von Trainer Diego Simeone.

Doch bis Ende Juli hatte Atléti immer noch keinen einzigen Spieler verpflichtet. Mittlerweile hat sich das längst geändert - europaweit hat vielleicht kein anderes Team so vielversprechend und zielgerichtet auf dem Transfermarkt zugeschlagen wie die Madrilenen.

Innenverteidiger und Europameister Robin Le Normand und Stürmer Alexander Sörloth sind von Real Sociedad bzw. dem FC Villarreal gekommen. Später folgte der bisher teuerste Transfer des Sommers, Stürmer Julián Álvarez, von Manchester City. Nun wurde auch der Transfer von Mittelfeldspieler Conor Gallagher vom FC Chelsea durchgewunken - auf die Insel ging dafür João Félix.

Insgesamt blätterte der Tabellenvierte der Vorsaison bislang 183,5 Millionen Euro für neue Spieler hin. Dem stehen Einnahmen von 73,5 Millionen Euro gegenüber.

Wie hat Atlético es geschafft, solch große Namen für so viel Geld an Land zu ziehen?

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Drama beim BVB, ungewöhnlich viele Gegentore für ein Simeone-Team

Das Ausscheiden im Viertelfinale der Champions League traf Atlético in der vergangenen Saison schwer. Obwohl Gegner Borussia Dortmund die "Todesgruppe" überstanden hatte, galten die Madrilenen als großer Favorit in diesem Duell für einen Platz im Halbfinale. Zuvor hatten die Rojiblancos Inter Mailand im Achtelfinale ausgeschaltet, den späteren italienischen Meister.

Im Hinspiel spielte Atlético den BVB an die Wand, führte schon nach 32 Minuten mit 2:0 und hatte genug Chancen, um auf 4:0 zu stellen. Doch stattdessen kam Dortmund stark aus der Halbzeitpause und erzielte dank Sébastien Haller den 1:2 Anschluss.

Auswärts im Signal Iduna Park legte der BVB dann ein 4:2-Festival auf das Parkett und ein enttäuschendes Atlético musste die Segel streichen.

In diesem Sinne war das Viertelfinale eine Zusammenfassung der gesamten Saison der Rojiblancos: zu Hause beeindruckend, aber auswärts furchtbar. Im Angriff verschwenderisch und hinten anfällig. Eine Mannschaft, die für ihre starke Defensivarbeit bekannt war, kassierte in der vergangenen Saison 68 Gegentore - die höchste Anzahl in der 13-jährigen Amtszeit Simeones.

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So strich Atlético zuletzt viel Geld ein

Es gab jedoch auch einen Silberstreif am Rande eines ansonsten deprimierenden Abends in Dortmund. Das Ausscheiden des FC Barcelona in der Champions League am selben Abend gegen Paris Saint-Germain sicherte Atlético einen Platz bei der neuen Klub-WM im Sommer 2025. Allein durch die Teilnahme streicht der Verein 50 Millionen Euro ein.

Ein weiterer finanzieller Impuls kam im vergangenen Monat durch eine neue Aktienemission der Klubeigentümer, die zusätzliche 70 Millionen Euro in die Kassen spülte. Weitere Einnahmen wurden auf dem Transfermarkt generiert.

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Zahlreiche Abgänge: Rekordtransfer João Félix zu Chelsea

Atléticos Bossen gelang es frühzeitig, die Gehaltskosten um rund 50 Millionen Euro pro Jahr zu senken, indem sie die Verträge der altgedienten Vitolo, Gabriel Paulista, Memphis Depay, Mario Hermoso und Stefan Savic auslaufen ließen. Saúl Niguez wurde zudem an den FC Sevilla verliehen.

Verkauft wurden zudem Caglar Soyüncü an Fenerbahce Istanbul (8,5 Millionen Euro) und Álvaro Morata an die AC Mailand (13 Millionen Euro).

Am Mittwoch wurde man auch Sorgenkind João Félix los, der vor fünf Jahren für 127 Millionen Euro von Benfica Lissabon gekommen war: Der FC Chelsea verpflichtete ihn für 53 Millionen Euro.

Es lohnt sich auch, ein Auge auf Antoine Griezmann zu behalten. Der Franzose mag in der vergangenen Saison der beste Angreifer Atlétis gewesen sein, aber die ständigen Gerüchte über einen Wechsel zum MLS-Klub LAFC haben sich in den letzten Tagen noch verstärkt. Da der Vertrag des 33-Jährigen im nächsten Sommer ausläuft, könnte er durchaus verkauft werden.

