Chaos-Bayern und der "Messi-Effekt": Die Gewinner und Verlierer des geschichtsträchtigen Transfersommers 2023

Von Mark Doyle / Christian Guinin
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Das Transferfenster ist seit Freitagabend geschlossen - zumindest in Europa. Doch wer geht als Sieger hervor und wer muss sich fragen muss, wie es so schief gehen konnte?

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Was war das für ein Sommer! Ein solches Transferfenster haben wir wohl noch nie gesehen. Schon im vergangenen Jahr haben wir Ausgaben in historischem Ausmaß gesehen, aber dieses Mal war es nicht nur Chelsea, das sich auf eine atemberaubende Einkaufstour begab. Auch die saudische Profiliga schockierte die gesamte Fußballwelt mit ihrer Bereitschaft, für hochkarätige Spieler viel Geld zu bezahlen.

Das Ergebnis war, dass Spieler von sehr unterschiedlicher Qualität für horrende Summen den Verein wechselten und bei ihren Klubs nun irrsinnige Gehälter kassieren Wie das Ganze ausgeht, wissen wir noch nicht. Aber schon jetzt ist klar, dass das Sommerfenster für einige Spieler und Vereine viel besser lief als für andere.

Im Folgenden fasst SPOX alle Gewinner und Verlierer dieser verrückten Monate zusammen, die in Europa - und natürlich im Nahen Osten - mehrere Transferrekorde aufgestellt haben.

Neymar
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Gewinner: Saudi-Arabien

Als Cristiano Ronaldo behauptete, dass sich ihm in Saudi-Arabien bald viele andere hochkarätige Spieler anschließen würden, gab es viele Skeptiker. Doch die Prophezeiung des Portugiesen hat sich auf verblüffende Weise erfüllt.

Der Versuch der Saudis, Mohamed Salah zu verpflichten, scheint zwar zu scheitern, da das Transferfenster in England bereits geschlossen ist und Liverpool keine Zeit mehr hätte, einen Ersatz zu verpflichten. Mit Karim Benzema, N'Golo Kante und Neymar sind jedoch nur drei der zahlreichen weltberühmten Superstars namentlich genannt, die Ronaldo in den Nahen Osten gefolgt sind und der saudischen Profiliga ein Medieninteresse bescheren, welches selbst nach der Unterschrift des fünffachen Ballon d'Or-Gewinners bei Al-Nassr im Januar undenkbar gewesen wäre.

Wirklich interessant ist jedoch, dass der Öffentliche Investitionsfonds (PIF), der die Kontrolle über die vier größten Klubs des Landes übernommen hat, nicht nur alternde Superstars davon überzeugt hat, Europa für den vielleicht letzten großen Vetrag der Karriere. Auch Spieler wie Ruben Neves, Sergej Milinkovic-Savic und, am beeindruckendsten von allen, Gabri Veiga wurden in die Wüste gelockt. Spieler, die entweder noch auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit sind oder ihre besten Jahre noch vor sich haben.

Allein aus diesem Grund erscheint dies viel bedeutender - und vor allem nachhaltiger - als der Boom der chinesischen Super League in den Jahren 2016 und 2017. Dieses unglaublich ehrgeizige Projekt genießt die volle Unterstützung der Regierung und kann auf eine unerschöpfliche Quelle von Ölgeldern zurückgreifen, was bedeutet, dass die saudi-arabische Liga, wie Pep Guardiola betont hat, eine sehr glaubwürdige Bedrohung für die Dominanz des europäischen Fußballs auf dem Transfermarkt darstellt.

In der Tat haben lediglich die Vereine der Premier League in diesem Sommer mehr Geld ausgegeben. UEFA-Präsident Aleksander Ceferin sagt, er sei nicht besorgt, während Toni Kroos Veigas Entscheidung, sich Al-Ahli anstelle von Napoli anzuschließen, als "peinlich" bezeichnete - aber es besteht die sehr wahrscheinliche Möglichkeit, dass noch mehr aufregende junge Talente in die Fußstapfen des Spaniers treten werden.

Saudi-Arabien hat den Golfsport bereits übernommen. Wenn man bedenkt, dass es sich mit Newcastle bereits in die Premier League eingekauft und in diesem Sommer den gesamten Transfermarkt auf den Kopf gestellt hat, sollte man nicht überrascht sein, wenn der Fußball als nächstes an der Reihe ist.

