König der Paparazzi und Betrüger: Er löste den Wettskandal um Nicolò Fagioli, Sandro Tonali und Nicolò Zaniolo aus

Fabrizio Corona: Seine Enthüllungen lassen gerade den italienischen Fußball zittern.
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Fabrizio Corona saß die letzten zehn Jahre in Haft. Kaum in Freiheit, lassen seine angeblichen Enthüllungen über illegale Wetten von italienischen Nationalspielern wie Sandro Tonali und Nicolò Zaniolo den Calcio zittern. Was treibt den früheren Paparazzo und Playboy an?

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Der Mann, vor dem sich der italienische Fußball und seine Protagonisten in diesen Tagen womöglich noch mehr fürchten müssen als vor den Ermittlungen der Staatsanwälte, behauptet von sich selbst, "unsterblich" zu sein. "Ich bin mir sicher, dass ich aus dem vierten Stock auf die Straße fallen könnte und nicht sterben würde", sagte Fabrizio Corona in der am 26. September ausgestrahlten Folge von Belve (deutsch: Bestien), einer der populärsten und zweifellos besten Interviewsendungen im italienischen Staatsfernsehen Rai.

Fabrizio Corona, Wettskandal Italien
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Fabrizio Corona: "Ein mythisches Wesen, halb Gott, halb Scheiße"

Zwei Tage vorher war "einer der schönsten Männer der Welt", dieses "mythische Wesen, halb Gott, halb Scheiße", der "aus der Heuchelei der Leute ein Geschäft gemacht hat" (alles Corona über Corona), erst wieder in Freiheit gekommen. Nach insgesamt zehn Jahren in Haft, teilweise wegen seiner offen eingestandenen Drogensucht und allerlei psychischer Probleme im Hausarrest verbracht in seinem Luxus-Apartment in Mailand.

Praktisch seit seiner Freilassung tingelt Corona, der aus einer bekannten Journalistenfamilie stammt und der selbst Anfang des Jahrtausends mit seiner Agentur Corona's zum "König der Paparazzi" aufstieg, durch die Talkshows und proklamiert für kolportierte 12.000 Euro pro Auftritt seine Geschichten. Bis zur Unerträglichkeit großspurig und arrogant, der eitelste und aufgeblasenste Fatzke unter der Sonne - aber eben auch äußerst unterhaltsam.

Während Corona bei Belve noch vor allem über sich und sein Leben und seine Geschäftsmodelle (auch über die illegalen, aber dazu später mehr) sprach und seiner Interviewerin Francesca Fagnani schamlos übergriffige sexuelle Avancen machte ("Gefalle ich dir noch?" [...] "Wenn wir alleine wären ..."), tritt er neuerdings als investigativer Journalist auf.

Mehrere italienische Fußballer sind im Visier der Behörden.
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Wettskandal in Italien: Nicolò Fagioli zeigte sich nach Fabrizio Coronas Enthüllungen selbst an

Und das mit einer fast schon unheimlichen Trefferquote: Jede neueste Wendung im aktuellen Wettskandal, der wieder mal den Calcio erschüttert - Fabrizio Corona enthüllte sie als Erster. Schon am 2. August, noch aus dem Hausarrest und weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, raunte Corona in seinem Telegram-Kanal über eine angebliche Wettspielsucht und Millionenschulden von Nicolò Fagioli. Nicht gänzlich geklärt ist, ob die Staatsanwalt Turin damals schon gegen den jungen Mittelfeldspieler von Juventus ermittelte oder ob sie erst durch Coronas Plauderei aufmerksam wurde. Fakt ist: Fagioli zeigte sich einige Wochen nach der Enthüllung des Ex-Paparazzos selbst an und gab zu, auf illegalen Plattformen im Web auf Fußballspiele gewettet zu haben.

Profisportler in Italien dürfen nicht auf Ereignisse in der Sportart wetten, die sie selbst betreiben und natürlich erst recht nicht auf illegalen Plattformen. Fagioli erklärte, niemals auf Spiele seiner Mannschaft Juventus gewettet zu haben und begründete sein Fehlverhalten mit seiner Spielsucht. Der 22-Jährige kooperiert in der Hoffnung auf Strafmilderung mit den Behörden, spekuliert wurde jüngst über eine Sperre von zehn Monaten statt drei Jahren.

Fabrizio Corona dreht seit Fagiolis Geständnis völlig frei. Er gründete kurzerhand das News-Portal Dillingernews, benannt nach dem notorischen US-amerikanischen Bankräuber John Dillinger. "Only the outlaws will be free", soll dieser in den 1930er-Jahren gesagt haben, Corona sieht sich und seine zwölf Mitarbeiter als Informations-Outlaws, die ihr "Leben riskieren. Die Kurven und die Unterwelt werden uns suchen", raunte er in einem Interview mit dem "Corriere della Sera", Italiens meistverkaufter seriösen Tageszeitung. Aber er lasse sich nicht aufhalten. Corona will den etablierten Journalisten den Journalismus erklären. So wie er seinen Paparazzi einst beibrachte, dass es für alle Beteiligten (vor allem für ihn) lukrativer sein könnte, A-, B- und C-Promis nicht nur abzuschießen, sondern Skandale (mit oder ohne das Mitwirken der Promis) gleich selbst zu inszenieren.

