Am Ende mischte auch der BVB noch mit: Wie der Transfer eines Starstürmers scheiterte, obwohl er "zu 99 Prozent abgeschlossen" war

Von Falko Blöding / Alessandro De Felice
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Alles war Ende 2017 bereitet für den Wechsel von Lautaro Martínez nach Madrid. Dann aber schalteten sich zwei Legenden ein.

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Lautaro Martínez gehört im Moment zu den formstärksten Spielern Europas. Er lehrt die Defensivreihen der Gegner in der Serie A das Fürchten, ist Spitzenreiter der Torjägerliste (20 Treffer in 22 Partien) und als Kapitän und Leistungsträger Aushängeschild der Nerazzurri.

Am Dienstagabend trifft er mit dem Vorjahresfinalisten im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals auf Atlético Madrid. Für den argentinischen Starstürmer ist es ein pikantes Duell. Vor ein paar Jahren, genauer gesagt Ende 2017, stand er unmittelbar vor einem Wechsel zu den Colchoneros. Martínez posierte sogar schon mit ihrem Logo, ehe es eine dramatische Kehrtwende gab und er doch bei Inter anheuerte. Was passierte damals?

Zunächst einmal war Martínez' Weg in die Weltspitze vorgezeichnet. Jedenfalls für diejenigen, die ihn schon in jungen Jahren unter ihren Fittichen hatten. Wie zum Beispiel Miguel Gomiz, der bei Martínez' Jugendklub Racing Club de Avellaneda am Rande von Buenos Aires zunächst als Juniorentrainer und dann als Nachwuchskoordinator in der bekannten Akademie "Tita Matiussi" arbeitete.

Er erinnert sich im Gespräch mit GOAL: "Ich habe ihn zum ersten Mal gesehen, als er noch in seiner Heimatstadt Bahia Blanca für den dortigen Verein spielte. Er hat nicht nur mich beeindruckt, sondern uns alle bei Racing." Vor allem körperlich sei der junge Lautaro eine Wucht gewesen, so sein Entdecker: "Seine physische Stärke fiel uns natürlich auf. Er war weiter entwickelt als seine Gegenspieler gleichen Alters. Dazu hatte er eine gute Spielintelligenz und war sehr ehrgeizig."

So wechselte der Angreifer 2014 in die U20 Racings und brauchte eineinhalb Jahre, ehe er Teil des Profikaders wurde. "Seine Entwicklung war enorm, weil er unaufhörlich an sich gearbeitet hat. Weil er immer ein Typ war, der sich in allem verbessern wollte. (...) Im Fußball wie im Leben außerhalb hatte er den großen Drang, sich zu steigern. Das spricht für seinen Charakter sowie seine Persönlichkeit und das hat ihm in seiner Karriere sicherlich sehr geholfen."

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So machte sich Martínez auch in der ersten Mannschaft des Traditionsvereins schnell einen Namen und das Talent des damals 20-Jährigen sprach sich schnell bis nach Europa herum. Im Dezember 2017 klopfte Atlético Madrid in Person von Sportdirektor Andrea Berta an.

Die Spanier haben eine lange Tradition an herausragenden Mittelstürmern und Martínez sollte in die Fußstapfen von Fernando Torres treten. Antoine Griezmann und Diego Costa waren damals im Sturm gesetzt, in ihrem Schatten, so der Plan, hätte sich Martínez bestens entwickeln, lernen und erste Erfahrungen in Europa sammeln können.

Berta flog also mit dem klaren Ziel nach Argentinien, den Transfer abzuschließen. Die Zahlen lagen dabei auf dem Tisch. Atlético wollte zwölf Millionen Euro Ablöse zahlen, deren drei mehr, als die damalige Ausstiegsklausel des Angreifers vorsah. Martínez sollte einen Sechsjahresvertrag unterschreiben und noch bis zum Sommer 2018 auf Leihbasis bei Racing bleiben.

Er unterzog sich in Buenos Aires dem Medizincheck und posierte schon mit einer Kladde, auf dem das Atlético-Wappen prangte, als die Vertragsunterzeichnung vorbereitet wurde. Martínez' damaliger Berater Rolando Zarate, Bruder des ehemaligen Lazio- und Inter-Spielers Mauro Zarate, verkündete: "Der Deal ist zu 99 Prozent abgeschlossen."

99 Prozent sind aber eben nicht 100 Prozent. Auf der Zielgeraden grätschte Inter Mailand dazwischen und zwei Faktoren wendeten das Blatt: Das liebe Geld und zwei argentinische Legenden.

