Andersson: "Mit Zlatan übers Essen quatschen"

Von Interview: Eugen Epp
THW-Star Kim Andersson hat in dieser Saison schon 53 Tore geworfen
© Imago

Nach zwei schweren Verletzungen hat sich Kim Andersson wieder zurückgemeldet. Mit dem THW Kiel hat der schwedische Rückraum-Star in dieser Saison alle 16 Bundesligaspiele gewonnen, am Sonntag auch den Kracher gegen den HSV . Mit SPOX sprach Andersson über die Kieler Dominanz, seine Leidenszeit, Terror und Zlatan Ibrahimovic.

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SPOX: Herr Andersson, nach dem Sieg im Spiel des Jahres gegen den HSV muss die Frage erlaubt sein: Wann soll Kiel denn noch ein Spiel verlieren?

Kim Andersson: (lacht) Darüber will ich lieber nicht nachdenken - ich hoffe, das passiert nicht in dieser Saison. Wir wissen, dass wir immer voll konzentriert sein müssen. Es gibt aber noch ein paar harte Nüsse zu knacken.

SPOX: Mit 32:0 Punkten hat Kiel einen neuen Startrekord aufgestellt. War das der Mannschaft wenigstens eine kleine Party wert?

Andersson: Für eine Feier hatten wir leider keine Zeit, aber wir wissen schon, dass wir einen tollen Start hingelegt haben. Unsere einzige Niederlage haben wir bisher in der Champions League gegen Montpellier kassiert, aber das können wir noch korrigieren.

SPOX: Derzeit hat der THW fünf Minuspunkte Vorsprung auf den ersten Verfolger, die Füchse Berlin. Können Sie es verstehen, wenn sich Handballfans Kieler Niederlagen wünschen, damit die Bundesliga spannend bleibt?

Andersson: Als Handballfan will man natürlich immer enge Spiele sehen. Aber Spiele wie diese Woche gegen Flensburg und Hamburg sind auch hochspannend, das war zweimal ein Kampf über 60 Minuten. Ich hoffe, dass niemand unsere Siege als negativ empfindet, wir belohnen uns damit für unsere Leistung und unser Training.

SPOX: Ganz ehrlich: Ist Ihnen die Meisterschaft eigentlich noch zu nehmen?

Andersson: Der Dezember war bis jetzt ein sehr harter Monat für uns, wir haben gegen Flensburg und Magdeburg gespielt. Und jetzt auch noch gegen den HSV. Es sieht nach dem Sieg gegen Hamburg natürlich sehr gut aus. Es wird schwer, uns zu stoppen.

SPOX: In der Champions League dürfte Kiel weitaus mehr Sympathien in ganz Deutschland genießen. Wie geht ein derzeit so erfolgsverwöhntes Team mit so bitteren Niederlagen wie dem 23:24 Anfang Oktober gegen Montpellier um?

Andersson: Man hat nicht viel Zeit, traurig zu sein. Man geht ins nächste Spiel und versucht, wieder so gut wie möglich zu spielen. Wir wissen, dass so etwas jederzeit passieren kann. Wenn wir nicht hochkonzentriert sind, können wir gegen viele Mannschaften verlieren.

SPOX: Wie schätzen Sie in der Königsklasse die Chancen für einen Titelgewinn in diesem Jahr ein?

Andersson: Wenn wir ohne Verletzungen durchkommen, sind wir sehr gefährlich. Es ist abhängig von der Tagesform, aber wie wir bisher gespielt haben, haben wir große Chancen, ins Final Four zu kommen.

SPOX: Der einzige große Titel, den der THW in der letzten Saison gewann, war der DHB-Pokal. Konnten Sie sich über diesen Titel überhaupt freuen oder überwog die Enttäuschung darüber, in Meisterschaft und Champions League den Kürzeren gezogen zu haben?

