Verletzungen von überspieltem Gavi und Vinícius Júnior: Spielpläne der UEFA und FIFA fordern ihren Tribut - die Kritik wird lauter

Von Mark Doyle und Patrik Eisenacher
Vinicius Jr.
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Die Stars müssen zu immer mehr Spielen antreten. Eine Folge davon waren unter anderem die schweren Verletzungen von Gavi und Vinícius Júnior in der Länderspielpause.

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Jürgen Klopp ist sich bewusst, dass ihm nachgesagt wird, dass er zu oft jammert - vor allem, wenn es um den Spielplan geht. Eigentlich hätte er über den wichtigen Sieg gegen Brentford am 11. November sprechen sollen, doch Klopp sah sich gezwungen, zu erwähnen, dass Liverpools erstes Spiel nach der Länderspielpause ein Spitzenspiel in der Premier League gegen Manchester City im Etihad-Stadion sein wird.

"Wie kann man ein solches Spiel auf einen Samstag um 12.30 Uhr (13.30 Uhr deutscher Zeit) legen?", fragte der frühere Dortmunder Coach. "Ganz ehrlich, die Leute, die diese Entscheidungen treffen, haben kein Gefühl für Fußball. Es ist einfach nicht möglich ... Diese beiden Mannschaften haben zusammen vielleicht 30 Nationalspieler. Und sie kommen übrigens alle im selben Flugzeug zurück, die Südamerikaner werden alle im selben Flugzeug zurückfliegen. Wir holen sie aus Uruguay, Brasilien, Argentinien, Kolumbien in einem Flugzeug ab. Es ist wirklich verrückt."

Ob man Klopp nun mag oder nicht, er hat Recht: Die Entscheidungsträger im Fußball haben kein Gefühl für den Sport. Für sie geht es nicht um Emotionen, sondern um Geld. Das Wohlergehen der Spieler ist völlig irrelevant.

Wenn die Spieler müde sind, leidet das Produkt. Aber es ist schon seit langem klar, dass die Fußballverbände und die Fernsehsender mehr an der Quantität als an der Qualität der Spiele interessiert sind. Mehr Partien bedeuten mehr Einnahmen - so einfach ist das.

courtois
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Thibaut Courtois: "Es geht nur ums Geld"

Torhüter Thibaut Courtois von Real Madrid wurde 2020 nach dem verlorenen Spiel um Platz drei in der Nations League gegen Italien (1:2) wütend. Seine Mannschaftskollegen Eden Hazard und Romelu Lukaku mussten aufgrund von Muskelverletzungen vom Spielfeldrand zuschauen.

"In diesem Spiel geht es nur ums Geld, wir müssen ehrlich sein", sagte der sichtlich genervte Torhüter den Reportern. "Wir spielen die Nations League nur, weil es der UEFA zusätzliches Geld einbringt. Schauen Sie sich an, wie drastisch beide Mannschaften ihre Startformationen geändert haben. Wenn beide Mannschaften im Finale gestanden hätten, hätten ganz andere Spieler gespielt."

Der Belgier kritisierte auch die Pläne der FIFA. "Nächstes Jahr haben wir eine WM im November, wir müssen vielleicht wieder bis Ende Juni spielen. Drei Wochen Urlaub reichen nicht aus, damit die Spieler zwölf Monate lang auf höchstem Niveau weiterspielen können. Wir werden uns verletzen."

Leider hatte er damit völlig recht: Weniger als ein Jahr nach seiner WM-Teilnahme in Katar musste er eine Trainingeinheit von Real Madrid weinend abbrechen, weil er sich das Kreuzband gerissen hatte.

Vinicius Jr.
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Studien: Mehr Verletzungen und Erschöpfung nach der WM 2022

Die irrwitzige Entscheidung, die WM 2022 mitten in die Saison zu legen, forderte einen hohen Tribut von den Spitzenspielern. Wie der Howden 2022/23 Men's European Football Injury Index zeigte, brauchten die Spieler aus den Top-5-Ligen, die in Katar dabei waren, im Durchschnitt acht Tage länger, um sich nach dem Turnier von Verletzungen zu erholen, als zuvor - und das lag vor allem an einer massiven Zunahme schwerer Verletzungen am Knöchel (170 Prozent), an Wade/Schienbein (200 Prozent) und Kniesehnen (130 Prozent).

Die FIFPRO, die Organisation, die Profispieler vertritt, war nicht im Geringsten überrascht. Sie hatte bereits vor Beginn der Weltmeisterschaft darauf hingewiesen, dass den Mannschaften vor den letzten sieben Turnieren durchschnittlich 31 Tage Vorbereitungszeit und 37 Tage Erholungszeit nach den Turnieren gewährt worden waren. Vor Katar hatten die meisten Spieler jedoch nur sieben Tage Ruhe und nur acht Tage, bis es im Verein weiterging.

Die FIFPRO hat daraufhin festgestellt, dass 44 Prozent der Spieler, die an der Weltmeisterschaft teilgenommen haben, im Januar körperlich erschöpfter waren und 23 Prozent geistig müder als sonst.

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Raphael Varane: "Habe das Gefühl, erdrückt zu werden"

Frankreichs Verteidiger Raphael Varane beschloss im Februar sogar, nicht mehr für Frankreich aufzulaufen, obwohl er erst 29 Jahre alt ist. "Wir haben einen überfüllten Terminkalender und spielen ununterbrochen", sagte er. "Im Moment habe ich das Gefühl, erdrückt zu werden."

Es überrascht daher nicht, dass sich Varane über die Entscheidung der Premier League empört zeigte, die bei der Weltmeisterschaft angewandte strenge Berechnung der Nachspielzeit umzusetzen, durch die die durchschnittliche Zahl der Extra-Minuten von 7,3 auf 11,6 anstieg.

