Auswärtsspiel - die SPOX-Kolumne: Warum Max Meyer bei Fenerbahce groß rauskommen könnte

Von Fatih Demireli
max-meyer-1200
© imago images

Der Wechsel von Max Meyer zu Fenerbahce kam sehr überraschend. Nach einer Karriere-Talfahrt versucht der 25 Jahre alte Mittelfeldspieler sein Glück in Istanbul. Meyer hat wichtige Fürsprecher und wohl auch gute Chancen, dass ihm das gelingt.

Cookie-Einstellungen

Es gibt viele Wege für einen Spieler, die Anhänger eines Fußballklubs schon am ersten Arbeitstag gegen sich aufzubringen. Beispielsweise genügt es, vorher beim "falschen" Verein gespielt zu haben. Noch schlimmer ist es, wenn man sich zuvor als großer Fan des Rivalen geoutet hatte. "Ich habe schon immer in der Bettwäsche..." - die bekannte Nummer halt.

Auch die Aussage, dass man nur wegen des Geldes gekommen sei, führt einen ganz schnell in die Abteilung: "Weg mit dem!" Es soll auch schon Fußballer gegeben haben, die bei der Vorstellung gesagt haben, dass sie keine andere Wahl hatten. Wie zuletzt Mitchell Weiser, der sich Werder Bremen anschloss und dies offen zugab.

Oder man macht es wie Max Meyer. Als dieser vor wenigen Tagen vor die Presse tat, um über seinen Wechsel zu Fenerbahce zu sprechen, erzählte der 25 Jahre alte Mittelfeldspieler, dass er mit Hasan Ali Kaldirim oft über Fenerbahce sprach und dieser ihm nur Gutes erzählte. Nun - Hasan Ali Kaldirim ist unter Fenerbahce-Fans in etwa so beliebt wie der Wartebereich auf einem Amt.

Acht Jahre spielte der gebürtige Neuwieder für den türkischen Spitzenklub, entwickelte sich dann zuletzt zum Spieler, an dem man jede Niederlage festmachte. 2020 ging er zu Basaksehir und der Spuk hatte für beide Seiten ein Ende. Nun taucht er aber wieder auf - und Max Meyer ist schuld daran.

Max Meyer: Große Erwartungen in der Türkei

Natürlich weiß Meyer nichts davon, daher geht man auch bisher gnädig mit dem Deutschen um und hat große Erwartungen. Die Tatsache, dass Meyer aus Deutschland kommt, spielt dabei sicher eine Rolle. In der Türkei hat man historisch gute Erfahrungen mit Deutschen gemacht.

Ob Trainer wie Jupp Derwall, Christoph Daum und Karl-Heinz Feldkamp oder Spieler wie Toni Schumacher, Stefan Kuntz, Fabian Ernst oder Mario Gomez: Sie alle haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen und daher ist man grundsätzlich erst einmal positiv gestimmt, wenn ein Deutscher kommt. Und dennoch weiß man natürlich auch in der Türkei vom Werdegang des einstigen Wunderkinds aus der Schalker Knappenschmiede.

Meyer war die Entdeckung des FC Schalke 04, das neue Versprechen und anfangs demonstrierte der Spielmacher auch, warum man sich die Zukunft dank ihm so rosig ausmalte. Ein begnadeter Techniker, der eine extrem gute Raumorientierung hat. Der weiß, wohin man den Pass spielt, um das Spiel schneller zu machen und Torgefahr zu entwickeln. Ein Spieler, von dem Trainer nur träumen.

Köln in der Relegation - und Max Meyer nicht der Startelf

Doch so rasant die Entwicklung in den Profibereich ging, so rapide ging es auch in die andere Richtung. Ein Vertragsstreit mit Schalke und ein falscher Wechsel zum falschen Klub in die Premier League (Crystal Palace) später, war Meyer das gescheiterte Top-Talent von einst.

Dass da noch Restvertrauen in sein Können war, bewies in der letzten Saison der 1. FC Köln, als man den inzwischen kurzzeitig vertragslosen Meyer bis Saisonende unter Vertrag nahm. "Es hat durchaus Konkurrenz im Werben um ihn gegeben. Ich freue mich deshalb, dass er sich für uns entschieden hat", sagte Kölns früherer Sportchef Horst Heldt damals über Meyer.

Heldt kannte ihn noch aus früheren gemeinsamen Schalker Zeiten und wurde Augenzeuge, welch großes Können der Mittelfeldspieler hat. Doch am Ende blieben weder Meyer noch Heldt in Köln. Als der Effzeh in der Relegation gegen Holstein Kiel um das nackte Überleben spielte, stand Meyer nicht in der Startelf.

