SPOX-Kolumne Auswärtsspiel - Fenerbahce-Boss Ali Koc: Wenn der Präsident Football Manager zockt

Von Fatih Demireli
Ali Koc ist Präsident von Fenerbahce.
© getty

Ali Koc ist einer der reichsten Menschen der Türkei, aber viel mehr mag er es, als eingefleischter Fenerbahce-Fan erkannt zu werden. Seit drei Jahren ist er Präsident des Klubs - doch aus der Liebe zum Klub wurde eine Vereinnahmung.

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Wenn Mustafa Rahmi Koc auf seine Vita zurückblickt, kann der 91 Jahre alte Unternehmer von einem erfüllten Leben berichten. Koc ist das prägende Gesicht der erfolgreichsten Unternehmensgruppe der Türkei. Forbes taxiert sein Privatvermögen auf über 1,8 Milliarden Dollar. Er genießt international ein überaus hohes Ansehen.

In Deutschland wurde er 1982 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. In Österreich, Italien und Großbritannien erhielt er Verdienstauszeichnungen selben Grades. Er umsegelte mehrmals die Welt und er hat ein eigenes Museum in Istanbul. Er besiegte mit 90 Jahren ohne Komplikationen eine Covid-19-Erkankung.

Bei einem phänomenalen Lebenswerk wie diesem, ist ihm nur eine Sache nicht gelungen: Die große Liebe, die er für seinen Lieblingsverein Besiktas empfindet, ist bei seinen Söhnen nicht angekommen. Ömer, der heute das Familienimperium leitet, ist kein ausgeprägter Fußballfan. Er wird lediglich als Besiktas-Fan dokumentiert.

Die eigentlichen "Fußballer" unter den Söhnen waren Mustafa und Ali. Sie wären wohl ebenfalls zu Besiktas-Fans geworden, wäre da nicht Kamer Kaya. Dieser war jahrelang ein Bediensteter im Anwesen der Kocs und glühender Fan von Fenerbahce. Da Papa Koc oft unterwegs war, kümmerte sich Kaya um die Freizeitbeschäftigung der Jungs. Und irgendwann ging die Reise sehr oft ins Stadion, wenn Fenerbahce ein Heimspiel hatte. So entfachte er bei Mustafa und Ali eine große Fener-Liebe.

"Ohne ihn wäre ich niemals hier", sagt heute Koc. Mit „hier“ meint Ali Koc den Job als Präsident von Fenerbahce. Als er sich im Juni 2018 den Traum erfüllte und Klubboss wurde, stand ihm bei der Dankesrede Kamer Kaya zur Seite. Jeder sollte sehen, wem man es zu verdanken hat, dass es sich einer der reichsten Menschen des Landes zur Aufgabe gemacht hatte, den Klub in neue Sphären zu führen. Wobei: Böse Zungen würden es heute anders formulieren und sagen: "Wer schuld daran ist, dass Koc Fenerbahce-Fan geworden ist und folglich den Traum hatte, Präsident des Klubs zu werden."

Fenerbahce-Boss Koc: 200 Millionen Euro für was eigentlich?

Denn nach über drei Jahren Amtszeit ist nach einer anfänglich überschwänglichen Begeisterung für Koc große Ernüchterung eingekehrt. Er war angetreten mit großen Visionen, wonach Fenerbahce nicht nur national wieder die klare Nummer 1 werden sollte, sondern auch international zu einer großen Marke aufsteigen sollte.

Sportlich erfolgreich, strukturell professionell und wirtschaftlich gesund, wollte man unter Koc werden. Geklappt hat wenig davon. In seiner ersten Saison als Präsident kämpfte Fenerbahce lange gegen den Abstieg. Es folgten eine Saison auf Platz sieben, eine auf Platz drei.

Die Probleme auf struktureller und wirtschaftlicher Ebene haben miteinander zu tun. Und vor allem mit Koc selbst. Der Geschäftsmann, ausgebildet in den USA und wichtiges Mitglied in der Führung der Koc Holding, wollte die alten Gepflogenheiten im türkischen Fußball aufbrechen und aus dem Fußballklub ein professionelles Unternehmen machen, das von Experten auf allen Ebenen geführt wird und effektiv wie zielorientiert arbeitet.

Nach ein paar gut gemeinten Schritten zu Beginn sieht die Realität aber heute ganz anders aus: Fenerbahce ist ein Präsidentenklub. Alle Entscheidungen laufen über seinen Tisch und Koc schrickt auch nicht davor zurück, sich um jedes Detail zu kümmern.

Stimmen die Gerüchte, hat er inzwischen weit über 200 Millionen Euro in den Klub gepumpt. Ob durch Privatinvestitionen oder durch Sponsoring-Vereinbarungen mit den Koc-Marken. Das hohe Investment verleitet Koc dazu, die Kontrolle über die Geschehnisse im Klub zu verschärfen.

Fenerbahce: Max Meyer einer von sechs ROGON-Klienten

Gepaart mit der emotionalen Bindung, entwickelt sich das Syndrom der klammernden Mutter, die es gut meint, aber dem Kind kaum Platz zum Atmen gibt. Dass er sich als Großunternehmer um die Struktur Gedanken macht und Einfluss nimmt, klingt logisch, doch inzwischen spricht Koc auch ein mehr als gehöriges Wort in sportlichen Belangen mit.

Manchmal wirkt es so, als würde Koc Football Manager mit seinem Lieblingsklub spielen. Einen Sportdirektor hat der Klub nicht mehr, im Koc-Vorstand gibt es Zuständige für den Fußballbereich, doch das Gesicht der Abteilung und eigentlich des ganzen Klubs ist Koc.

Er sucht den Trainer, er sucht die Spieler, er urteilt über ihr Leistungsvermögen. Wen Koc nach Spielen über die Leistung spricht, klingt er immer mehr wie ein Trainer. "Wir kommen fußballerisch allmählich dorthin, wo ich die Mannschaft sehen will", sagt er neulich. Oder: "In der dritten Zone müssen wir noch effektiver werden."

Seit 2018 hat Fenerbahce knapp 60 Spieler verpflichtet und mindestens genauso viele abgegeben. Die hohe Fluktuation ist ständig neuer Ideen geschuldet, die man für die Kaderplanung hat. Erst sollten es viele Ausländer werden, dann konzentrierte man sich wieder auf inländische Spieler. Dann sollten erfahrene Spieler kommen, nun wieder junge Spieler.

Inzwischen hat er ein inniges Verhältnis zu Roger Wittmann von der Agentur ROGON aufgebaut. Braucht Koc Rat oder Spieler, hilft die Agentur gerne weiter. Etwa durch die Vermittlung des zuvor vertraglosen Max Meyer. Insgesamt sechs ROGON-Klienten stehen bei Fenerbahce unter Vertrag.

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