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Brasilien vor dem Test gegen Deutschland: Die WM-Elf steht - aber wer ersetzt Neymar?

Brasiliens Startelf im Test gegen Russland: Die bestmögliche Elf ohne Neymar?
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25 Spieler hatte Tite für die beiden Tests gegen WM-Gastgeber Russland und Deutschland nominiert, 17 davon standen schon beim letzten Länderspieltermin im Kader. Nicht dabei sind diesmal unter anderem Danilo oder der Ex-Wolfsburger Diego.

Das brasilianische Aufgebot im Überblick

  • Torhüter: Alisson (AS Rom/Italien), Ederson (Manchester City/England), Neto (FC Valencia/Spanien)
  • Abwehr: Daniel Alves (Paris St. Germain/Frankreich), Pedro Geromel (Gremio Porto Alegre/Brasilien), Ismaily (Schachtjor Donezk/Ukraine), Marcelo (Real Madrid/Spanien), Marquinhos (Paris St. Germain/Frankreich), Miranda (Inter Mailand/Italien), Fagner (SC Corinthians/Brasilien), Rodrigo Caio (FC Sao Paulo/Brasilien), Thiago Silva (Paris St. Germain/Frankreich)
  • Mittelfeld: Casemiro (Real Madrid/Spanien), Fernandinho (Manchester City/England), Fred (Schachtjor Donezk/Ukraine), Paulinho (FC Barcelona/Spanien), Philippe Coutinho (FC Barcelona/Spanien), Renato Augusto (Beijing Guoan/China), Anderson Talisca (Besiktas Istanbul/Türkei), Willian (FC Chelsea/England)
  • Angriff: Douglas Costa (Juventus Turin/Italien), Roberto Firmino (FC Liverpool/England), Gabriel Jesus (Manchester City/England), Taison (Schachtjor Donezk), Willian Jose (Real Sociedad San Sebastian/Spanien)

Natürlich konzentriert sich die öffentliche Wahrnehmung fast ausschließlich auf Neymar. Die Fußverletzung vom 26. Februar macht aus seiner WM-Teilnahme wie bei Manuel Neuer ein Rennen gegen die Zeit, für den operativen Eingriff und die anschließende Reha zog er sich in seine Heimat zurück. Ein ganzes Land fiebert mit.

Während ein möglicher Ausfall Neuers jedoch nichts an Joachim Löws Taktik ändern dürfte, muss Tite sein Team ohne den Superstar jedoch neu kalibrieren. Schließlich war das Konzept der Selecao, ähnlich wie bei Paris St.-Germain, auf Neymar ausgelegt.

Wie in Paris stürmt Neymar auch in Tites Wunschelf über die linke Seite, die dortige Lücke muss erst einmal geschlossen werden. "Tite muss jetzt andere Spieler testen, aber es wird natürlich schwierig, denn Neymar ist ein Superstar", sagt Elber. "Wir alle hoffen, dass er wieder gesund wird."

Brasilien ohne Neymar: Wie sieht Tites Aufstellung aus?

Dafür bieten sich vor allem zwei Lösungen an. Zum einen könnte Philippe Coutinho vom FC Barcelona von der rechten auf die Linke Seite wechseln, den frei gewordenen Platz übernähme Chelseas Willian. "Taktisch gesehen ist es klar: Jemand muss seine Position übernehmen", bestätigte Coutinho, der ohne Neymar zum Schlüsselspieler im Mittelfeld mutiert. Er "überlasse dem Coach, wo er mich braucht."

Das muss aber nicht unbedingt die Seitenlinie sein, auch wenn der zweitteuerste Spieler aller Zeiten auf beiden Seiten einsetzbar wäre. Es gibt auch die Option, Coutinho zentral als Regisseur aufzubieten, mit Willian rechts und Ex-Bayern-Star Douglas Costa über links. In diesem Fall würde wohl Renato Augusto aus der Startelf rutschen und Coutinho die Halbposition neben Paulinho übernehmen.

Das Problem: Zu weit zurückgezogen will Tite den 25-Jährigen gegen starke Konkurrenz nicht einsetzen, es würde ihn seiner Stärken berauben. Schon im Test in Moskau präsentierte sich das Team in der ersten Halbzeit vorne recht ideenlos, zwischen Coutinho und Stürmer Gabriel Jesus passte die Abstimmung nicht.