Jordan Henderson
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Verlierer: Die Moral von Jordan Henderson

Jordan Henderson ist im Grunde ein guter Kerl. Das hat er mit seiner Wohltätigkeitsarbeit während der Pandemie bewiesen. Deshalb sollte man ihn auch nicht zum Aushängeschild für alle Missstände im modernen Fußball machen. Schließlich ist er kein mächtiger Regelsetzer oder einflussreicher Vereinspräsident. Er ist auch nicht der einzige Spieler, der sich dazu entschlossen hat, absurde Summen anzunehmen, um in Saudi-Arabien Fußball zu spielen. Viele von uns hätten an seiner Stelle dasselbe getan - als 33-jähriger Mittelfeldspieler, der nicht mehr regelmäßig in der ersten Mannschaft des FC Liverpool spielt.

Das Problem für Henderson ist jedoch, dass er derjenige ist, der im Moment wie ein Heuchler dasteht. Niemand war auch nur im Geringsten überrascht, als Ronaldo oder Benzema wegen des Geldes in den Nahen Osten wechselten. Hendersons Wechsel hat jedoch viele seiner Anhänger verblüfft, vor allem diejenigen, die ihn als Verbündeten der LGBTQ+-Gemeinschaft gefeiert haben. Nur zur Auffrischung: Homosexualität ist in Saudi-Arabien illegal. Und so war es doch ein Schock, als der so überzeugter Unterstützer der Rainbow-Laces-Kampagne beschloss, sich Al-Ettifaq anzuschließen.

Die Frage der Politik im Sport, insbesondere in Bezug auf die Menschenrechte, ist viel größer als Jordan Henderson - und es ist eine Debatte, die wirklich öffentlich geführt werden muss. Im besten Fall so bald wie möglich. Dies sind komplexe und kontroverse Themen, zu deren Lösung Henderson nicht verpflichtet sein sollte.

Aber er hat die Pflicht gegenüber denjenigen, die zu ihm aufschauen, seinen Gedankengang zu erklären (auch wenn wir wahrscheinlich alle erraten können, dass er einfach Geld über Moral gestellt hat) - und die Tatsache, dass er das noch nicht getan hat, ist beschämend.

Henderson hat seiner Familie mit dem Umzug nach Saudi-Arabien unbestreitbar ein gutes Leben beschert - aber er hat auch seinen Ruf als einer der "good guys" im Fußball unwiederbringlich beschädigt. Nur er wird wissen, ob es das wirklich wert war.

Lionel Messi
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Gewinner: Inter Miami & Der Messi-Effekt

Wir sprechen schon seit langem über den "Cristiano-Ronaldo-Effekt" - und das zu Recht. Der Bekanntheitsgrad des Portugiesen ist so hoch, dass seine bloße Anwesenheit bei einem Verein kolossale wirtschaftliche Auswirkungen haben kann, die sich in einem massiven Anstieg der Followerzahlen in den sozialen Medien, der Aktienkurse und des Werts von Sponsorenverträgen niederschlagen. Der "Lionel-Messi-Effekt" ist jedoch vielleicht noch beeindruckender, da er sowohl sportliche als auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt. Man sehe sich nur an, was bei Inter Miami seit der Ankunft des Argentiniers im DRV PNK-Stadion im Juni passiert ist.

Innerhalb von drei Monaten hat sich die Mannschaft von der peinlichsten Mannschaft der MLS zur größten Attraktion der gesamten Liga entwickelt. Ein Team, das einst von Phil Neville heruntergezogen wurde - Englands Frauen-Nationalmannschaft kennt das Gefühl -, wurde von Messi in die Barcelona All-Stars verwandelt, denen es gelungen ist, zwei ehemalige Camp Nou-Kollegen (Sergio Busquets und Jordi Alba) und einen Ex-Blaugrana-Boss (Tata Martino) zu überzeugen, sich ihm in Miami anzuschließen.

Jetzt stellt sich nur noch die Frage, ob Messi sein neues Team in die Playoffs führen kann - was angesichts des letzten Platzes, auf dem Miami zum Zeitpunkt des Wechsels der Argentiniers stand, wirklich als eine der beeindruckendsten Leistungen seiner Karriere gelten würde. In gewisser Weise ist das aber nicht wichtig. Da Miami dank ihm bereits einen Ligapokal gewonnen hat, sind die Ticketpreise in die Höhe geschossen, die Zuschauerzahlen in die Höhe geschnellt und die MLS profitiert insgesamt vom "Messi-Effekt".

