Die U21-Europameisterschaft war für das spanische Team erst acht Minuten alt, als Dani Ceballos den Ball zum ersten Mal in aussichtsreicher Position zugespielt bekam. Nach kurzer Annahme blickte der Mittelfeldspieler nach oben, visierte das rechte Eck an, legte sich die Kugel mit einer geschickten Bewegung auf den rechten Fuß und feuerte aus etwa 25 Metern auf das Tor der Italiener. Wie eine Kanonenkugel rauschte das Leder nur einen Wimpernschlag später ins Netz.
Voller Emotionen über den vielleicht schönsten Treffer des Turniers lief Ceballos in der Folge Richtung Eckfahne, rutschte auf die Knie und klopfte sich dabei mehrfach auf die Brust - frei nach dem Motto: "Das ist mein Turnier, Leute!"
Denn speziell an die U21-EM hat Ceballos gute Erinnerungen. Schon 2017 nutzte der Andalusier die große Bühne, um auf sich aufmerksam zu machen. Nahezu jeder Top-Klub aus Europa war nach den überragenden Leistungen vor zwei Jahren scharf auf den zentralen Mittelfeldspieler. Kurz nachdem er zum besten Spieler der Endrunde gewählt worden war, entschied der damalige Betis-Spieler sich schließlich für einen Transfer zu Real Madrid.
Der 16,5-Millionen-Wechsel zu den Königlichen sollte für Ceballos der nächste Schritt auf der Karriereleiter sein. Experten waren sich damals sogar einig, dass er es mit seinem Talent bis in die absolute Weltspitze schaffen kann. Seit dem 14. Juli 2017, dem Tag an dem er bei Real Madrid unterschrieb, wartet man allerdings vergeblich auf den nächsten Entwicklungsschritt.
Dani Ceballos fehlt die Konstanz
Als Straßenfußballer, der auf dem Rasen einfach Spaß macht und über ein außergewöhnliches Talent verfügt, wurde Ceballos vor zwei Jahren bei den Königlichen vorgestellt. In Ansätzen hat er dies auch unter Beweis stellen können, allerdings kaum mal über einen längeren Zeitraum. "Man muss lange überlegen, um sich an sehr gute und vor allem konstante Leistungen von ihm bei Real zu erinnern", weiß auch Goals Real-Korrespondent Alberto Pinero. "Er gehörte nie zu den Top-14-Spielern im Kader."
Das zeigt auch ein nüchterner Blick auf seine Statistiken. In zwei Jahren bei den Madrilenen kam er in 119 Pflichtspielen nur 56-mal zum Einsatz (fünf Tore). In die Startelf hat er es sogar nur 28-mal geschafft, meist in den vermeintlich kleinen Spielen. Standen große Partien in der Champions League oder etwa der Clasico gegen den FC Barcelona auf dem Programm, fand man Ceballos regelmäßig auf der Bank oder sogar der Tribüne wieder.
Im Mittelfeld ist und war für den 22-Jährigen schlicht kein Vorbeikommen an den Etablierten Toni Kroos, Casemiro und Luka Modric. Und auch Spieler wie Isco oder Sergio Asensio stehen in der Rangordnung vor ihm und kommen auf deutlich mehr Einsatzzeit.
In Einzelaktionen zeigt der zentrale Mittelfeldspieler zwar immer wieder seine Genialität - wie etwa bei der U21 - doch er wirkt dabei eher wie ein Individualist und nicht wie ein Teamplayer. Etwas, das Trainer Zinedine Zidane absolut nicht gefällt. Obwohl der Weltmeister von 1998 als Aktiver selbst ein Künstler war, schätzt er bei den Blancos harte Arbeiter, die sich auch für Defensivarbeit nicht zu schade sind.
Ceballos "braucht sehr viele Ballkontakte"
Gerade im Mittelfeld legt Zidane zudem großen Wert auf schnelle Ballzirkulation. Mit möglichst wenigen Kontakten soll der Ball durch die Zentrale gespielt werden, um schnell verlagern zu können. Während Spieler wie Toni Kroos das in Perfektion beherrschen und auch deshalb zu den Lieblingen des Coaches zählen, hat Ceballos die Tendenz, das Leder zu lange zu halten, wie Pinero bestätigt: "Er braucht sehr viele Ballkontakte, um eine einzige Aktion zu kreieren. Wenn er beteiligt ist, wird das Spiel langsamer."
Wenn man so will, passt Ceballos mit seiner Spielweise schlichtweg nicht ins königliche Korsett.
"Er ist immer noch derselbe Ceballos, der vor zwei Jahren von Betis kam", erklärt der Real-Experte. "Allein wegen seines Stils passt er einfach nicht ins Spiel von Zidane und Madrid."
Für den Mittelfeldmann kommt erschwerend hinzu, dass er sich im vergangenen Oktober in einem Interview mit Radio Marca kritisch über Zidane äußerte, als dessen Nachfolger Julen Lopetegui noch Coach der Madrilenen war. "In der vergangenen Saison war ich wegen Zidane sehr frustriert. Als Modric und Kroos beide verletzt waren, hat er lieber sein System geändert, als anderen Spielern eine Chance zu geben. Das brennt auf der Seele und tut weh", sagte er damals. Aussagen wie diese wird der Franzose mit Sicherheit nicht vergessen haben und sie sind wenig förderlich, will Ceballos unter ihm künftig eine tragende Rolle spielen.
Milan und Tottenham an Ceballos interessiert
Umso verwunderlicher ist, dass der Spanier zu Beginn der Europameisterschaft auf einer Pressekonferenz erklärte, er wolle bei Real bleiben - in dem Wissen, dass im aktuellen System kein Platz für ihn ist. "Ich bin trotzdem relativ sicher, dass er Madrid verlassen wird", stellt Pinero klar.
Geht es nach den Verantwortlichen der Blancos, soll sich Geschichte in diesem Sommer wiederholen und Ceballos (Vertrag bis 2023) die EM erneut nutzen, um sich in in die Notizbücher der Scouts spielen.
Nach Informationen der Marca endet die Beziehung zwischen Ceballos und Madrid, sobald ein Verein 50 Millionen Euro Ablöse für ihn auf den Tisch legt - unter anderem der AC Mailand und Tottenham Hotspur sollen Interesse zeigen. Es wäre ein Ausweg aus dem königlichen Korsett.