Juventus Turin - Paul Pogbas langer Weg zum Comeback: Verletzungen, Erpressung und ein gespaltenes Fan-Lager

Von Mark Doyle
Paul Pogba, Juventus,
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Von Manchester United wechselte er zu Juventus Turin, fiel bisher jedoch nur mit Schlagzeilen auf. Nun bahnt sich die Rückkehr von Paul Pogba an.

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Paul Pogba ist zurück ... zumindest vorerst. Der französische Nationalspieler ist Teil des Kaders von Juventus für das Derby gegen Torino am Dienstag in der Serie A - allerdings ist das noch kein Grund zur Euphorie. Die Bianconeri wurden schließlich schon mindestens einmal im negativen Sinne überrascht.

Tatsächlich entwickelte sich Pogbas Rückkehr nach Turin bisher zu einer einzigen Enttäuschung, die von einem verletzungsbedingten Rückschlag nach dem anderen geprägt war.

Da der Mittelfeldspieler nun mit Verspätung sein zweites Debüt für die Bianconeri feiern könnte, nimmt SPOX den einstigen Top-Transfer unter die Lupe.

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Paul Pogba und die Verletzungssorgen

"Paul ist zurück in Turin. Er ging als Junge und kehrt als Mann und Champion zurück, aber eines hat sich nicht geändert - der Wunsch, noch einmal gemeinsam unvergessliche Kapitel der Vereinsgeschichte zu schreiben. Pogba ist zurück und wir könnten nicht glücklicher sein."

Dieses offizielle Statement, in dem Pogbas Rückkehr zu Juventus im letzten Sommer bestätigt wurde, sorgte für viel Euphorie rund um den italienischen Rekordmeister.

Und das war bis zu einem gewissen Grad auch verständlich. Juves Verantwortliche hatten nichts für die Rückholaktion eines Spielers gezahlt, den sie 2016 für den damaligen Rekord von 105 Millionen Euro Ablöse an Manchester United verkauft hatten.

Außerdem ist Pogba erst 29 Jahre alt. Die Bianconeri hoffen also nicht zu Unrecht, dass Pogba, der während seiner ersten Zeit in Turin den besten Fußball seiner Vereinskarriere gespielt hat, noch weitere herausragende Spielzeiten erleben wird.

Allerdings gab auch es zwei große Zweifel an dem Transfer. Erstens kam Pogba nicht in eine Juve-Mannschaft, die auch nur annähernd das gleiche Niveau hatte wie jene, die er verlassen hatte. Keine gute Ausgangslage, denn Kritiker werfen Pogba oft vor, nur mit Weltklassespielern um sich herum glänzen zu können.

Zweitens, und das ist deutlich wichtiger, war Pogbas Verletzungshistorie bei Manchester United durchaus besorgniserregend.

In den letzten drei Spielzeiten bei den Red Devils hatte er acht verschiedene Verletzungen, musste in zahlreichen Partien aussetzen. Seinen letzten Auftritt für United hatte er im April letzten Jahres, als er bei der 0:4-Niederlage gegen Liverpool vom Platz humpelte.

Es gab also ein berechtigtes Fragezeichen hinter Pogbas Fitnessstand, und es dauerte nicht lange, bis diese Thematik erneut aufflammte.

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Paul Pogba: Eine äußerst umstrittene Entscheidung

Pogba kehrte am 11. Juli offiziell zu Juve zurück. Weniger als zwei Wochen später verletzte er sich im Training vor einem Saisonvorbereitungsspiel gegen den FC Barcelona in Dallas.

"Nachdem er über Schmerzen im rechten Knie geklagt hatte, unterzog sich Paul Pogba einer Röntgenuntersuchung, die eine Verletzung des Außenmeniskus ergab", erklärte der Verein.

So kam es, dass er an keinem der beiden verbliebenen Freundschaftsspiele Juves in den Vereinigten Staaten teilnahm. 45 Minuten gegen Chivas de Guadalajara waren sein Arbeitsnachweis auf jener Reise.

Stattdessen kehrte er am 23. Juli zu einer weiteren Untersuchung nach Italien zurück, bevor er am 1. August nach Lyon flog, um einen Kniespezialisten aufzusuchen. Am folgenden Tag traf er eine sehr umstrittene Entscheidung gegen eine Operation und für eine "konservative" Therapie.

Allegris öffentliche Reaktion auf die von Pogba bevorzugte Vorgehensweise war bezeichnend. "Was ich denke? Ich denke nicht! Ich habe mich auf das verlassen, was gesagt wurde und auf die Entscheidung, die getroffen wurde. Ich bin kein Arzt", sagte er damals.