Erik ten Hag
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Verlierer: Manchester United

Manchester United als einen der Verlierer des Transferfensters zu bezeichnen, mag für manche hart klingen. Immerhin dürfte Andre Onanas Verpflichtung dem Spiel der Mannschaft eine ganz neue Dimension verleihen. Rasmus Hojlund ist ein junger Stürmer mit enormem Potenzial, während Sofyan Amrabat einem Mittelfeld, das in den ersten Wochen der Saison viel zu leicht überlaufen wurde, sofort die dringend benötigte Aggressivität und Härte verleihen dürfte.

Dennoch muss man sich fragen: Ist United wirklich stärker als in der letzten Saison? Die Antwort lautet nein - und das ist nach einem Sommer, in dem man knapp 200 Millionen Pfund ausgegeben hat, ein erschütternder Umstand. Es gibt einfach zu viele Zweifel, zu viele Fragezeichen bei bestimmten Neuzugängen.

Wie von vielen befürchtet, sieht Mason Mount wie ein Spieler aus, den United einfach nicht gebraucht hat, Hojlund ist nicht der eiskalte Torjäger, den United unbedingt haben wollte, und selbst Onana hat bereits die Schwächen gezeigt.

Alle drei könnten noch sehr wichtig für die Red Devils werden - aber es ist einfach nicht zu übersehen, dass dies nicht der Sommer ist, den die Fans sehnlichst erwartet haben. Sie haben nicht damit gerechnet, dass Spieler eines des Kalibers Sergio Reguilon am Deadline Day unterschreiben.

Zugegeben, United brauchte dringend einen Linksverteidiger, nachdem man Luke Shaw und Tyrell Malacia aufgrund Verletzungen verloren hatte. Wenn darauf aber Reguilon die Antwort ist, dann muss man sich andere Fragen stellen. Das Erstaunliche ist, dass die Mannschaft von Ten Hag noch immer viele Lücken aufweist, wenn man sich den gesamten Spielerkader anschaut. Das Ziel dieses Transferfensters war es, den Abstand zu Manchester City zu verringern, aber wenn überhaupt, ist der Abstand zwischen den beiden sogar noch größer geworden.

Harry Kane
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Gewinner: Engländer in Europa

Jahrzehntelang weigerten sich englische Spieler, den Gedanken an einen Wechsel auf den europäischen Kontinent auch nur zu erwägen. Natürlich gab es Ausnahmen von der Regel, unerschrockene Entdecker von unterschiedlicher Qualität, von Trevor Francis und David Beckham bis Danny Dichio und Jonathan Woodgate. Doch in den letzten Jahren begannen junge englische Spieler, die Vorzüge eines Wechsels nach Europa und insbesondere nach Deutschland zu erkennen: Jadon Sancho und Jude Bellingham wurden zu Stars bei Borussia Dortmund.

Sancho ist inzwischen natürlich wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet - ironischerweise, nachdem er in seine englische Heimat zurückgekehrt ist, um sich Manchester United anzuschließen. Bellingham hingegen entschied sich trotz des großen Interesses an seinen Diensten gegen eine Rückkehr in die Heimat und setzte stattdessen sein europäisches Abenteuer fort, indem er sich dem wohl größten Verein des Weltfußballs, Real Madrid, angeschlossen hat. Und es läuft alles bestens: Nach fünf Toren in seinen ersten vier Liga-Einsätzen sieht Bellingham bereits wie eine starke Verpflichtung aus.

Und nun gibt es einen weiteren englischen Starstürmer, der in der Bundesliga für Furore sorgt: Harry Kane, der im Sommer die schwierige Entscheidung traf, sein geliebtes Tottenham in Richtung des FC Bayern München zu verlassen. Der Stürmer wollte unbedingt Trophäen gewinnen, während die Bayern dringend einen späten Ersatz für Robert Lewandowski suchte. Es überrascht nicht, dass es bereits jetzt so aussieht, als sei der Stürmer ein Geschenk des Himmels. Die Bayern sind zwar im deutschen Superpokal an RB Leipzig gescheitert, was Kane die Möglichkeit genommen hat, seine Suche nach Silberware vorzeitig zu beenden, aber der englische Kapitän hat in drei Bundesligaspielen schon drei Tore erzielt.

