FC Bayern München - Schlüsselspieler Josip Stanisic - so will Julian Nagelsmann den Mbappé-Zug stoppen

Von Justin Kraft
João Cancelo, FC Bayern
© getty

Vor dem Rückspiel des FC Bayern München gegen Paris Saint-Germain in der Champions League muss Julian Nagelsmann einige harte Entscheidungen treffen. So wird João Cancelo wohl auf der Bank sitzen, während Josip Stanisic startet. Welche taktischen Gründe dahinterstecken und wie der FCB die Offensive von PSG rund um Kylian Mbappé stoppen möchte.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Die 53. Minute im Hinspiel zwischen Paris Saint-Germain und dem FC Bayern München sollte die aktuelle Situation von João Cancelo entscheidend beeinflussen. Der Portugiese stand in der Startelf, erwischte im ersten Durchgang aber einen eher dürftigen Tag. Zur Pause wurde er durch den bis dato eher formschwachen Alphonso Davies ersetzt.

"Wenn Phonzie auf links durchbricht, haben wir dann nochmal mehr Überzahl", erklärte Julian Nagelsmann die Entscheidung: "João ist nicht so sehr in die Tiefe gekommen. Wir wollten etwas mehr Speed bringen." Kingsley Coman wechselte also auf den rechten Flügel und der Kanadier Davies beackerte die linke Seite.

In der besagten 53. Minute machte sich die taktische Anpassung bereits bezahlt: Eric Maxim Choupo-Moting zog zwei Gegenspieler auf sich, der freie Davies bekam den Ball und flankte ihn mustergültig auf den zweiten Pfosten, wo Coman zur Führung einnetzte. Es sollte das goldene Tor für die Bayern sein - und bereits früh dafür sorgen, dass Cancelo doch keine so leichte Zeit in München haben wird?

Vor dem Rückspiel muss sich Nagelsmann Gedanken darüber machen, wie er die Offensivreihe rund um Kylian Mbappé in den Griff bekommen kann. Durch die Sperre von Benjamin Pavard muss er die Defensive entsprechend umbauen. Favorit für den Posten in der Startelf ist aber nicht Cancelo, sondern Josip Stanisic. "Ich gehe davon aus, dass er spielen wird. Stani hatte ein bisschen Probleme am Oberschenkel, konnte aber trainieren", sagte Nagelsmann am Dienstag auf der Pressekonferenz.

Warum sich der Bayern-Trainer für den unerfahrenen 22-Jährigen entscheidet und wie er den Mbappé-Zug stoppen möchte.

FC Bayern München, Champions League, Joao Cancelo, Josip Stanisic, Julian Nagelsmann, Paris Saint-Germain, PSG, Taktik, Analyse
© imago images

FC Bayern München: Darum ist die rechte Defensivseite so wichtig

Als Mbappé eingewechselt wurde, gerieten die Bayern mehrfach ins Schwimmen. Gleich zwei Abseitstore erzielte der Franzose - einmal war sein Kollege Nuno Mendes nur eine Fußspitze zu schnell. Der Weltmeister von 2018 greift bevorzugt über die halblinke Seite an, wo er sowohl im Sturmzentrum als auch auf dem Flügel für Furore sorgen kann, wenn er möchte. Pavard hatte diese Seite meist gut im Griff, wechselte wegen seiner Gelben Karte aber auf den anderen Flügel und sah dennoch kurz vor Schluss die Ampelkarte.

Ihn muss Nagelsmann nun ersetzen. Der vermeintliche PSG-Ausgleich in der 82. Minute zeigt, welche Aufgabe auf den FC Bayern zurollt.

FC Bayern München, Paris Saint-Germain, Taktikanalyse, PSG, Champions League
© SPOX

Das Tempo von Paris ist riesig. In der Entstehung dieser Szene ist es den Franzosen gelungen, Neymar zwischen den Linien freizuspielen und ihn Tempo aufnehmen zu lassen. Obwohl Leon Goretzka bei ihm ist, ist der Brasilianer faktisch zu schnell und so entsteht eine Zwei-gegen-eins-Situation, die Dayot Upamecano kaum lösen kann. Neymar spielt den Ball in die Tiefe, Mendes ist schneller als die Bayern-Defensive.

