Spiethtacular? Oder völlig unmöglich?

Jordan Spieth gilt beim Major in St. Andrews als großer Favorit
© getty

Wenn am Donnerstag im Home of Golf in St. Andrews die Open Championship beginnt (ab 10 Uhr im LIVE-TICKER), gibt es nur eine Frage: Gewinnt Jordan Spieth nach dem Masters und der US Open auch das dritte Major des Jahres? Die SPOX-Redakteure Thomas Gaber und Florian Regelmann sind sich extrem uneinig...

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Warum Jordan Spieth die Open Championship gewinnt:

Florian Regelmann: Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal sagen würde, dass ich einen Grand Slam im Golf für realistisch halte. Ein Grand Slam im Tennis ist schon abartig schwierig, aber im Golf ist es noch einmal eine ganze Ecke komplexer. Im Tennis kannst du dich von einem katastrophalen Satz noch erholen, im Golf macht dir ein katastrophales Loch eigentlich alles zunichte. Nicht zu vergessen, dass im Tennis viel weniger Leute für einen Sieg infrage kommen als im Golf.

Im Normalfall spricht also wenig dafür, dass Spieth auch Major Nummer drei im Jahr 2015 gewinnt und den dritten Schritt zum Grand Slam macht. Aber dieser Jordan Spieth ist nicht normal. Deshalb ist auch die ganze Diskussion und Kritik, er hätte die John Deere Classic nicht spielen und sich lieber schon in Schottland auf St. Andrews vorbereiten sollen, völliger Nonsens.

Punkt 1: Es spricht erst einmal sehr für den Typ Jordan Spieth, wie loyal er zu dem Turnier ist, bei dem er seinen ersten Titel holte und seine Karriere so richtig lancierte. Er hatte seinen Start schon lange zugesagt, bevor er seinen zweiten Major-Sieg landete, also war es für Spieth keine Frage, dass er auch aufteet. Chapeau, Jordan!

Punkt 2: Spieth ist 21, da braucht man noch keine zwei Wochen, um sich an den Zeitunterschied zu gewöhnen. Im vergangenen Jahr gewann er in der einen Woche in Australien, in der anderen in Florida - no problem! Dass er noch extrem wenig Old-Course-Erfahrung hat, ist da an sich schon eher ein Argument, aber Spieth hat sich via Simulator vorbereitet, er hatte ein paar Proberunden und er weiß vor allem am besten, wie er sich vorbereiten muss. Er hat auch Augusta schon im zweiten Anlauf gewonnen. Und mal ganz im Ernst: Den Typ kann momentan eh überhaupt nichts stoppen.

Irre, gegen Spieth zu tippen

Wenn ich mir vor Augen führe, wie dieser Jordan Spieth aktuell einfach immer einen Weg findet, um sich am Ende die Trophäe zu krallen, dann sehe ich keinen anderen Spieler, der diese Aura hat. Schon gar nicht jetzt, wenn Rory McIlroy nicht dabei ist.

Und wenn ich dann noch daran denke, wie dieser Jordan Spieth puttet, was für einen Golf-IQ er hat... Es ist komplett irre, gegen Spieth zu tippen! Ich sehe es ganz genau vor mir: Spieth holt sich am Sonntag nach Green Jacket und US-Open-Trophy auch den Claret Jug. Und schafft damit das, was Tiger nicht geschafft hat. Und Jack nicht. Und Arnold nicht. Wie heißt es seit diesem Jahr so schön: Spiethtacular wird das!

Warum Jordan Spieth die Open Championship nicht gewinnt:

Thomas Gaber: Ich kann verstehen, dass der Name Jordan Spieth am häufigsten genannt wird, wenn es um die Favoritenrolle in St. Andrews geht. Das hat Spieth ja geradezu provoziert. Seine Ergebnisse in diesem Jahr mit vier Siegen und vier weiteren Top3-Platzierungen sind nicht von dieser Welt; seit Tiger Woods ist dies keinem Spieler auch nur ansatzweise gelungen - weder auf der PGA, noch auf der European Tour. Die Art und Weise, wie Spieth die Turniere gewinnt, ist beeindruckend: mal überlegen, mal von hinten, mal in der Crunchtime. Und trotzdem wird der Claret Jug am frühen Sonntagabend nicht in seine Hände fallen.

Die Erwartungshaltung und damit der Druck auf Spieth sind immens, insbesondere durch den Ausfall von Rory McIlroy. Ich war mir sicher, dass das Imperium nach den beiden Spieth-Siegen beim Masters und bei der US Open gnadenlos zurückschlagen würde. Daraus kann nichts werden. Es gibt aber auch ohne die Nummer eins kein anderes großes Turnier in diesem Jahr mit einer derart langen Liste von Sieganwärtern.

Dustin Johnson, der die US Open schon im Sack hatte. Seine US-Buddys Rickie Fowler und Matt Kuchar. Die bockstarken Südafrikaner mit Louis Oosthuizen, dem Dominator der letzten British Open auf dem Old Course, Brendan Grace oder Ernie Els. Adam Scott ist mit Caddie Steve Williams ein anderer Mensch, sein australischer Landsmann Jason Day überreif für einen Majorsieg.

Die Phalanx der Europäer reicht von den Flaggschiffen Henrik Stenson und Justin Rose über Comebacker wie Paul Casey bis hin zu Young Guns wie Tommy Fleetwood. Megatalent Victor Dubuisson ist rechtzeitig in Topform gekommen, Francesco Molinari und Bernd Wiesberger können auf jedem Golfplatz der Welt vorne mitspielen. Und vergesst mir Tiger nicht! Wenn er die Kugel trifft, dann ja wohl im Home of Golf.

Kein Vergleich zu US Open

Der Platz ist durch die Regenmengen auf der Insel ziemlich weich, die Bedingungen sind damit grundverschieden im Vergleich zur US Open in Chambers Bay. Und er bevorteilt dadurch die Longhitter, zu denen Spieth nicht gehört. In St. Andrews ist der Driver ein x-Faktor, die Spieler ziehen ihn oft aus der Tasche, erst recht bei diesen Bedingungen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Plätzen wird am Old Course nicht ständig herumgedoktert, die Löcher behalten ihre ursprüngliche Länge. Die DJs und Bubbas im Feld schnupfen mit einem satten Drive easy den einen oder anderen üblen Potbunker, der kürzeren Spielern zum Verhängnis werden könnte. Spieth erklärte nach seinem Sieg bei der John Deere Classic, dass er intensiv an seinen Drives arbeiten müsse, wenn er eine Chance haben will.

Der von Casey thematisierte Jetlag, der sich bei Spieth negativ auswirken könnte, spielt für mich überhaupt keine Rolle. Welcher 21-Jährige hat schon Probleme mit fünf Stunden Zeitunterschied? Aber ich sehe schon die Spieler im Vorteil, die sich seit längerem in St. Andrews aufhalten bzw. sich auf anderen Links-Plätzen (erfolgreich) vorbereitet haben wie Fowler, Kuchar oder auch Jimmy Walker bei der Scottish Open.

Es ist schon superschwer, überhaupt ein Major zu gewinnen. Zwei hintereinander in einem Jahr ist eigentlich unmöglich. Three in a row geht überhaupt gar nicht, auch nicht für den mit Abstand hottesten Spieler derzeit. Jordan Spieth wird auch in St. Andrews Schlagzeilen liefern, indem er gutes Golf spielt. Aber diesmal ist es nicht gut genug. Es ist verdammt nochmal ein anderer dran!

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