Alles in allem werden wir also vielleicht bald noch mehr von Bellinghams und Kanes Kollegen sehen, die ihr Glück in Europa - und speziell in der Bundesliga versuchen werden.

Romelu Lukaku
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Verlierer: Der Ruf von Romelu Lukaku

Romelu Lukaku wurde in Rom bereits mit Begeisterung empfangen, was natürlich zu erwarten war. Die leidenschaftlichen und leidgeprüften Fans des Klubs rollen immer den roten Teppich für jeden aus, dem sie zutrauen, dem Klub zum ersten Scudetto seit 2001 zu verhelfen. Die Szenen, die Paulo Dybala im vergangenen Sommer erlebte, waren ohne Frage atemberaubend

Selbst mit Lukaku an Bord scheint ein Titel in der Serie A für die Roma in weite Ferne gerückt zu sein - zumindest in dieser Saison. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass der Belgier seiner Karriere unter Jose Mourinho im Stadio Olimpico neues Leben einhauchen könnte. Für seinen Ruf gibt es allerdings keine Hoffnung mehr - der ist nun endgültig ruiniert.

Mit der Aufnahme von Geheimgesprächen mit Juventus Turin, nachdem der FC Chelsea dem Verkauf des Stürmers an Inter zugestimmt hatte, gelang Lukaku etwas Erstaunliches: Er verärgerte gleich drei verschiedene Fan-Gruppen auf einmal. Die Chelsea-Fans hofften, dass der Klub wenigstens einen Teil der 97,5 Mio. Pfund, die für den Belgier verschwendet wurden, wieder hereinholen könnte, die Juve-hassenden Inter-Anhänger waren wütend über den schlimmsten Verrat, den man sich vorstellen kann, und die Anhänger der Bianconeri waren entsetzt über den Plan, ihren geliebten Dusan Vlahovic durch Lukaku zu ersetzen.

Es war ein wirklich erstaunlicher Schritt von Lukaku, der offenbar dadurch motiviert war, dass Inter-Trainer Simone Inzaghi ihn im Champions-League-Finale der letzten Saison gegen Manchester City auf der Bank sitzen ließ. Er hatte die Fans um Verzeihung gebeten, nachdem er sie 2021 in Richtung Chelsea verlassen hatte, und als er im darauffolgenden Sommer wieder im San Siro willkommen geheißen wurde, brachte er wiederholt seine Liebe zum Verein, seinen Anhängern und der Stadt Mailand zum Ausdruck, während er gleichzeitig immer wieder betonte, dass er nur für Inter spielen wolle.

Es besteht also die Gefahr, dass Lukaku als ein Stürmer in die Geschichte eingeht, auf dessen Wort so viel Verlass war wie auf seine erste Ballberührung.

Moises Caicedo
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Gewinner: Defensive Mittelfeldspieler

Normalerweise sind es die Stürmer, für die im Sommer die höchsten Ablösesummen gezahlt werden. Schließlich sind sie die Männer, die die Tore schießen - das wertvollste Gut im Fußball. In diesem Jahr waren jedoch die defensiven Mittelfeldspieler die wohl wertvollsten Spieler auf dem Markt, was vielleicht auch Sinn ergibt.

In dieser Ära der hohen Linien, der Innenstürmer und der äußerst offensiv ausgerichteten Außenverteidiger brauchen die Verteidiger wohl mehr Absicherung als je zuvor. Infolgedessen sind spezialisierte Sechser sehr begehrt. Und die sind nicht leicht zu finden, wie Liverpool bei der Suche nach einem Ersatz für Fabinho feststellen musste. Deshalb wurden Spieler wie Moises Caicedo und Declan Rice für rekordverdächtige neunstellige Summen gehandelt, und unerfahrene defensive Mittelfeldspieler wie Romeo Lavia wurden für horrende Summen gekauft.

Natürlich waren die verrückten Geldgeber des FC Chelsea für den Kauf von zwei der genannten Spieler verantwortlich, aber es ist klar, dass die Rolle, die sie spielen, heute als unabdingbar für den Erfolg einer Mannschaft im modernen Fußball angesehen wird.

Jan-Christian Dreesen
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Verlierer: Bayern Münchens Deadline Day

Der FC Bayern war so kurz davor, DEN perfekten Sommer zu erleben. Mit der Verpflichtung von Min-Jae Kim aus Neapel und Harry Kane von Tottenham konnten die Bayern ihre beiden Top-Transferziele an Land ziehen. Außerdem gelang es ihnen, sowohl Konrad Laimer als auch Raphael Guerreiro ablösefrei zu verpflichten.

