FC Barcelona unter Korruptionsverdacht: Darum gehts beim mutmaßlichen neuen Skandal

Von Patrik Eisenacher / Maximilian Lotz
FC Barcelona
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Der FC Barcelona wird von einem neuen Skandal erschüttert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Korruptionsverdachts.

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Im Fokus stehen dabei verdächtige Zahlungen Barças an José María Enríquez Negreira, den früheren Vizepräsidenten des Schiedsrichterausschusses. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu dem Fall.

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FC Barcelona: Skandal um dubiose Zahlungen - was ist passiert?

Am Mittwoch berichtete der spanische Radiosender Cadena SER davon, dass die Staatsanwaltschaft die Zahlung von insgesamt 1,4 Millionen Euro vom FC Barcelona an José María Enríquez Negreira untersucht. Das Geld soll demnach im Zeitraum von 2016 bis 2018 an das von Enríquez Negreira gegründete Unternehmen "Dasnil 95 SL" geflossen sein.

Das Pikante an der Sache: Enríquez Negreira fungierte in diesem Zeitraum als Vizepräsident des Schiedsrichterausschusses (CTA) in Spanien. Laut Cadena SER endeten die Zahlungen 2018 zu dem Zeitpunkt, als Enríquez Negreira seinen Posten beim CTA aufgab.

Spanische Medien berichteten, dass die Staatsanwaltschaft schon vor einigen Monaten wegen des Verdachts der "Korruption zwischen Privatpersonen" Ermittlungen aufgenommen hat. Dies deckt sich mit einem entsprechenden Bericht der dpa.

Zuletzt wurden weitere Vorwürfe publik. Laut El Mundo soll der FC Barcelona bereits seit 2001 Geld an Enríquez Negreira, der von 1994 bis 2018 Vizepräsident des CTA war, überwiesen haben. Die Rede ist von insgesamt rund 6,7 Millionen Euro. Die Zahlungen begannen demnach unter dem früheren Barça-Präsidenten Joan Gaspart und wurden später auch während der ersten Amtszeit des aktuellen Präsidenten Joan Laporta sowie dessen zwischenzeitlichen Nachfolgern Sandro Rosell und Josep Maria Bartomeu fortgesetzt.

Josep Bartomeu
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FC Barcelona: Skandal um dubiose Zahlungen - wurde Barça erpresst?

El Mundo berichtete zudem, dass sich Enríquez Negreira gegen die Einstellung der Zahlungen im Jahr 2018 gewehrt haben soll. Das geht aus einem seitens der Zeitung veröffentlichten Burofax - einer Art Einschreiben - an den FC Barcelona im Februar 2019 hervor.

Er hege keine Abneigung gegen irgendeinen Vertreter des Klubs und er habe auch nicht die Absicht, all die Unregelmäßigkeiten, die er aus erster Hand erfahren und erlebt habe, öffentlich zu machen, zitierte El Mundo Enríquez Negreira, der dem damaligen Barça-Präsidenten Bartomeu ferner drohte: "Aber Sie würden mich dazu zwingen, wenn Sie Ihren Entschluss nicht überdenken und die Vereinbarung, bis zum Ende Ihres Mandats weiter auf meine Dienste zurückzugreifen, erfüllen. Ich glaube nicht, dass ein weiterer Skandal dem Verein guttun wird."

Joan Laporta
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FC Barcelona: Skandal um dubiose Zahlungen - wofür wurde das Geld verwendet?

Nahm der FC Barcelona durch die Zahlungen etwa Einfluss auf Schiedsrichteransetzungen oder -leistungen?

Enríquez Negreira selbst hat laut Medienberichten den Ermittlern mitgeteilt, dass er Barça nie in einer Frage rund um das Schiedsrichterwesen bevorteilt habe. Vielmehr sei er als Berater für den Klub tätig gewesen, er habe dem Verein Ratschläge in mehreren Bereichen gegeben. Unter anderem, wie sich Spieler gegenüber Unparteiischen verhalten sollten.

In seiner Funktion als CTA-Vizepräsident entschied Enríquez Negreira zudem nie selbst über die konkreten Schiedsrichteransetzungen. Dennoch hatte er Einfluss auf Auf- und Abstiege von Schiedsrichtern, wodurch festgelegt wird, in welchen Ligen die Unparteiischen pfeifen.

Xavi
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FC Barcelona: Skandal um dubiose Zahlungen - wie reagiert Barça auf die Vorwürfe?