"Wir Trainer und Spieler teilen seit vielen Jahren unsere Bedenken mit, dass es zu viele Spiele gibt, der Spielplan überfüllt ist und das physische und psychische Wohlbefinden der Spieler gefährdet ist", schrieb Varane in den sozialen Medien. "Trotz unseres früheren Feedbacks haben sie nun für die nächste Saison empfohlen: längere Spiele, mehr Intensität und weniger Emotionen, die die Spieler zeigen sollen. Wir wollen einfach nur in guter Verfassung auf dem Platz stehen, um 100 Prozent für unseren Verein und die Fans zu geben. Warum wird unsere Meinung nicht gehört?"

Zvonomir Boban
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UEFA-Mitglied widerspricht FIFA bei verlängerter Nachspielzeit

Die UEFA unterstreicht immer, dass sie zuhören würde. Der europäische Dachverband hat im Januar 2023 nicht nur die Fußballfans offiziell als zentrale Akteure des Spiels anerkannt, sondern sich auch gegen eine Verlängerung der Nachspielzeit geäußert.

Der UEFA-Fußballchef, der ehemalige kroatische Nationalspieler Zvonomir Boban, sagte im August in Monaco: "Ich kann aus meiner Erfahrung sprechen, besonders als Mittelfeldspieler - wenn man müde wird, dann in den letzten 30 Minuten des Spiels. Und jetzt kommt jemand und legt noch 15 Minuten drauf! Wie oft haben wir schon kritisch über den Spielplan und zu viele Spiele gesprochen? Wir hören nicht auf die Spieler und Trainer ... Es ist verrückt. Es ist zu viel, also werden wir das nicht umsetzen. Unsere Richtlinien sind andere."

Der Chef der Professional Footballers' Association (PFA) in England, Maheta Molango, sagte, Bobans Äußerungen zeigten, dass das ehemalige Milan-Ass das Problem "verstanden" habe.

Aleksander Ceferin
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Die UEFA kreiert ihre eigene Super League, die FIFA erweitert Klub- und Nationen-WM

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die UEFA bereits beschlossen hat, die Champions League, ihr Flaggschiff und ihren größten Geldbringer, zu erweitern. Ab der nächsten Saison wird es vier zusätzliche Mannschaften geben (von 32 auf 36 Teams), zwei zusätzliche Spieltage in der Gruppenphase und eine zusätzliche Play-off-Runde vor dem Achtelfinale - all das bedeutet eine Erhöhung um 64 Spiele (von 125 auf 189).

Die damit verbundene Ironie ist niemandem entgangen, am wenigsten den Spielern. "Die UEFA war gegen die Super League, aber sie macht das Gleiche - zusätzliche Spiele", so Courtois. "Es ist immer das Gleiche. Sie können sich darüber aufregen, dass andere Teams eine Super League wollen, aber die Spieler sind ihnen egal, sie interessieren sich nur für ihre Taschen."

Aus diesem Grund hat die UEFA auch beschlossen, die Europameisterschaft völlig zu ruinieren, indem sie die Teilnehmerzahl von 16 auf 24 Mannschaften erhöht hat - was zu einer Verschlechterung der Qualität geführt hat und dass drittplatzierte Mannschaften in die K.-o.-Runde einziehen können.

Die FIFA ist in dieser Hinsicht offensichtlich nicht anders, denn sie hat beschlossen, die Klub-WM 2025 zu erweitern, ohne sich mit der FIFPRO abzusprechen. Arsene Wengers Plan für eine alle zwei Jahre stattfindende Weltmeisterschaft wurde zum Glück (zumindest vorerst) ad acta gelegt, aber 2026 wird es ein lächerlich großes Turnier mit 48 Mannschaften geben - damit wird die WM so groß, dass sie nicht mehr von einem einzigen Land ausgerichtet werden kann - es sei denn, es ist Saudi-Arabien ...

Sogar FIFA-Präsident Gianni Infantino hat zugegeben, dass man sich etwas einfallen lassen muss, um in der WM-Gruppenphase für Spannung zu sorgen. Denn der ursprüngliche Plan mit Dreier-Gruppen hätte viel mehr Langeweile bedeutet - und es wäre nicht annähernd so dramatisch in der Gruppenphase geworden, wie bei der WM in Katar, als noch 32 Teams antraten.

Gavi
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"Die Topspieler werden sich immer wieder verletzen"

Es ist klar, dass die Fußballverbände bei diesen massiven Formatänderungen nur die wirtschaftlichen Vorteile im Auge haben - und sich überhaupt nicht um die sportlichen Folgen kümmern. Es wird nicht lange dauern, bis wir eine weitere "Winter"-Weltmeisterschaft haben werden - oder eine Super League, die sich als Champions League tarnt. Denn die Verbandsbosse haben wirklich kein Gefühl für den Fußball. Sie wollen das Spiel - und seine Spieler - nur ausnutzen.

Aber sie sind jetzt an einer Grenze angelangt. Von jungen Toptalenten wird verlangt, dass sie mehr Minuten spielen als je zuvor. Ist es da ein Wunder, dass Gavi unter der Last zusammenbricht? Oder dass Vinícius Júnior erneut ausfällt? Oder dass eine Studie diese Woche davor warnte, dass Jude Bellingham innerhalb von drei Jahren ausbrennen könnte?

Courtois hat das alles natürlich vorhergesagt. "Drei Wochen Urlaub reichen nicht aus, damit ein Spieler zwölf Monate lang auf höchstem Niveau spielen kann", warnte er vor gut zwei Jahren. "Am Ende werden Spitzenspieler immer wieder verletzt sein." Und das, während diejenigen, die an der Fußball-Macht sind, immer reicher werden.

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