Und so schießt das Medien-Start-Up, "fünf Millionen Unique User in vier Tagen" (Corona), seit einigen Tagen Story um Story und Enthüllung um Enthüllung ins Netz. Themen: Der (angebliche) "Sex-Marathon" eines Reality Stars auf Ibiza, die neuesten designierten Kandidaten der italienischen Ausgabe von Big Brother und natürlich: der Wettskandal. Sandro Tonali und Nicolò Zaniolo seien auch beteiligt, gegen sie werde auch ermittelt, enthüllte Corona - die Staatsanwaltschaft bestätigte, indem sie die Nationalspieler im Quartier der Squadra Azzurra befragte. Die Nationalmannschaft schickte beide Spieler zu ihren Vereinen zurück.

Fabrizio Corona
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Wettskandal: Sandro Tonali wohl geständig, Nicolò Zaniolo schweigt

Mittlerweile soll auch Tonali von Newcastle United, der wohl beste italienische Spieler seiner Generation, gestanden haben, spielsüchtig zu sein und auf der illegalen Plattform auf Fußballspiele gewettet zu haben. Auch er soll mit den Behörden kooperieren wollen. Jedes Detail natürlich auch enthüllt von Corona.

Zaniolo, derzeit von Galatasaray an Aston Villa ausgeliehen, dagegen schweigt, laut seinem Anwalt soll er auf der Plattform lediglich Blackjack und Online-Poker gespielt, aber nicht gewettet haben. Corona behauptet jedoch, Zaniolo habe sogar auf ein Pokalspiel seines damaligen Vereins AS Rom gewettet. Ein weiterer von Corona beschuldigter Profi, Nicola Zalewski von der AS Rom, streitet indes ab, in seinem Leben jemals gewettet zu haben und drohte Corona mit Klage.

Der 50-Jährige nahm es locker, am Dienstag will der Ex-Paparazzo und heutige Whistleblower nun in einer weiteren Rai-Talkshow unmittelbar nach dem vorentscheidenden EM-Qualifikationsspiels Italiens in England "alle Hintergründe" zum Fall Zaniolo enthüllen und weitere Namen und Hintermänner nennen.

Der Staatsanwaltschaft stand der 50-Jährige übrigens bereits Rede und Antwort - als "informierte Person", nicht als Tatverdächtiger. Die Frage, von wem Corona das alles so genau weiß, beantwortete er am Sonntag im Corriere della Sera selbst. Die Quelle sei der "Onkel eines früheren Spielers von Inter Mailand zu Zeiten Mourinhos und enger Freund von Mario Balotelli. Mario ist ein Freund von mir, er war oft bei mir und war geschockt von den Beweisen, die ich ihm vorgelegt habe", sagte Corona.

Im Journalismus sonst selbstverständliche (und fundamental wichtige) Dinge wie Quellenschutz scheinen für einen Informations-Outlaw wie Corona nicht zu gelten.

Immerhin beeilte er sich klarzustellen, dass er den Fußballern nichts Böses wolle und sich keinesfalls auf einem Rachefeldzug befände. "Die Spieler sind nicht schuldig, sie sind schwer krank, sie sind spielsüchtig. Sie dürfen nicht bestraft werden", erklärte Corona.

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Fabrizio Corona: Fünf Jahre in Haft, weil er David Trezeguet erpresste

Diese Argumentation mag dem ein oder anderen in Italien bekannt vorgekommen sein, womöglich gar von einem der zahlreichen Prozesse gegen Fabrizio Corona seit 2007. Viele der juristischen Vorwürfe gegen sich hatte Corona versucht, mit seinen Süchten, unter anderem nach Kokain, Amphetaminen, Botox-Behandlungen (angeblich überwunden), Aufmerksamkeit, Psychopharmaka und Potenzmitteln (laut eigener Aussage anhaltend) zu erklären.

Verurteilt wurde er dennoch immer wieder. Unter anderem wegen Insolvenzverschleppung, Steuerhinterziehung, Korruption und Betrug. In den aufsehenerregendsten Prozessen, die ihn am bekanntesten machten und am längsten ins Gefängnis brachten, wurde er jedoch wegen Erpressung und versuchter Erpressung schuldig gesprochen. Corona hatte von seinen Opfern teils sehr hohe Geldsummen gefordert, andernfalls hätte er kompromittierende Fotos, etwa mit Affären und teils auch transsexuellen Prostituierten, veröffentlicht.

Coronas Opfer: bekannte Unternehmer wie der Agnelli-Spross Lapo Elkann und bekannte Fußballer wie David Trezeguet, Adriano, Alberto Gilardino und Francesco Totti. Allein die Erpressung von David Trezeguet, damals bei Juventus, brachte Corona für fünf Jahre ins Gefängnis.

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