Nuri Sahin ist das Opfer! Anspruch und Wirklichkeit klaffen beim BVB meilenweit auseinander

Von Christian Guinin
Nuri Sahin, Sebastian Kehl, Lars Ricken
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Der BVB schließt mit dem krachenden Aus im DFB-Pokal eine Woche zu Vergessen ab. Aber darf man von den Schwarzgelben tatsächlich viel mehr erwarten?

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Wenn es in seiner Macht läge, würde der BVB die vergangene Woche mit Sicherheit schnellstmöglich rückgängig machen und irgendwie noch einmal von vorne beginnen wollen. Innerhalb von nur sieben Tagen verloren die Schwarzgelben nacheinander in der Champions League gegen Real Madrid (2:5), in der Bundesliga gegen den FC Augsburg (1:2) und im DFB Pokal gegen den VfL Wolfsburg (0:1) und machten aus einem ohnehin schon nicht unbedingt rosigen Auftakt in die neue Spielzeit den schlechtesten Saisonstart seit zehn Jahren.

Die Pleite gegen die Wölfe, bei der Borussia Dortmund über 120 Minuten fußballerische Magerkost à la bonne heure zum Besten gab und letztlich absolut verdient und folgerichtig das Aus im ersten von drei Wettbewerben kassierte, markierte dabei den nächsten Tiefpunkt der Ära unter dem neuen Trainer Nuri Sahin.

Dieser war nach Abpfiff zunächst wortlos in der Kabine verschwunden und schaffte es später nur mit Mühe sowie einer gehörigen Portion Ratlosigkeit im Gesicht, die erneut schwache Leistung zu erklären. "Die Jungs sind extrem enttäuscht. Das müssen wir erst mal alle verarbeiten", erklärte Sahin im ARD-Interview. "Die Enttäuschung ist riesig. Ohne nach Ausreden zu suchen: Wir konnten nicht die Wucht reinschießen, die wir gewohnt sind, aufgrund der vielen Verletzungen." Derzeit komme "gefühlt alles" zusammen.

"Unbedingt" habe der BVB nach Berlin gewollt, stattdessen stellt sich die Frage, ob die Vereinsoberen sich noch mehr als eine weitere Niederlage am Samstag gegen RB Leipzig anschauen würden. "Es läuft nicht gut, es tut sehr weh", sagte Sahin, es werde jedoch nicht gejammert: "Wir müssen wieder aufstehen. Es geht nicht um meine Person, es geht darum, dass wir den Verein voranbringen."

Bereits nach dem Einbrechen in der zweiten Halbzeit in Madrid sowie dem blutleeren Auftritt in Augsburg hatte es von Fans und Experten harsche Kritik an Coach und Mannschaft gehagelt. Die nun dritte Niederlagen in Folge wird die Nebengeräusche eher lauter als leiser werden lassen und auch die Zukunft Sahins beim BVB weiter in Frage stellen.

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Entwicklung des BVB zeigt deutlich nach unten

Gewiss, der bisherige Saisonverlauf entspricht mit großer Wahrscheinlichkeit nicht den Erwartungen und Vorstellungen von Spielern, Verantwortlichen und Fans. Als zweitgrößter Klub des Landes hinter dem FC Bayern München will sich Borussia Dortmund schließlich dementsprechend präsentieren. Inklusive des Anspruchs, auch hier und da ein Wörtchen um den Titel mitreden zu können.

Doch ist diese in weiten Teilen der Öffentlichkeit Erwartungshaltung an den BVB überhaupt noch gerechtfertigt? Denn blickt man auf den Prozess und die Entwicklungen im Klub in den vergangenen fünf bis zehn Jahren zurück, so wird man selbst als schwarzgelber Sympathisant schnell zu dem Schluss kommen, dass Anspruch und Wirklichkeit in Dortmund mittlerweile meilenweit auseinanderliegen.

Blendet man die vielen fragwürdigen Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit komplett aus und fokussiert sich lediglich auf laufende Saison, ergeben sich beim BVB gleich mehrere Brandherde, die letzten Endes genau zu dem geführt haben, was der Klub in seinem aktuellen Zustand verkörpert. Nicht mehr als eine grundsolide Bundesligamannschaft, die allerdings meilenweit davon entfernt ist, Forderungen nach irgendwelchen Titel und Trophäen zu stellen.