Erst als Costa noch weiter nach außen und Coutinho so zentral hinter Jesus rückte, zündete das Offensivspiel. Im Anschluss gab es Lob von Tite: "Er hat sehr gut gespielt, ob im Zentrum oder weiter außen."

Barcas Coutinho als Schlüsselspieler - auch gegen Deutschland

"Ich würde Couthinho auf links spielen lassen", sagt Elber, "aber auch Douglas Costa hat sich bei Juve gefangen und ist ein toller Fußballer." Es scheint, als würde Tite Stand jetzt die Variante mit Coutinho in der Schaltzentrale bevorzugen. Auf diese Weise kann er sich noch stärker als Führungsspieler etablieren und in der Selecao aus Neymars Schatten treten.

Und das zuletzt lahmende Offensivspiel des Teams beleben, gerade gegen Mannschaften, die ihre Spieler am eigenen Sechzehner parken und auf Konter setzen. Gegen England tat sich Brasilien im November sehr schwer, auch in Moskau überzeugte man lange nicht. Bei der WM dürfte man sich einer Mauertaktik noch das eine oder andere Mal gegenübersehen.

Nicht jedoch in Berlin, gegen die deutsche Nemesis. Löw wird wie immer mitspielen wollen, selbst ohne mindestens fünf Stammspieler, und so ist es für Tite eine gute Möglichkeit, sein Team gegen einen der Großen auf Herz und Nieren zu prüfen - einen, der ebenfalls die Kontrolle im Mittelfeld anstrebt.

Die eine oder andere Schwachstelle gibt es nämlich in der Defensive abzustellen, auch wenn Torhüter Allison in 13 seiner 23 Länderspiele eine weiße Weste vorzuweisen hatte: Gerade auf den Flügeln bieten sich hinter den aufgerückten Alves und Marcelo immer wieder Räume, die zum Gegenstoß einladen. Casemiro als einziger Sechser steht zu oft allein auf weiter Flur. So bemühte sich Innenverteidiger Miranda nach dem Spiel am Freitag als Mahner im Stile eines Jerome Boateng: "Das Spiel war sehr schwierig, wir haben zu viele Konter gefangen."

Deutschland - Brasilien: Die letzten Duelle

DatumWettbewerbErgebnis (aus deutscher Sicht)
08.07.2014Weltmeisterschaft - Halbfinale7:1
10.08.2011Freundschaftsspiel3:2
26.06.2005Confederations Cup - Halbfinale2:3
08.09.2004Freundschaftsspiel1:1
30.06.2002Weltmeisterschaft - Finale0:2

Die Partie gegen Deutschland bringt obendrein die psychische Komponente mit sich: Das erste Spiel nach der Demütigung in Belo Horizonte, die eine ganze Nation in Tränen stürzte. Für das eigene Selbstbewusstsein ist eine gute Leistung eminent wichtig: Seht her, wir haben keinen Knacks davongetragen, sondern wir haben aus der Klatsche gelernt.

"Unser Team befindet sich noch im Aufbau, es wird emotional ein wichtiges Spiel", gab Tite zu. Sein Team muss den Glauben an den Titel erst noch verinnerlichen: "Wir wollen Deutschland unser Spiel und unsere Spielidee aufzwingen. Dafür müssen wir den Kampf annehmen und mental stark sein."

Wird gegen Deutschland experimentiert? Löw etwa hat schon einige Leistungsträger nach Hause geschickt. "Er kann das machen, das ist clever", analysiert Elber. "Aber Brasilien wird keine Experimente machen, sondern mit der besten Elf auflaufen. "Brasilien muss gewinnen, weil das Spiel so wichtig ist für die Köpfe der Spieler." Das 7:1 ist nicht vergessen: "Alle wollen ein gutes Spiel sehen. Die Presse wird sich auf das Team stürzen, wenn es schon wieder verliert."

Neymars Abwesenheit darf dabei keine Ausrede sein. "Das spielt keine große Rolle", meinte etwa Douglas Costa. "Er ist ein wichtiger Teil des Teams, aber so können andere zeigen, was sie draufhaben." Ohne Neymar erlitt man die Schmach 2014 - ohne Neymar könnte man zumindest einen kleinen Haken dahinter setzen. Um es mit Tite zu sagen: "Solange es kein neues Duell mit Deutschland gibt, werden die Sticheleien anhalten."

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