Der FC Barcelona reagierte am Mittwoch mit einem Statement auf die Vorwürfe und witterte dabei eine gezielte Kampagne gegen den Klub. "Der FC Barcelona bedauert, dass diese Information ausgerechnet zu einem Zeitpunkt veröffentlicht wird, an dem die Mannschaft ihre beste Form der Saison erreicht hat", hieß es seitens der Katalanen.

Man werde "rechtliche Schritte gegen diejenigen einleiten, die versuchen, das Image des Klubs durch mögliche Anschuldigungen, die durch die Veröffentlichung solcher Informationen verursacht werden, zu beschädigen."

Zur Verwendung der geflossenen Gelder hieß es weiter, dass man von einem externen Berater (ebenjener Firma von Enríquez Negreira) Video-Daten über Jugendspieler anderer spanischer Klubs erhalten habe.

Zudem wurde man von der besagten Firma "Dasnil 95 SL" mit Berichten über professionelle Schiedsrichter im Land versorgt. "Dies ist eine gängige Praxis unter professionellen Fußballklubs", schreibt Barcelona. Mittlerweile sei für die entsprechenden ausgelagerten Dienstleistungen "ein Fachmann, der für die Fußballabteilung arbeitet", zuständig.

Auch die Verantwortlichen meldeten sich zu Wort. Trainer Xavi sagte: "Wir analysieren intern immer die Schiedsrichter, die uns zugelost werden. Das machen wir, klar, aber das machen wir schon seit vielen Jahren, das ist keine neue Nachricht."

Und der frühere Präsident Bartomeu widersprach dem Vorwurf der Korruption: "Es ist falsch und absurd zu denken, dass wir Schiedsrichter bezahlt hätten." Falls die Zahlungen bereits 2001 begonnen hätten, wären sie in die Amtszeit von Joan Gaspart gefallen - dieser habe jedoch "keine Kenntnis" davon gehabt.

Zur AS sagte Bartomeu, Barcelonas Präsident zwischen 2014 und 2020, dass der Verein die Dienste für zu teuer befunden habe und sie deshalb gestoppt habe. Enríquez Negreira habe er nie persönlich gesehen. Den Erhalt eines drohenden Burofaxes bestätigte er und sagte: "Er rief mich an und sagte, dass wir mit dem Geld seiner Familie spielen würden."

Über die Tätigkeiten von Enríquez Negreira sagte Bartomeu zudem: "Es scheint, als hätten wir als Gegenleistung mehr Elfmeter gefordert oder andere Schiedsrichterentscheidungen zu unseren Gunsten beeinflussen wollen, aber das ist nicht der Fall. Dieser Mann hatte keinerlei Macht unter den Schiedsrichtern."

Javier Tebas
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FC Barcelona: Skandal um dubiose Zahlungen - welche Konsequenzen drohen Barça?

Falls es sich tatsächlich um Korruption handelt, der Verein also dem Vizepräsidenten der spanischen Schiris das Geld gegeben haben sollte, um sich konkrete Vorteile bei Ansetzungen oder Entscheidungen zu verschaffen, kann das normalerweise harte Strafen für den Verein zur Folge haben.

Vergleichbar wäre dann beispielsweise der Fall von Juventus Turin aus dem Jahr 2006, als die Gazzetta dello Sport Telefon-Protokolle von Juve-Manager Luciana Moggi veröffentlichte, in denen er versuchte, Einfluss auf Schiedsrichteransetzungen und -entscheidungen zu nehmen - was ihm letztlich gelang. Juventus wurde deshalb zum Zwangsabstieg in die Serie B verurteilt.

Droht Barça eine ähnliche drastische Strafe? La-Liga-Präsident Javier Tebas sagte am Donnerstag, dass der Verein keine sportlichen Sanktionen fürchten müsse, weil die Vorwürfe länger als drei Jahre zurückliegen und damit verjährt sind. Eine Bestrafung nach dem spanischen Gesetz ist deshalb nicht möglich.

Ex-Präsident Bartomeu nannte Vergleiche mit Juventus 2006 zudem "pervers", "Barcelona ist rein von all dem und sehr ruhig. Das ist eine Tätigkeit, die jeder Klub macht."

Doch ob Barcelona wirklich ungeschoren davonkommt oder dem Klub womöglich eine Sanktion in Form eine Geldstrafe droht, bleibt abzuwarten. Der Spanische Fußball-Verband RFEF reagierte jedenfalls bestürzt auf diese "ethisch fragwürdigen Verhaltensweisen, (...) die zu Interessenskonflikten führen können" und bot der Staatsanwaltschaft Hilfe bei der Aufklärung an.

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