Außerdem könnte der 20-jährige Stürmer Samu Omorodion auch noch gehen. Sein Wechsel zum FC Chelsea ist geplatzt, einige Bundesligisten wie der BVB, Leverkusen und Leipzig sollen interessiert sein.

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Álvaro Moratas Abgang ist zu verschmerzen

Natürlich zog Moratas Abgang die meiste Aufmerksamkeit auf sich, da er in der letzten Saison 21 Tore erzielt und Spanien als Kapitän gerade zum Sieg bei der EM 2024 geführt hatte. Die kalte, harte Wahrheit ist jedoch, dass Morata nicht vermisst werden wird.

Er war noch nie ein zuverlässiger Torjäger und spielte eine miese zweite Saisonhälfte mit zwei mickrigen Treffern. Bei der Niederlage in Dortmund nahm ihn Simeone sogar in der Halbzeitpause vom Platz, was sein rapide schwindendes Vertrauen in den Mittelstürmer deutlich machte.

Morata war in der vergangenen Saison zwar der zweitbeste Torschütze von Atléti, aber auch der am zweithöchsten bezahlte Spieler. Der Verkauf an Milan war also zweifellos die richtige Entscheidung. 13 Millionen Euro sind guter Preis für einen unbeständigen 31-jährigen Stürmer.

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Aufregende und punktuelle Neuverpflichtungen sorgen für Aufschwung

Das Geld, das durch den Verkauf Moratas und andere Spieler eingenommen wurde, ist auf dem Papier sinnvoll investiert worden. Stürmer Sörloth (32 Millionen Euro) hat eine gute Saison bei Villarreal hinter sich, in der er 23 Tore erzielte.

Sommer-Rekordtransfer Álvarez hat zweifellos das Potenzial, im Metropolitano zu explodieren. Der Argentinier dürfte nun erstmals in seiner Karriere bei einem Topklub zum Stammspieler werden und kostete 75 Millionen Euro plus bis zu 20 Millionen Euro an Boni.

Gallagher hat sich in diesem Sommer bei der EM 2024 nicht als die perfekte Lösung für Englands Mittelfeldprobleme erwiesen, aber scheint dafür ideal zu Simeone zu passen. Der 24-Jährige ist ein hart arbeitender Spieler, eine Pressingmaschine, die Chancen kreieren und nutzen kann. Und Europameister Robin Le Normand soll wieder für eine unüberwindbare Atlético-Abwehr wie in alten Zeiten sorgen.

Mit Spielern wie Koke, Rodrigo De Paul, dem wieder fitten Thomas Lemar, Samuel Lino, Marcos Llorente und Arthur Vermeeren, die alle noch im Kader sind (obwohl letzterer noch ausgeliehen werden könnte), wird es Simeone in dieser Saison nicht an Optionen im Mittelfeld mangeln.

So dürfte Atlético Madrids Stammelf in der Saison 2024/25 aussehen (3-4-2-1/3-5-2):

  • Oblak - Azpilicueta, Le Normand, Witsel/Giménez - Molina/Llorente, Koke, Gallagher/de Paul, Lino - Griezmann, Álvarez - Sörloth
Diego Simeone, Atletico Madrid
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Bei Atlético Madrid herrscht wieder Euphorie

Die Abwehr bleibt jedoch ein Problem. Robin Le Normand, der seine Klasse bei der Europameisterschaft unter Beweis gestellt hat, dürfte eine hervorragende Verstärkung sein - doch auch der Rest der Defensive muss sich steigern. Nach dem Abgang von vier Verteidigern im vergangenen Monat ist die Mannschaft hinten zudem etwas dünn besetzt. Gerade wenn Simeone mit einer Dreierkette spielt und José Maria Gimenez ausfällt, bleibt nur noch der 35-jährige Axel Witsel.

Im Großen und Ganzen sind die Fans aber gerade in heller Aufregung und Vorfreude. Die zuletzt ruhigen Transfersommer sind Geschichte, die Rede ist von Titelkampf.

Es hat vielleicht etwas länger gedauert, als die Fans erwartet haben, aber nun ist im Metropolitano wieder ein großes, aufregendes Projekt im Gange.

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