Im Dezember 2008 fiel der Spatenstich auf dem riesigen Gelände in Sant Joan Despi. Auf dem erst 2006 eröffneten Trainingsgelände Joan Gamper des FC Barcelona entsteht ein neuer Acht-Millionen-Euro-Komplex.
Das hochmoderne Gebäude soll im Laufe der Saison 2010/2011 die neue Heimat für die talentiertesten unter den katalanischen Nachwuchsspieler werden. Das alte Landhaus La Masia, zwei Jahrzehnte Symbol für die beispielhafte Jugendarbeit von Barca, ist dann Geschichte. Mehr als 80 Jugendliche, und damit etwa 20 mehr als zuvor, finden im "La Masia des 21. Jahrhunderts" Platz.
Passend zur Neueröffnung in der nächsten Saison hat sich ein Vorzeige-"Projekt" der Katalanen in den Vordergrund gespielt: Das Reserve-Team Atletic Barcelona schaffte in der vergangenen Saison den Aufstieg in die zweite spanische Liga. In Spanien ist es, anders als in Deutschland, den zweiten Mannschaften erlaubt, bis in die zweite Liga aufzusteigen. Die einzige Einschränkung: Erste und zweite Mannschaft dürfen nicht in derselben Spielklasse auflaufen.
Trainer Luis Enrique bewerkstelligte den überraschenden Aufstieg der Barca-Reserve fast ausschließlich mit Spielern, die der Nachwuchs-Akademie entsprungen sind. Das Durchschnittsalter liegt bei knapp über 20 Jahren.
Nachwuchsspieler rücken in die Öffentlichkeit
Die Spieler wissen um die außergewöhnliche Plattform, die der Klub ihnen bietet. Bereits in der jüngeren Vergangenheit diente das Reserve-Team häufig als Sprungbrett und letzter Schritt vor dem Karriere-Durchbruch. Xavi, Puyol, Iniesta und Messi duchliefen nicht nur die legendäre Barca-Schule, sondern machten auch im Reserve-Team auf sich aufmerksam.
Die Bühne, auf der sich die jungen Spieler in der neuen Saison beweisen dürfen, ist verhältnismäßig groß, was sich für die Verantwortlichen aber auch zum Nachteil entwickeln könnte. Geht es den jungen Ausnahmekönnern bei Barca mit der Entwicklung nicht schnell genug, geraten sie in der Segunda Division mit guten Leistungen augenblicklich in den Fokus anderer Teams.
Dagegen wird der Klub kaum noch Ausleihgeschäfte tätigen müssen. Die Nachwuchskicker können sich direkt an der "Basis" auf hohem Niveau profilieren und müssen nicht mehr den ungeliebten Gang zu einem anderen Klub machen. Die Hoffnung auf eine Nominierung in das Team von Pep Guardiola ist in der Mannschaft von Luis Enrique allgegenwärtig und sorgt für einen harten, aber fairen Konkurrenzkampf.
Barcelona = Spanien
Die beispielhafte Jugendarbeit kommt aber dennoch nicht nur den Katalanen zu Gute. Sage und schreibe sechs Spieler aus der Startelf der spanischen Nationalmannschaft im WM-Halbfinale gegen Deutschland stammen aus La Masia. Die Furia Roja wird wie kaum ein anderes Team so vom Spielstil einer einzelnen Klubmannschaft geprägt.
Der Grundstein für diese nun seit einigen Jahren bestehende Erfolgsgeschichte wurde zu einem wesentlichen Teil in der Talentschmiede La Masia gelegt.
Ex-Barca-Präsident Laporta prahlte im letzten Jahr: "Die ganze Welt orientiert sich an den vielen jungen Spielern, die Ausdruck der Identität unseres Klubs sind." An die versammelten Nachwuchskicker gerichtet, sagte er: "Ihr jungen Spieler gebt unserem Verein ein Gesicht."
Ansammlung von Prototypen
Das Potential scheint unerschöpflich. 19 der 21 Spieler aus dem Reserve-Team von Luis Enrique dürfen für Spanien auflaufen. Sie alle sind Prototypen moderner Fußballspieler, die mit Pass- und Schussgenauigkeit, Antrittschnelligkeit und großer Leidenschaft ausgestattet sind, und dafür sorgen können, dass die spanische Ära gerade erst begonnen hat.
Wer tut sich als nächstes aus der Talentschmiede La Masia hervor? Wen beruft Pep Guardiola möglicherweise schon in der nächsten Saison in sein Team und wer findet sich in naher Zukunft in der Seleccion wieder?
Der Trainer
Luis Enrique: Übernahm das Trainer-Amt 2008 von Pep Guardiola und beendete bereits seine erste Saison auf einem achtbaren fünften Platz. Acht Jahre lang war er für Barca aktiv, lief fünf Jahre gemeinsam mit Guardiola auf. Der 38-Jährige war ein extrem vielseitiger Angreifer, dessen Spiel sich durch viel Bewegung und Laufbereitschaft ausgezeichnet hat. Enrique ist einer der akribischen Arbeiter aus der jungen Garde der Barca-Verantwortlichen, die die junge Vergangenheit der Katalanen entscheidend geprägt haben. Ihn zeichnet eine enge Zusammenarbeit mit Guardiola aus, die die Durchlässigkeit von der zweiten in die erste Mannschaft weiterhin garantieren soll.