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Kader von Borussia Dortmund ist zu dünn

Zunächst wäre da die in großen Teilen blauäugige und unausgegorene Kaderplanung zu kritisieren. Während man sich im Sommer noch als "Transfermeister der Bundesliga" feiern ließ und relativ selbstsicher betonte, alle Wunschspieler zusammengesammelt zu haben, so muss man sich nun die Frage stellen, wo diese Spieler genau sind, die den BVB auf ein höheres Level hieven sollen. Die beiden Stuttgarter Neuzugänge Serhou Guirassy und Waldemar Anton gehen derzeit zusammen mit den chaotischen Auftritten der gesamten Mannschaft unter, während es Maximilian Beier - immerhin neuntteuerster Einkauf der Vereinsgeschichte - mit Ausnahme des Wolfsburgspiels Woche für Woche nicht einmal in die Startaufstellung schafft.

Noch vogelwilder wird es, wenn man von der Spitze auf die Breite des Kaders blickt. Gegen Wolfsburg saßen mit Cole Campbell, Jordi Paulina, Almugera Kabar Yannik Lührs, Filippo Mané, Ayman Azhil und Kjell Wätjen sieben Spieler auf der Ersatzbank - zwei von ihnen wurden letztlich sogar eingewechselt -, die zusammengerechnet auf gerade einmal 179 Pflichtspielminuten für die BVB-Profis kommen - wobei mit 105 Minuten der mit Abstand größte Anteil auf Wätjen und seine Spielzeit in der letzten Saison entfällt.

Selbst ohne die fraglos vielen verletzungsbedingten Ausfälle von Stammspielern wie Karim Adeyemi, Julian Ryerson oder Anton reicht beim BVB die Tiefe des Kaders vorne und hinten nicht aus, wenn man auf drei Hochzeiten tanzen möchte. Gerade einmal drei gestandene Außenverteidiger kann Dortmund im besten Fall aufbieten, wobei man sich im Sommer bewusst dagegen entschied, auf dem Transfermarkt weiter nachzulegen. Einerseits um Unzufriedenheit vorzubeugen und andererseits um Spieler wie den jungen Kabar langsam aufzubauen.

Angesichts der steigenden Belastung für die Spieler ist dieses Vorgehen der sportlichen Führung um Sebastian Kehl, der als Sportdirektor die Hauptverantwortung für den Zusammenstellung der Mannschaft trägt, sowie Sportvorstand Lars Ricken und Sahin äußerst fahrlässig.

Sebastian Kehl, Lars Ricken
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BVB: Zieht die nationale Konkurrenz vorbei?

Auch hier muss man sich aber vielleicht einfach die Unerfahrenheit des Trios sowie die teilweise großen Fußstapfen, in welche vor allem Kehl und Ricken traten, vor Augen führen. Kann man von einer sportlichen Führung, die in dieser Konstellation zum ersten Mal so zusammenarbeitet und die teilweise ihre ersten Schritte in der Verantwortung einer Profimannschaft macht, wirklich erwarten, mit Schwergewichten wie dem FC Bayern mithalten zu können?

Tatsächlich wird sich Borussia Dortmund auf härtere Jahre einstellen müssen. Will man den Weg mit jungem Personal in Kader und Vereinsführung - welchen man in vollem Bewusstsein der möglichen Risiken und Konsequenzen eingeschlagen hat - weitergehen, wird man sich damit abfinden müssen, dass nationale Konkurrenten wie Bayer 04 Leverkusen, RB Leipzig, der VfB Stuttgart und Eintracht Frankfurt vorbeiziehen könnten, oder dies bereits sogar getan haben.

Eine mögliche Entlassung Sahins würde in diesem Zusammenhang übrigens nur bedingte Besserung bringen. Freilich gehen personelle Kaderentscheidungen und taktische Fehlgriffe auch auf seine Kappe. Im großen Ganzen ist der 36-Jährige aber nur das Opfer der beschriebenen Umstände.

Bundesliga: Die Tabelle vor dem 9. Spieltag

#MannschaftSp.SUNToreDiff.Pkt.
1FC Bayern München862029:72220
2RB Leipzig862014:31120
3Bayer Leverkusen843120:15515
41. FC Union Berlin84319:5415
5SC Freiburg850313:11215
6Eintracht Frankfurt842216:12414
7Borussia Dortmund841315:14113
8VfB Stuttgart833217:16112
9SV Werder Bremen833214:16-212
101. FC Heidenheim 1846831412:11110
11Bor. Mönchengladbach831411:13-210
12FC Augsburg831412:19-710
131. FSV Mainz 05823312:13-19
14VfL Wolfsburg822415:16-18
151899 Hoffenheim822413:17-48
16FC St. Pauli81255:11-65
17Holstein Kiel802610:23-132
18VfL Bochum80177:22-151