Kurz vor Ende der Wechselfrist ließen die Bayern jedoch Benjamin Pavard zu Inter und Ryan Gravenberch nach Liverpool ziehen, weil sie glaubten, genügend Zeit für die Verpflichtung von Ersatzspielern zu haben.

Der Deadline Day erwies sich jedoch als totales Desaster. Die Bayern konnten die Lücke, die der vielseitige Pavard hinterlässt, nicht schließen. Das bedeutet nun, dass man sowohl in der Innenverteidigung als auch auf der rechten Defensiv-Seite nicht genügend Ersatz hat. Noch schlimmer ist, dass Thomas Tuchel im Mittelfeld nicht genügend Spieler zur Verfügung hat, da dem Verein die Zeit davonlief, als man versuchte, mit sich mit Fulham über eine Verpflichtung von Joao Palhinha zu einigen.

Die Bayern gelten zu Recht als einer der Favoriten auf den Gewinn der Champions League in dieser Saison, aber im Januar müssen Verstärkungen her, denn derzeit fehlt es ihnen in zwei wichtigen Mannschaftsteilen an Tiefe.

Christian Pulisic
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Gewinner: Christian Pulisic

Neben Transfers für absurd hohe Summen, gab es aber auch einige sinnvolle Wechsel. Der Transfer von Christian Pulisic zum AC Mailand ist so ein Fall. Der US-amerikanische Angreifer musste ganz klar so weit wie möglich vom FC Chelsea wegkommen. Nachdem er an der Stamford Bridge so lange um seine Form und Fitness gekämpft hatte, brauchte Pulisic Stabilität - und keinen Wahnsinn.

In dieser Hinsicht schien Mailand ein riskanter Schritt zu sein, denn in San Siro herrschte nach dem schockierenden Abgang der Vereinslegende Paolo Maldini große Unsicherheit. Doch schon damals schien es der richtige Schritt für Pulisic zu sein, denn er wollte regelmäßige Spielzeit in einem Spitzenteam, während die Rossoneri verzweifelt nach einer deutlichen Verstärkung für Alexis Saelemaekers und Junior Messias suchten.

Die Zusammenarbeit hat sich für beide Seiten gelohnt, denn Pulisic hat bereits in seinen ersten beiden Spielen für den Klub bewiesen, dass er Rafael Leao entlasten kann. Kurz gesagt, Captain America hat in Mailand schnell Heldenstatus erlangt.

Matheus Nunes
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Verlierer: Streikende Spieler

Dass Spieler in den Streik treten, um einen Transfer zu erzwingen, ist nichts Neues. Spieler wie William Gallas, Luka Modric und Raheem Sterling haben in den vergangenen Jahren die Arbeit niedergelegt. Aber das macht ein solches Verhalten nicht weniger abscheulich.

So waren die Wolves und ihre Fans zu Recht empört über das Verhalten von Matheus Nunes, der sich weigerte, zum Training zu erscheinen, nur weil Manchester City ihn verpflichten wollte. Zumindest schuldete der Portugiese dem Verein und seinen Fans ein gewisses Maß an Professionalität, da sie ihm während seines schrecklichen ersten Jahres in Molineux beigestanden hatten, obwohl er sein Honorar von 44 Millionen Euro in keiner Weise gerechtfertigt hatte. Stattdessen entschied er sich, der Arbeit, für die er großzügig entlohnt wurde, nicht mehr nachzugehen. Das war ebenso beschämend wie beleidigend.

Nunes wird das natürlich egal sein. Am Ende hat er bekommen, was er wollte. Und das ist das wirklich Deprimierende: Manchmal funktioniert das Streiken. Er macht das Leben für einen Verein so unangenehm, dass ihm keine andere Wahl bleibt, als einen Spieler zu verkaufen, welcher sonst auf der Tribüne schmoren und an Wert verlieren würde.

In diesem Sinne sind Nunes und andere Sommerstürmer wie Randal Kolo Muani und Luis Sinisterra Gewinner, denn ihre peinlichen Aktionen haben sich ausgezahlt. In Wirklichkeit sind sie aber totale Verlierer, und es ist nur richtig, sie gehen zu lassen.

