Kommentar zur Handball-WM: Bereitet dem Wahnsinn endlich ein Ende!

Die Handball-WM in Ägypten verkommt immer mehr zur Farce.
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Die Absage des Spiels zwischen Deutschland und Kap Verde ist ein weiterer Fingerzeig: Der Weltverband IHF ist als Veranstalter nicht in der Lage, unter den gegebenen Umständen die Handball-WM in Ägypten verantwortungsvoll auszutragen. Das Turnier sollte abgebrochen werden. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Felix Götz.

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Es ist auch in Corona-Zeiten nicht der Weisheit letzter Schluss, pauschal alle Veranstaltungen zu verbieten oder abzusagen. Liegt ein professionelles, schlüssiges und verantwortungsvolles Konzept vor, sollte möglich gemacht werden, was möglich ist.

Für die WM in Ägypten gilt das nicht. Mit Tschechien und den USA haben zwei Mannschaften ihre Teilnahme aufgrund zahlreicher Coronafälle bereits vor der Anreise abgesagt. Das Team von Kap Verde versinkt aus den gleichen Gründen im Chaos und bekommt nicht mehr genügend Spieler zusammen, um anzutreten. Auch bei Brasilien und Dänemark hat es bereits Fälle gegeben.

Hinzu kommen Berichte von Spielern und Funktionären vor Ort. Norwegens Superstar Sander Sagosen fühlte sich beispielsweise beim Einzug ins Hotel in Gizeh an den "Wilden Westen" erinnert und bezeichnete die Bubble als "großen Witz".

Das Turnier ist damit bereits jetzt eine Farce. Selbst die schlimmsten Befürchtungen von Kritikern wurden im Eiltempo übertroffen. Völlig unabhängig vom weiteren Verlauf muss das WM-Konzept damit als gescheitert angesehen werden.

Vergleiche mit der NBA-Bubble machen fassungslos

Das wiederum darf bei genauerer Betrachtung niemanden überraschen. Logischerweise können Blasen mit insgesamt 32 Nationen nur dann funktionieren, wenn jede Mannschaft nach einer Vor-Isolation in der Heimat rechtzeitig und in Charterflugzeugen anreist, dann noch einmal vor Ort die nötige Zeit unter sich bleibt und erst anschließend in die eigentliche Bubble einzieht.

All das ist rund um die WM gar nicht oder unzureichend geschehen, die Mannschaften sind viel zu spät in Afrika eingetroffen. Die in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach aus Handball-Kreisen getätigte Aussage, die Bubble in Ägypten sei beispielsweise in etwa mit der NBA-Bubble von Disney World im vergangenen Jahr zu vergleichen, lässt einen spätestens jetzt fassungslos zurück.

Zur Erinnerung: Vor dem Einzug in die Bubble in Orlando musste jedes NBA-Team ein Fünfphasenmodell durchlaufen. Die gesamte Prozedur bis zum Spielbeginn dauerte fast zwei Monate und kostete Unmengen an Geld. Der Handball könnte sich ein ähnliches Vorgehen selbstverständlich weder finanziell noch zeitlich leisten. Wie wäre es aber wenigstens mit einer Art Mittelweg?

Hassan Moustafa ist der Präsident des Weltverbandes IHF.
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Hassan Moustafa ist der Präsident des Weltverbandes IHF.

Dem Wahnsinn Tür und Tor geöffnet

Die WM-Realität sieht jedenfalls anders aus. Finanziell solide aufgestellte Nationen wie Deutschland konnten sich vor dem Turnier wenigstens halbwegs vernünftig isolieren und per Charterflugzeug anreisen. Wer sich dagegen zum Beispiel die Anreise Uruguays zu Gemüte führt - per Linienflugzeug über Florida, Madrid und Rom - weiß, dass dem Wahnsinn Tür und Tor geöffnet wurden.

Ganz zu schweigen von den für Tschechien und die USA nachgerückten Nationen Schweiz und Nordmazedonien. Beide Teams haben zwei Tage vor ihrem Auftaktspiel final erfahren, dass sie die WM spielen werden und waren zuvor selbstredend nicht in strikter Isolation. Dabei liegt doch die Inkubationszeit bei Corona durchschnittlich bei fünf bis sechs Tagen.

Noch ein äußerst fragwürdiges Beispiel gefällig? Ungarn hat am Freitag gegen Kap Verde gespielt, von denen anschließend zwei Spieler (von denen mittlerweile einer negativ getestet wurde) einen positiven Coronatest aufwiesen. Kann Ungarn trotzdem einfach weiterspielen?

Der Handball gibt sich der Lächerlichkeit preis

Man kann der IHF rund um ihren Präsidenten Hassan Moustafa wohlgesonnen vorwerfen, amateurhaft zu agieren. Genauso kann man das Handeln als verantwortungslos und fahrlässig bezeichnen, als ein riskantes Spiel mit der Gesundheit aller am Turnier beteiligten Menschen.

Dabei steht auch die Reputation des Handballs insgesamt auf dem Spiel. Das eigentlich richtige Argument, die Sportart müsse sich zwingend einmal im Jahr im Rahmen einer WM oder EM in einem großen Schaufenster der Weltöffentlichkeit präsentieren, zieht nach den Erfahrungen der ersten Tage in Ägypten nicht mehr.

Der Handball steht im Schaufenster, ja. Aber er gibt sich dort aktuell der Lächerlichkeit preis und verspielt Sympathien. Die WM dürfte ohnehin nicht mehr zu retten sein. Was bleibt, ist die Chance, einen Fehler einzugestehen, seiner Verantwortung gerecht zu werden und dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten.

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