"Es wurde eine konservative Therapie beschlossen, in fünf bis sechs Wochen wird er wieder auf dem Platz stehen können. Man muss Vertrauen haben. Das war die Entscheidung, dann werden wir sehen, ob sie richtig oder falsch war", führte Allegri aus.

Pogbas Gedankengang war klar: Er wollte bei der Weltmeisterschaft spielen und seine Teilnahme an der WM in Katar nicht durch eine Operation gefährden.

Es sollte sich jedoch als eine enorme Fehleinschätzung entpuppen. Im Endeffekt war es ein Glücksspiel, das nach hinten losging ...

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Paul Pogba: Sein Bruder und der Versuch der Erpressung

Ein Monat dieser "konservativen" Therapie brachte nicht den gewünschten Erfolg, und am 3. September musste sich Pogba verspätet einer Operation am Knie unterziehen.

"Die Operation ist sehr gut verlaufen, ich werde mich erholen und sehr, sehr schnell zurückkommen", versprach er in einem Social-Media-Post. "Ich möchte euch allen für eure Nachrichten und eure Unterstützung danken.". Mental gehe es ihm "gut, trotz all der Sorgen, der Verletzung und der anderen Probleme."

Diese erwähnten "anderen Probleme" waren keine Kleinigkeit. In der Tat ist es wichtig zu wissen, dass Pogbas Verletzungsprobleme vor dem Hintergrund eines verheerenden Familiendramas stattfanden.

Am 28. August stellte Pogbas Bruder Mathias ein Video online, das brisante Enthüllungen über den Mittelfeldspieler und seine Agentin Rafaela Pimenta versprach.

"Die französische, italienische, englische und spanische Öffentlichkeit verdienen es, bestimmte Dinge zu erfahren", sagte Mathias Pogba. "Im Grunde genommen muss die ganze Welt, einschließlich der Fans meines Bruders, Frankreichs, Juventus' und seiner Sponsoren die Informationen erhalten und eine fundierte Entscheidung darüber treffen, ob er den Respekt und die Liebe der Fans verdient. Ob er es verdient, für Juventus zu spielen und einen Platz im französischen WM-Kader zu bekommen", führte er aus.

"Ich möchte die Augen über die sogenannte mächtigste Frau im Fußball (Pimenta) öffnen, die mein Bruder seine zweite Mutter nennt. Ich denke, dass das, was ich sagen werde, viele Menschen betreffen wird. Ich werde wichtige Dinge über Kylian Mbappé sagen. Viele Beweise und Zeugen bestätigen, was ich sagen werde. Es könnte explosiv sein."

Der Juve-Star soll bei seiner Anhörung gegenüber Ermittlern angegeben haben, dass die Erpresser unter anderem behaupten würden, dass er einen Marabou, eine Art Hexer, auf Mbappé angesetzt habe. Mathias Pogba erklärte auf Twitter: "Kylian, verstehst du jetzt? Ich habe nichts gegen dich, meine Aussagen sind zu deinem Besten. Alles ist wahr und bewiesen, der Marabou ist bekannt! Es ist nie gut, einen Heuchler und Verräter in der Nähe zu haben."

Pogba hatte der französischen Polizei bereits mitgeteilt, dass er am 19. März letzten Jahres in Paris von zwei mit Sturmgewehren bewaffneten und vermummten Männern bedroht worden war. Ihm sei sein Mobiltelefon abgenommen worden war und er habe 13 Millionen Euro an "Schutzgebühren" zahlen sollen. Pogba hatte sich auch an die italienischen Behörden gewandt, nachdem er in Turin weiteren Drohungen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt gewesen war.

Vier Personen, darunter Mathias Pogba, wurden schließlich am 14. September verhaftet, doch der ehemalige Stürmer wurde am 23. Dezember aus dem Gefängnis entlassen.

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Nächste Verletzung: Paul Pogba verpasst die WM

Nachdem Pogba endlich operiert wurde, rechnete man mit einer Ausfallzeit von acht Wochen.

Doch kurz nachdem er wieder auf dem Platz stand, litt Pogba Mitte Oktober an einem Oberschenkelproblem knapp oberhalb seines geschwächten rechten Knies. Erhebliche Zweifel an seiner Teilnahme an der Weltmeisterschaft waren die Folge.

Die schlechte Nachricht wurde schließlich am 31. Oktober von Pogbas Beraterin Pimenta bestätigt: "Nach den gestrigen und heutigen medizinischen Untersuchungen in Turin und Pittsburgh ist es äußerst schmerzhaft, Paul mitzuteilen, dass er noch eine gewisse Zeit zur Genesung von seiner Operation benötigen wird."