Joan Laporta
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Gewinner: Barcelonas Bilanz

Man muss es dem FC Barcelona hoch anrechnen, dass er es immer noch schafft, gute Spieler zu verpflichten, obwohl er so gut wie kein Geld zur Verfügung hat. Der Klub hat immer noch die Kosten für die katastrophale Amtszeit von Josep Maria Bartomeu zu tragen, die seinen Nachfolger Joan Laporta dazu gezwungen hat, bei jeder sich bietenden Gelegenheit an den wirtschaftlichen Rädern zu schrauben. Barça hat seine Zukunft im Wesentlichen auf den gegenwärtigen Erfolg gesetzt, was eine sehr riskante Strategie ist, die sich momentan aber auszahlt.

In Europa wird natürlich viel Geld verdient, und deshalb ist die erste Teilnahme an der K.o.-Phase der Champions League seit drei Jahren in dieser Saison unabdingbar. Die vergleichsweise gute Ziehung am vergangenen Donnerstag in Monte Carlo hat die Chancen auf dieses Ziel deutlich erhöht, aber auch die Neuverpflichtungen des Sommers.

Obwohl sie nur rund 10 Millionen Euro ausgegeben haben, konnte Barça seinen Kader mit Ilkay Gündogan, Inigo Martinez (beide ablösefrei), Oriol Romeu, João Cancelo und João Felix verstärken. Zugegeben, einige dieser Spieler sind weitaus besser als andere - und sie sind alles andere als kurzfristige Lösungen. Aber es ist kein schlechtes Geschäft, vor allem wenn man bedenkt, dass man durch den Verkauf von Nico González, Franck Kessie und Ousmane Dembélé mehr als 70 Millionen Euro eingenommen hat.

Barcelona, das früher viel Geld ausgab, wird zu einem brillanten Buchhalter.

Mauricio Pochettino
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Verlierer: Mauricio Pochettino

Man könnte meinen, dass Mauricio Pochettino in einer fantastischen Position ist. Wie Jürgen Klopp kürzlich mit einem Hauch von Neid bemerkte, bekommt ein Chelsea-Manager auf dem Transfermarkt normalerweise alles, was er will - und das gilt heute wohl noch mehr als unter Roman Abramovich.

Die derzeitigen Eigentümer des Klubs haben ihre Ausgaben seit ihrer Übernahme im vergangenen Jahr auf knapp 1 Milliarde Pfund erhöht und in diesem Sommer eine weitere historische Ausgabe getätigt. Das Ergebnis ist, dass der neue Trainer Pochettino seinen Kader mit einer Fülle potenzieller Superstars verstärken konnte.

Das Schlüsselwort dabei ist jedoch "potenziell". Könnten Spieler wie Cole Palmer zu großen Spielern werden? Auf jeden Fall, aber es gibt keinerlei Garantien. Und in Wahrheit ist es wohl wahrscheinlicher, dass sie sich in einem so chaotischen Umfeld am Ende schwertun werden, ihren Wert unter Beweis zu stellen.

Es ist Pochettinos Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das nicht passiert. Es liegt in seiner Verantwortung, nicht nur das Beste aus diesen vielversprechenden jungen Spielern herauszuholen, sondern auch ein wenig Geduld aufzubringen. Die wird er an der Stamford Bridge allerdings nicht bekommen. Der FC Chelsea hat unter Graham Potter ein Projekt gestartet, das aber nach weniger als sieben Monaten wieder eingestellt wurde - der Trainer war am Ende der Leidtragende

Im Grunde denken Todd Boehly & Co. bei ihren Transfers langfristig, wollen aber kurzfristig Erfolg haben, um die Kosten für dieses lächerlich teure Unterfangen zu decken. Das macht keinen Sinn und bedeutet Ärger für Pochettino.

João Félix
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Gewinner: João Félix

Ist João Félix dazu bestimmt, der neue Álvaro Morata zu werden? Die ersten Anzeichen sind vielversprechend: Der Portugiese hat sich einen weiteren Wechsel zu einem Spitzenteam gesichert, ohne viel zu tun. Er hat noch einen weiten Weg vor sich, um mit Morata gleichzuziehen: Bislang hat nur ein Verein wirklich viel Geld für ihn ausgegeben.

Dennoch ist es zweifellos beeindruckend, dass Félix Barça davon überzeugen konnte, Platz für ihn im Camp Nou zu schaffen, nachdem er in diesem Jahr auf Leihbasis nur vier Tore für Chelsea erzielt hatte.