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Zunächst grätschte Javier Zanetti dazwischen. Der Mann, der fast 20 Jahre lang für Inter gespielt und sie unter anderem als Kapitän zum Gewinn des Triples 2010 geführt hatte. Zanetti arbeitete mittlerweile im Mailänder Management und wollte Martínez' Unterschrift bei Atlético so lange hinauszögern, bis die Vorzeichen für einen Wechsel zu Inter perfekt standen. Er sprach mit dem Torjäger und mit dessen Umfeld, bis diese umschwenkten und lieber nach Italien wollten.

Auch Diego Milito, CL-Held in der Saison 2009/10 und gleichzeitig Ikone bei Racing, spielte eine gewichtige Rolle. Er war nun als Sportdirektor bei La Academia tätig und wollte seinen aufstrebenden Nachfolger, der als Einwechselspieler für ihn 2015 sein Debüt gefeiert hatte, aus mehreren Gründen lieber später an Inter verkaufen.

Zum einen war da seine Sympathie für die Nerazzurri, zum anderen winkte bei einem Verkauf im Sommer 2018 eine höhere Einnahme für Racing, denn Martínez' festgeschriebene Ablösesumme stieg in jenem Halbjahr automatisch von 12 auf 18 Millionen Euro an.

Inters Sportchef Piero Ausilio machte sich auch auf den Weg nach Südamerika. Später schilderte er bei Radio Serie A: "Die Verpflichtung Lautaros war etwas ganz Besonderes. Es war schon fast ausgemacht, dass er zu Atlético Madrid wechselt. Aber ich reiste trotzdem hin, um ihn nach Mailand zu holen. Das waren Tage des Feuers. Wir waren ein tolles Team: Zanetti und Milito haben mir auch geholfen. Am Ende bin ich mit dem Spieler zurückgekehrt." Es sei "einer der kompliziertesten Deals" gewesen, so Ausilio.

Lautaro Martinez, Inter Mailand
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Ausschlaggebend war die Ablöse, die Inter bot. 24 Millionen Euro inklusive diverser Boni war der Serie-A-Klub nun bereit, für Martínez hinzublättern. Deutlich mehr, als Atlético zahlen wollte und für Racing ein prima Geschäft, da es doppelt so viel war, wie bei einem Verkauf nach Madrid im Winter gewunken hätte.

Zanetti sagte im Juli 2018 bei Fox Sports Argentina: "Wir waren überzeugt, dass es mit Atlético Madrid erledigt sei. Als wir dann erfuhren, dass es eine Möglichkeit gibt, haben wir angefangen, ernsthaft daran zu arbeiten. Die Wahrheit ist, dass die Bereitschaft von Racing und von Lautaro selbst immer groß war. Es war eine schwierige Operation, aber ich bin sehr glücklich, denn er war derjenige, den wir wollten."

Atléticos Trainer Diego Simeone meinte zur Verpassten Martínez-Verpflichtung im Vorfeld des Spiels am Dienstag: "Wenn diese jungen Talente nach Europa kommen, dann ist es, weil sie das Potenzial haben, auf lange Sicht starke Spieler zu werden. So war es bei ihm und bei noch einem anderen Spieler von Inter, den wir wollten. Aber ich freue mich für ihn, weil er auch Argentinier ist und sich bei Inter gut macht."

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Die Transfersaga hätte beinahe noch eine weitere Wende nehmen können. Der argentinische TV-Sender TyC Sports meldete im Frühjahr 2018, der BVB habe ein Angebot in Höhe von 40 Millionen Euro für den späteren Weltmeister abgegeben. Damals hatte der sich aber schon auf Inter als neuen Arbeitgeber festgelegt.

Und die Wahl war gewiss nicht schlecht. Martínez ist mittlerweile 26 Jahre als und Kapitän seiner Mannschaft. Für Inter erzielte er in 269 Spielen 125 Tore und lieferte noch 41 Assists. Er gewann mit den Scudetto und zweimal die Coppa Italia, 2023 standen Martínez und seine Mannschaftskameraden im Finale der Champions League, wo sie knapp Manchester City unterlagen.

Martínez steht noch bis 2026 unter Vertrag, kündigte am Wochenende bei DAZN aber an, dass es schon bald eine Verlängerung geben werde: "Es fehlen noch einige Details, aber sie wird bald kommen."

Förderer Miguel Gomiz ist jedenfalls happy mit dem Weg, den sein einstiger Schützling eingeschlagen hat: "Sie wussten, dass er Inter viel geben kann und dass Inter die perfekte Umgebung für ihn ist. Sie haben sich nicht geirrt."

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