"Aus diesem Grund wird Paul vor der WM-Pause weder zur Juventus-Mannschaft noch zur französischen Nationalelf in Katar stoßen können", ergänzte sie.

"Wenn Wunschdenken die Dinge ändern würde, würde Paul morgen spielen. Aber was die Dinge verändert, sind harte Arbeit, Belastbarkeit und Disziplin, und das sind die einzigen Dinge, die Paul in diesen schwierigen Zeiten im Kopf hat", machte sie zudem deutlich: "Paul wird weiter arbeiten und sein Bestes geben, um so schnell wie möglich wieder für die Fans und sein Team auf dem Platz zu stehen."

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Paul Pogba: Der nächste Rückschlag

Während der Weltmeisterschaft verbrachte Pogba einige Zeit in Mailand, wo er eng mit einem Vereinsphysio zusammenarbeitete und im Rahmen eines individuellen Reha-Programms viel im Schwimmbad und im Fitnessstudio trainierte.

Auf die Frage vor Weihnachten, ob Pogba im ersten Pflichtspiel nach der Länderspielpause gegen Cremonese dabei sein könnte, gab Allegri zu, dass er noch nicht wisse, wann der Franzose wieder einsatzfähig sein werde.

Pogba kehrte schließlich am 10. Januar ins Team zurück und erzielte zwei Treffer in einem Freundschaftsspiel gegen die eigene Reserve.

Am 28. Januar teilte Allegri während einer Pressekonferenz mit, dass Pogba endlich wieder zur Verfügung stehe, und nahm den Weltmeister in seinen Kader für das Serie-A-Spiel gegen Monza am folgenden Tag auf.

Pogba verbrachte jedoch das gesamte Spiel auf der Bank, und es gab sofort Berichte, dass er beim Aufwärmen einen weiteren Rückschlag erlitten habe (ein Beugerproblem).

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Paul Pogba: Ist der Geduldsfaden gerissen?

Oberflächlich betrachtet, stärkte Allegri Pogba stets den Rücken. "Es dauert eine Weile, bis man wieder in Form ist", sagte der Chefcoach der Bianconeri am 2. Februar. "Pogba braucht Zeit. Niemand kann Wunder vollbringen. Sein Körper muss sich anpassen. Wir müssen ihn klug einsetzen. Im richtigen Moment, wenn er fit ist", erklärte der Italiener.

Allegri war jedoch sichtlich genervt von all den Fragen und ständigen Spekulationen um Pogbas Fitnessstand.

In der italienischen Presse wurde außerdem behauptet, dass der frühere Vorstand von Juve - der im darauffolgenden Monat wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten zurücktrat - bereits im Oktober versucht hatte, einige der in Pogbas Vertrag vereinbarten Boni aufgrund seiner anhaltenden Verletzungsprobleme zu streichen.

Einige Fans waren auch von Pogbas Aktivitäten während seiner Zwangspause frustriert. Es herrschte der Eindruck, dass er mehr hätte tun können, um auf den Platz zurückzukehren, insbesondere nachdem er am 27. Dezember ein Bild von sich auf einer Skipiste gepostet hatte.

Nachdem er in Monza nicht auf der Bank saß, tauchte in der italienischen Presse die Meldung auf, Pogba habe dem Verein versichert, er würde auch dann nicht gehen, wenn man sich nicht für die Champions League qualifizieren würde.

Es wirkte wie ein Versuch, die Fans wieder auf seine Seite zu ziehen und was vielleicht noch wichtiger ist, Juves Bosse davon zu überzeugen, dass sie immer noch auf ihn zählen können.

Doch wie Bianconeri-Legende Gigi Buffon schon vor vielen Jahren zu Pogba sagte, ist das Einzige, was zählt, das, was auf dem Fußballplatz passiert. Das Einzige, was diesen Verein interessiert, ist der sportliche Erfolg, und Juve wird nur dann an Pogba glauben, wenn er beweist, dass er ihnen dabei helfen kann.

Es handelt sich also um den wohl wichtigsten Saisonabschluss in Pogbas Karriere. Nachdem er für das Spiel am Dienstag gegen Turin in den Kader berufen wurde, muss er nun bis zum Ende der Saison 2022/23 beweisen, dass er nicht nur fit ist, sondern auch immer noch der Spieler sein kann, der die Juve-Fans einst Woche für Woche begeisterte.

Das ist wirklich Pogbas einziger Ausweg aus dem bisherigen Albtraum ...

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