Max Meyer und seine Rolle bei Fenerbahce

In diesem Sommer wurde es dann still um Meyer. Wechselgerüchte gab es kaum. Sporting Braga soll interessiert gewesen sein, doch vertieft wurde die Geschichte nie. Den Sommer verbrachte Meyer mit individuellem Training. Bis nun Fenerbahce am letzten Transfertag vor Meldung der Kader für die internationalen Wettbewerbe Meyer in einer Nacht- und Nebelaktion nach Istanbul holte und ihn mit einem Zweijahresvertrag ausstattete.

Der Wechsel wirkt etwas überraschend. In den sonst gut informierten türkischen Medien gab es keine Anhaltspunkte, dass Fenerbahce Interesse an Meyer hatte. Man wusste erst darüber Bescheid, als Meyer am Istanbuler Sabiha-Gökcen-Flughafen landete und zum Medizincheck fuhr.

Trotz Trainingsrückstand und schwieriger Vorgeschichte hat Meyer aber durchaus eine Perspektive bei Fenerbahce. Zwar hat Fenerbahce im Mittelfeld ein Überangebot an fähigen Spielern, aber Meyer könnte für das 3-5-2 von Trainer Vitor Pereira eine entscheidende Rolle spielen.

Pereira wohl ausschlaggebend für Meyers Wechsel

Der Portugiese braucht einen spielstarken Mann im tiefen Zentrum, der ein zuverlässiges Passspiel mit dem Blick in alle Richtungen hat. Für Meyer kein Problem. "Ich sehe mich im Zentrum: auf der Sechs, auf der Acht oder auf der Zehn. Bei Schalke war ich auf der Zehn, aber in den letzten zwei Jahren spiele ich nun weiter hinten und ich glaube, das liegt mir gut", sagte er bei seiner Vorstellung. Vorsorglich stattete ihn Fenerbahce auch schon einmal mit der Rückennummer 6 aus.

Pereira wird auch nicht entgangen sein, dass Meyers beste Zeit in Domenico Tedescos 3-5-2 auf Schalke war und Meyer in seiner dortigen Rolle als Schaltzentrale im Zentrum förmlich aufging. Pereira, der einst beim TSV 1860 München arbeitete und die Bundesliga gut kennt, soll auch letztlich ausschlaggebend bei der Zusage für Meyer gewesen sein, wie man aus dem Umfeld Fenerbahces hört.

Inwiefern es eine Rolle spielte, dass Meyer von ROGON beraten wird, darüber spekulieren die türkischen Medien. Der TV-Sender Haber Global zählte in einem Beitrag zuletzt alle Spieler auf, die von ROGON beraten werden und erst kürzlich den Weg zu Fenerbahce fanden. Nach Tolga Cigerci, Simon Falette, Kemal Ademi, Dimitrios Pelkas, Attila Szalai, Luiz Gustavo, Steven Caulker nun also Mergim Berisha, der aus Salzburg kam, und eben Meyer.

Max Meyer während seiner Zeit beim 1. FC Köln.
© imago images
Max Meyer während seiner Zeit beim 1. FC Köln.

Max Meyer bei Fenerbahce: Den Absturz verhindern

Der bekannte Journalist Serdar Ali Celikler schreibt in seiner Kolumne für Habertürk: "Ich hatte schon gesagt, dass das 'Fußball-Gehirn' von Fenerbahce-Präsident Ali Koc in diesem Jahr Roger Wittmann von ROGON heißt." Doch Celikler sieht darin eher eine Chance: "ROGON gibt vorwiegend Spieler mit Potenzial oder Spieler, die hochwollen oder eine neue Chance suchen, zu Fenerbahce. Neben Berisha, der ein großes Potenzial hat, kam mit Meyer ein Spieler, dessen Stern groß aufging, der aber seinen Absturz zuletzt nicht aufhalten konnte."

Den Absturz verhindern, darum geht es für Meyer bei Fenerbahce. Ruft er nur Bruchstücke seines einst schier unendlichen Potenzials ab, könnte der Wechsel ein Glücksgriff für den einstigen Nationalspieler werden. Und auch für Fenerbahce, das zum Nulltarif und guten Konditionen einen einstigen Hoffnungsträger bekam.

Für alle anderen Probleme und Fragen ist Hasan Ali Kaldirim da. Der Meyer-Kumpel, der inzwischen für Basaksehir spielt, wohnt noch immer in Istanbul und kann sicherlich wertvolle Tipps geben.