Im Zentrum verlieren aber gleichzeitig Matthijs de Ligt und Benjamin Pavard den Überblick. Mbappé startet erst tief, aber genau richtig, um Fahrt aufzunehmen und sich schließlich an de Ligt vorbeizudrücken, um das Tor zu erzielen. Es sind exakt diese Situationen, die im Rückspiel über das Weiterkommen der Bayern entscheiden können. Neymar spielt zwar nicht. Aber mit Lionel Messi haben sie einen weiteren Spieler, der diese Räume und Überzahlsituationen herstellen kann.

FC Bayern München, Champions League, Joao Cancelo, Josip Stanisic, Julian Nagelsmann, Paris Saint-Germain, PSG, Taktik, Analyse
© imago images

FC Bayern München: Wie Josip Stanisic und Co. den Mbappé-Zug stoppen sollen

Gerade weil die Defensive so entscheidend ist, hat sich Nagelsmann für Stanisic und somit gegen Cancelo entschieden. Der Kroate gibt dem Team schlicht mehr Flexibilität im taktischen Bereich - weil er sowohl Rechtsverteidiger als auch Innenverteidiger spielen kann. Nagelsmann wird auch im Rückspiel voraussichtlich mit einer Dreierabsicherung gegen Paris agieren wollen. Das muss nicht zwingend bedeuten, dass sein Team in jeder Situation mit einer Dreierkette agiert. Sollten die Bayern aber mit einer nominellen Viererkette beginnen, wird ein Außenverteidiger wohl tiefer agieren - und das war zuletzt Stanisic.

Mit der zwischen außen und weiter innen pendelnden Rolle des einstigen Campusspielers kann Nagelsmann auf verschiedene Szenarien reagieren. Beispielsweise hat sein Team dadurch zumindest auf dem Papier die Möglichkeit, die schnellen Außenspieler durch die Unterstützung eines Spielers aus dem Zentrum zu doppeln, ohne innen zu viel Raum zu öffnen. Eine Szene aus der 76. Minute des Hinspiels zeigt, dass das gut funktionieren kann.

FC Bayern München, Paris Saint-Germain, PSG, Champions League, Achtelfinale, Taktikanalyse
© SPOX

Wieder ist es PSG zwar gelungen, auf dem linken Flügel durchzubrechen, aber diesmal ist de Ligt näher dran am Geschehen. Gemeinsam mit Upamecano schafft er es, zu einer Ecke zu klären. Die Restverteidigung stand hier besser als beim späteren Abseitstor. Der Schlüssel wird auch im Rückspiel sein, dass Durchbrüche wie diese rechtzeitig antizipiert werden.

Eine Kehrseite gibt es bei Stanisic aber: Er ist defensiv nicht so stabil wie Pavard und er ist auch nicht so schnell wie Upamecano. Solche Laufduelle würde er gegen Mbappé deutlich verlieren - und davon gab es in der Schlussphase einige. Auf der Suche nach Alternativen gibt es im Kader aber nicht viel Besseres. Prinzipiell gäbe es folgende Möglichkeiten: Cancelo statt Stanisic aufstellen und dann auf eine Viererkette umstellen. Oder einen positionsfremden Spieler in der Dreierkette aufbieten, was Trainer in entscheidenden Partien aber eher vermeiden. Eine Möglichkeit wäre es auch, Stanisic auf die halblinke Seite zu ziehen und Upamecano gegen Mbappé und Mendes verteidigen zu lassen.

Cancelo eine Hybridrolle zuzutrauen, wäre ebenfalls möglich, doch der Portugiese ist nicht der defensivstärkste Spieler. In seinen bisherigen Auftritten gewann er lediglich 33,3 Prozent seiner Zweikämpfe. Stanisic kommt auf beachtliche 75 Prozent - wenngleich er immer wieder Situationen hat, in denen er wegen seines schwächeren Antritts überrannt wird.