Andersson: Es ist immer traurig, wenn man nicht den Pokal nach Hause bringen darf. Natürlich haben wir uns über den Pokal gefreut, aber es war ein komisches Gefühl, zum ersten Mal nach sechs Jahren nicht die Meisterschaft zu holen. Aber das hat uns heiß gemacht. Deswegen sind wir da, wo wir heute stehen, weil wir so viel Lust haben, Meister zu werden.

SPOX: Hatte die Misere Ihrer Mannschaft im vergangenen Jahr auch etwas damit zu tun, dass Sie wegen Ihrer schweren Verletzung kaum mitspielen konnten?

Andersson: Ich glaube nicht, dass es viel damit zu tun hatte, dass ich nicht dabei war. Es ist meine siebte Saison in Kiel und natürlich ist die Mannschaft dadurch zusammengeschweißt. Eine kleine Rolle spiele ich ja doch in der Mannschaft. Es ist immer wichtig, dass alle spielbereit sind.

SPOX: Zunächst fielen Sie 2010 acht Monate lang mit einem Knorpelschaden im Knie aus. Wie sind Sie mit dieser Zeit der Verletzungen umgegangen? Haben Sie zwischendurch mal gedacht: Warum mache ich das eigentlich?

Andersson: Das war öfter mal so. Am Anfang waren es drei Monate und danach sollte es keine Probleme mehr geben. Am Ende waren es acht Monate, in denen ich kein Handball gespielt habe. Da habe ich mir viele Gedanken und Sorgen gemacht. Es war eine sehr schwere Zeit, aber ich glaube, sie hat mich stärker gemacht. Als ich im Dezember 2010 nach meiner Knieverletzung wieder auf der Platte stand, war aber alles wie vergessen.

SPOX: Einen Monat nach Ihrem Comeback brachen Sie sich den Daumen und fielen wieder lange aus. Gab es Gedanken ans Aufhören?

Andersson: Ich habe mir schon überlegt: Was mache ich, wenn ich nicht mehr Handball spielen kann? Ich habe zwar Abitur, aber keine Berufsausbildung gemacht. Eigentlich kann ich nur Handball spielen und nicht einfach in einen neuen Beruf einsteigen. Das wäre ein großes Problem gewesen, aber Gott sei Dank kann ich ja noch ein bisschen Handball spielen.

SPOX: Was hat Ihnen die Kraft gegeben, sich wieder heranzukämpfen?

Andersson: Auf jeden Fall meine Familie - die war immer dabei und hat mich unterstützt, egal ob die Zeiten scheiße oder gut waren. Viel Unterstützung kam auch von meinem Umfeld. Ich hatte immer das Gefühl: Auch wenn das jetzt schlecht ausgeht, gibt es immer noch Leute, die dir helfen. Auch der THW Kiel hat mich stark unterstützt.

SPOX: Nach einer solchen Leidenszeit wieder auf das Spielfeld zurückzukehren - wie fühlte sich das an?

Andersson: Ich durfte ja nach meiner ersten Verletzung bei der WM im eigenen Land spielen, auch wenn ich nicht hundertprozentig fit war. Dafür habe ich hart gekämpft, um mein Land repräsentieren zu können. Dass ich mir dort dann wieder den Daumen gebrochen habe, war natürlich nicht so toll. Trotzdem war es ein Höhepunkt meiner Karriere.

SPOX: Mittlerweile zählen Sie wieder zu den Stützen des Teams, haben in dieser Saison fast alle Spiele mitgemacht. Spielt die Angst vor einer erneuten Verletzung trotzdem immer mit?

Andersson: Es ist keine Angst, aber man merkt, dass vor allem das Knie ab und zu noch Probleme macht. Gerade wenn die Belastung durch Spiele und Training so hoch ist wie jetzt. Das spürt man schon in den Knochen. Aber ich versuche, mir darüber nicht zu viele Sorgen zu machen.

SPOX: Fühlen Sie sich wieder genauso stark wie vor der Verletzungspause?