Und wer weiß, vielleicht gelingt es Félix mit einer halbwegs guten Saison sogar, sich einen dauerhaften, millionenschweren Wechsel nach Katalonien zu sichern, der ihn in die Lage versetzen würde, Morata den Titel des teuersten Stürmers im Weltfußball streitig zu machen.

Harry Maguire
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Verlierer: Manchester Uniteds Aussortierte

Zu Beginn des Sommers schien es fast sicher, dass Harry Maguire Manchester United in diesem Sommer verlassen würde. Mitte Juli glaubte man, seine Zeit im Old Trafford sei vorbei, als sich West Ham auf eine Verpflichtung des englischen Verteidigers einigte. Und doch bleibt Maguire auch nach Schließung des Fensters ein Spieler von United.

Es ist zu bezweifeln, dass der ehemalige Kapitän der Red Devils unter Erik ten Hag viel Einsatzzeit bekommen wird, obwohl er immer noch beim Verein unter Vertrag steht. Und es stellt sich die Frage, ob er genug leisten kann, um seinen Platz im Kader von Gareth Southgate für die Europameisterschaft in diesem Sommer zu behalten.

Maguire ist nicht der einzige Außenseiter, der bei United bleibt, obwohl er unter Ten Hag in der Hackordnung nach unten gerutscht ist. Klubs von Bayern München bis Fulham wurden mit Scott McTominay in Verbindung gebracht, während Anthony Martial trotz der Ankunft von Rasmus Hojlund immer noch bei den Red Devils unter Vertrag steht.

Auch für einen Spieler, der das Old Trafford verlassen hat, sieht es nicht besser aus: David de Gea ist nach seiner Entlassung im Juni immer noch ohne Verein. Aber vielleicht holt ja ein Klub Saudi-Arabien den vereinslosen Torhüter...

Kylian Mbappé
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Gewinner: Paris Saint-Germain

Niemand wird den Fehler machen, Paris Saint-Germain den Sieg in der Champions League zuzutrauen. Wir sprechen hier von einem Klub, welcher in den vergangenen Jahren zuhauf Probleme hatte, seine vorhandenen PS in der Königsklasse auf die Straße zu bringen. Hinzu kommt, dass Kylian Mbappé seine Meinung über einen Verbleib im Parc des Princes so regelmäßig ändert, wie Jose Mourinho Schiedsrichter attackiert.

Den torgefährlichsten Stürmer der Welt zu halten, kann jedoch nur als großer Coup für PSG gewertet werden. Man hatte sich schon damit abgefunden, den Stürmer in diesem Sommer zu verlieren. Der Meister der Ligue 1 nahm sogar ein Angebot von Al-Hilal für den Weltmeister an.

Mbappé hatte natürlich nie vor, nach Saudi-Arabien zu wechseln, aber dass er nun tatsächlich erwägt, seinen Aufenthalt in der französischen Hauptstadt zu verlängern, ist erstaunlich - angesichts der Tatsache, dass seine Beziehung zu Nasser Al-Khelaifi & Co. scheinbar endgültig zerrüttet ist und auch Real Madrid weiterhin Interesse an seinen Diensten hat.

Ob er tatsächlich lange in Paris bleiben wird, sei dahingestellt, aber er wird es auf jeden Fall genießen, an der Seite der Neuzugänge und französischen Teamkollegen Ousmane Dembélé und Randal Kolo Muani zu spielen.

Es spricht auch einiges dafür, dass dies der stärkste PSG-Kader der QSI-Ära ist. Zum ersten Mal in der Geschichte des Vereins hat man auf Superstars wie Lionel Messi und Neymar verzichtet und stattdessen klug in Abwehr und Verteidigung investiert. Das bedeutet, dass die kopfballstarke Mannschaft der letzten Saison dank kluger Neuzugänge wie Milan Skriniar und Manuel Ugarte nun ausgeglichen ist.

Über den neue Trainer Luis Enrique kann man natürlich zu gespaltener Meinung sein, doch der Spanier hat zumindest eine klare Vorstellung davon, was er tun will, wie er die Zielvorgaben erreichen will und er auf dem Weg dorthin ein Teil sein soll - wie Marco Verratti zu seinem Leidwesen feststellen musste. Enrique hat in seiner Zeit beim FC Barcelona das Triple gewonnen, was bedeutet, dass PSG mit einem scheinbar motivierten Mbappé in dieser Saison eine Mannschaft ist, die man im Auge behalten sollte.

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