Die grundsätzliche Stabilität auf einem guten Niveau wird Nagelsmann trotzdem davon überzeugt haben, sich zumindest für diese Partie für Stanisic zu entschieden. Vielleicht hat er zudem noch den Auftritt seines Schützlings für Kroatien im Sommer 2022 in Erinnerung. Damals beeindruckte Stanisic mit einer starken Leistung gegen Mbappé. Damit das nochmal gelingt, wird er aber die Unterstützung seiner Mitspieler benötigen.

FC Bayern München, Champions League, Joao Cancelo, Josip Stanisic, Julian Nagelsmann, Paris Saint-Germain, PSG, Taktik, Analyse
© imago images

FC Bayern München: Jamal Musiala und Thomas Müller statt Entscheidungszwang

Ein weiterer Faktor für dieses System dürfte sein, dass Leroy Sané und Serge Gnabry seit der WM nicht wirklich überzeugen konnten. Das brachte den im Winter noch auf der Bank gelandeten Thomas Müller zurück in die Startelf. In der Vergangenheit wurde häufig darüber diskutiert, ob Nagelsmann auf ihn oder Jamal Musiala setzen sollte.

So könnte der FC Bayern München gegen Paris Saint-Germain spielen.
© SPOX

Das Hybridsystem aus Dreier- und Viererkette gibt beiden einen Startplatz auf Positionen, auf denen sie sich jeweils sehr wohlfühlen - nämlich in sehr zentralen Räumen. Dass beide gut miteinander harmonieren, zeigten sie in Stuttgart. Ein guter Nebeneffekt für Nagelsmann ist zudem, dass er im Mittelfeld eine Überzahl gegen die Dreierreihe von PSG herstellt.

Da Messi und Mbappé nicht gerade als Pressingspieler bekannt sind, könnte sich ein Mann mehr dort bezahlt machen. Bei Bedarf kann Nagelsmann aber ohne große Anpassungen auf ein 4-2-3-1 mit Musiala als linkem Flügelspieler umstellen. Als Reaktion auf eine PSG-Umstellung zum Beispiel.

FC Bayern München, Champions League, Joao Cancelo, Josip Stanisic, Julian Nagelsmann, Paris Saint-Germain, PSG, Taktik, Analyse
© imago images

FC Bayern München: Wie geht es mit João Cancelo weiter?

Doch wie geht es jetzt mit Cancelo weiter - und wie bedrohlich ist die Situation für ihn? Immerhin schien er in den ersten Spielen sofort zu einem wichtigen Bestandteil des Teams aufzusteigen. Doch danach tat er sich schwer damit, in der Offensive Gefahr auszustrahlen.

Sein Konkurrent ist auch weniger Stanisic, der bald wieder von Pavard verdrängt werden dürfte. Solange Nagelsmann von diesem System nicht abweicht, werden Coman und Davies die Spieler sein, mit denen Cancelo konkurriert.

Vielleicht ändert Nagelsmann seine Ausrichtung aber auch wieder, sobald das PSG-Spiel durch ist. Eine Offensive mit derart viel Tempo und technischer Qualität hat in Europa kein anderes Team. Insofern könnte die aktuelle Phase eher die Ausnahme als die Regel sein. Cancelo wird in jedem Fall aber weitere Chancen erhalten, sich zu beweisen.

Mit seiner Kombinationsstärke und den gefährlichen Flanken kann er dem Bayern-Spiel nach wie vor einiges geben. Bedrohlich ist die Situation für ihn also noch lange nicht. Aber die 53. Minute von Paris hat seine Kaderposition etwas verschoben.

Für Nagelsmann ist das gleichermaßen eine Luxussituation wie auch ein großes Risiko. Einerseits kann er von der Bank mit klangvollen Namen nachlegen. Auf der anderen Seite muss er in der Defensive Kompensationsarbeit betreiben. Situationen wie jene von Cancelo muss man sich erstmal leisten können. Ein Indikator dafür, dass es den Bayern jetzt deutlich besser geht als vor dem Hinspiel.

Artikel und Videos zum Thema