Die Torhüter
Rubén Miño Peralta (*18.01.1989): Kam in der regulären Saison auf 17 Spiele. Mino wechselte mit 15 zu Barca, sammelte zwischen 2006 und 2008 in unterklassigen Ligen Erfahrung. Brachte es auf einen Einsatz für die U-21-Nationalmannschaft Spaniens.
Oier Olazábal Paredes (*14.09.1989): Absolvierte 21 Partien. Trainer Enrique favorisiert keinen der beiden Keeper, will beiden gleiche Voraussetzungen liefern. Oier kam mit 16 aus dem Baskenland nach Barcelona und durfte sogar schon für die erste Mannschaft ran. Am letzten Spieltag der Saison 2008/2009 debütierte er gegen RCD Mallorca. Rückt womöglich als dritter Keeper ins Team von Guardiola.
Der Abwehrchef
Marc Bartra Aregall (*15.01.1991): Wechselte im zarten Alter von elf Jahren von Espanyol zu Barca und debütierte erst vergangenen August für die Reserve. Dort wurde der Innenverteidiger innerhalb kürzester Zeit zu einer festen Größe und kam im Februar zu seinem ersten Einsatz in der Primera Division. Er ist der zwölfte Akademiespieler, der unter der Führung von Guardiola sein Debüt im Profiteam gab. Spanische Medien spekulierten im Frühjahr über einen Wechsel zum Erzfeind Real Madrid, doch Senkrechtstarter Bartra entschied sch für eine Vertragsverlängerung bei Barca. Steht in der kommenden Saison wahrscheinlich im Kader der ersten Mannschaft. Verbindet die spielerische Stärke von Pique mit der Leidenschaft von Carles Puyol.
Der Stratege
Jonathan dos Santos (*26.04.1990): Seit 2002 in Barcelona. Nach Giovanni dos Santos der nächste Mexikaner, der den Sprung nach La Masia aus einer der sechs von Barca betriebenen Fußballschulen in Mexiko schaffte. Gehörte bereits in der vergangenen Saison zum Kader der ersten Mannschaft und spielte Anfang Januar gegen Villarreal von Beginn an. Insgesamt sechs Einsätze in der ersten Mannschaft, 19 in der zweiten. Zudem hat der zentrale Mittelfeldspieler bereits drei Länderspiele für sein Heimatland auf dem Buckel und stand sogar im vorläufigen WM-Aufgebot von El Tri. Erinnert in seiner Spielweise an Yaya Toure.
Der Kapitän
Jose Manuel Rueda (*30.01.1988): Seit 2001 bei den Katalanen. Wurde vor der Saison von Luis Enrique zum Kapitän ernannt. Der defensive Mittelfeldmann absolvierte fast alle Saisonspiele über die volle Distanz. Rueda war drei Jahre fester Bestandteil von Atletic und kehrt dem Verein im Sommer den Rücken., um erstklassig zu spielen. Sein neuer Klub: AC Omonio aus Zypern.
Die Flügelzange
Gai Yigaal Assulin (*09.04.1991): Der Israeli gilt al seines der größten Talente der Katalanen, in seinem Heimatland bereits als "Jahrhundertalent". Assulin kam mit zwölf Jahren nach Spanien und wurde bereits mit 16 zum israelischen Nationalspieler. 2007 unterschrieb der schnelle Flügelstürmer einen Profi-Vertrag über drei Jahre, der mit seinem 18. Geburtstag rechtskräftig wurde. Seine feste Ablösesumme wurde auf 20 Millionen Euro festgelegt. Gehört in der nächsten Saison wohl zum Kader von Pep Guardiola. Spielt die Messi-Position, sucht aber häufiger den tödlichen Pass als den eigenen Abschluss.
Thiago Alcántara Do Nascimiento (*11.04.1991): Ein in Italien geborener Brasilianer, der sich für die spanische Nationalmannschaft entschieden hat. Seit 2005 bei Barca, gab er sein Debüt für die erste Mannschaft am 36. Spieltag der Saison 2008/09 gegen RCD Mallorca. 2008 gewann er mit Spaniens U 17 die Europameisterschaft. Am 12. Juni 2010 verlängerte Tiago seinen Vertrag bei Barcelona bis 2011, der sich mit der voraussichtlichen Berufung in die erste Mannschaft automatisch bis 2013 verlängert. Ein geborener Spielmacher, der ähnlich wie Andres Iniesta überall im Angriff eingesetzt werden kann.
Der Sturmtank
Jonathan Soriano (*02.09.1985): Mit 24 Jahren der drittälteste Spieler im Kader von Luis Enrique, brachte er es auf 23 Treffer in 37 Partien. Wurde vom Stadtrivalen Espanyol ausgebildet und durchlief sämtliche Nachwuchsmannschaften des spanischen Verbands. Ist die zentrale Anspielstation in der Angriffsspitze und ein eiskalter Elfmeterschütze.Typ David Villa. Guardiola hat ihn bisher nicht berücksichtigt.