Andersson: Ich kam noch sogar stärker zurück, in einer physischen Verfassung, die ich schon lange nicht mehr hatte. Während der Verletzungspause hatte ich die Möglichkeit, anders zu trainieren als während der Saison mit der Mannschaft. Vor allem am Anfang der Saison habe ich gemerkt, dass ich sehr gut drauf und die Spielfreude wieder da war. Es haben viele Sachen zusammen gepasst. Ich bin überzeugt, dass diese Saison eine meiner besten wird.

SPOX: Ein anderes Thema, das derzeit in Kiel für Aufregung sorgt, ist der Prozess gegen den früheren THW-Manager Uwe Schwenker und Ex-Trainer Noka Serdarusic. Sie sollen das Champions-League-Finale 2007, das der THW gegen die SG Flensburg-Handewitt gewann, manipuliert haben. Ist das ein Thema in der Kabine? Wird man als Spieler davon beeinflusst, oder kann man es vollständig ausblenden?

Andersson: Am Anfang haben wir uns schon gefragt, was hier los ist und ob das wirklich sein kann. Das ging aber ziemlich schnell vorbei, weil man wenig Zeit hat, sich um solche Dinge zu kümmern. Für uns ist das eine Nebensache - wir sind hier, um Handball zu spielen und wir sind nicht die Angeklagten.

SPOX: Sie haben auf Vereinsebene eigentlich alles gewonnen. Wie motiviert man sich da für jede Saison neu, besonders in der Vorbereitung?

Andersson: Vorbereitung ist für mich etwas total Unnötiges, reiner Terror. Wirklich nicht schön. Aber das braucht man, um eine Saison durchzustehen, sowohl körperlich als auch psychologisch. Man merkt aber, dass es jedes Jahr härter wird. Und irgendwann werde ich auch sagen: jetzt reicht's. Vielleicht mache ich dann etwas Anderes im Handball - als Trainer kann man ja selber Spieler quälen (lacht).

SPOX: Meinen Sie tatsächlich, dass Sie so bald schon ans Ende Ihrer Karriere kommen?

Andersson: Mein Körper macht hoffentlich noch einige Zeit mit. Wenn ich verletzungsfrei bleibe, könnt ihr noch ein paar Jahre auf mich zählen.

SPOX: Im Januar steht die Europameisterschaft an. Mit welchen Zielen wird Schweden nach Serbien fahren?

Andersson: Leider sind bei uns ein paar wichtige Stammspieler verletzt, aber natürlich wollen wir zeigen, dass wir zu den Besten gehören. Eine EM ist immer schwer, aber wir versuchen, den vierten Platz der WM zu toppen. Wir haben sowohl viele junge Spieler als auch viele Stammspieler, die schon länger zusammenspielen. Insgesamt also eine sehr starke Mannschaft.

SPOX: Und was trauen Sie Ihren deutschen Kollegen zu, auf die Sie in der Gruppenphase treffen?

Andersson: Ich hoffe, dass Deutschland, Tschechien und Mazedonien nicht so gut drauf sind. Die Gruppe wird schwer sein und auch wenn die deutschen Ergebnisse in den Testspielen nicht die besten waren, weiß man, dass sie immer heiß sind, wenn es um die Wurst geht. Es werden sehr enge Spiele.

SPOX: In einem Fragebogen geben Sie an, einmal einen Tag mit Zlatan Ibrahimovic verbringen zu wollen. Hat sich das geändert, nachdem sich Ibra in seiner Biografie ja eher als Kotzbrocken entpuppt hat?

Andersson: Ich habe das Buch leider nicht gelesen, nur ein paar Schlagzeilen in Schweden gesehen. Wir glauben manchmal ein hektisches Leben zu haben, aber für einen Fußballer muss es noch verrückter sein, gerade für einen wie Zlatan Ibrahimovic, der immer sagt, was er denkt. Und natürlich ist er ein toller Spieler, mit dem ich gerne mal übers Essen quatschen würde. Bisher habe ich ihn aber nur im Fernsehen gesehen.

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