Juventus Turin: Präsident Andrea Agnelli und Vize Pavel Nedved legen Ämter nieder - LaLiga fordert Sanktionen

Von SID
Juventus Turin hat einen Verlust von 119 Millionen Euro im ersten Halbjahr vermeldet.
© getty

Tiefe Krise beim italienischen Rekordmeister Juventus Turin: Der Gesamtvorstand um Klubchef Andrea Agnelli ist zurückgetreten.

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Wie breit das Grinsen im Gesicht von Aleksander Ceferin war, ist nicht überliefert. Es darf dennoch angenommen werden, dass sich der UEFA-Präsident diebisch über das Aus seines Widersachers Andrea Agnelli bei Juventus Turin und die tiefe Krise des Möchtegern-Superligisten gefreut hat. Eine Viertelmilliarde Euro Verlust, Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Rücktritt des kompletten Vorstandes bringen den italienischen Rekordmeister ins Taumeln.

Die seit Wochen schwelenden Probleme eskalierten am späten Montagabend, als Klubchef Agnelli und dessen Stellvertreter Pavel Nedved aus der Verantwortung flüchteten. In der Folge stürzte die Juve-Aktie an der Mailänder Börse ab. Der Handel mit dem Wertpapier, das nur noch wenige Cent wert ist, wurde am Dienstag sogar vorübergehend ausgesetzt.

Zum Krisenmanager wurde eilig Gianluca Ferrero berufen. Der Wirtschaftsprüfer und Unternehmer soll auf Agnelli folgen. "Ferrero verfügt über die Erfahrung, die Fähigkeiten und eine Leidenschaft für den Verein", hieß es am Dienstag vonseiten der Holding-Gesellschaft der Agnelli-Familie (Excor), die Juve kontrolliert. Zum neuen Generaldirektor wurde Maurizio Scanavino ernannt. Er ist Geschäftsführer der Verlagsgruppe GEDI, die ebenfalls zum Agnelli-Imperium gehört.

Die neuen Chefs müssen den Trümmerhaufen beseitigen, den Agnelli hinterlassen hat. Juristisch wie wirtschaftlich steht die "Alte Dame" vor einer ungewissen Zukunft. "Wir erleben einen heiklen Moment, der Zusammenhalt hat versagt", schrieb Agnelli in seiner Rücktrittserklärung: "Es ist besser, einem neuen Führungsteam die Chance zu geben, das Spiel zu wenden."

Juventus-Krise: Finanzieller Verlust und drohende Sanktionen

Ob das gelingen kann, erscheint offen. Ende Oktober hatte die Turiner Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen wegen mutmaßlicher Bilanzfälschung und Unregelmäßigkeiten bei Spielertransfers abgeschlossen. 16 Angeklagten droht ein Prozess, inklusive Agnelli und Nedved. Finanziell ist der Verein schwer angeschlagen, im zurückliegenden Geschäftsjahr machte Juve 254 Millionen Euro Verlust.

Der spanische Ligaverband hat am Dienstag von der Europäischen Fußball-Union Sanktionen gegen Juventus gefordert, da der Klub gegen das Financial Fairplay verstoßen habe. Schon im April hatten die Spanier deshalb Beschwerde bei der UEFA eingelegt.

Agnelli hatte das Minus stets mit der Corona-Pandemie erklärt. Die großen finanziellen Probleme gelten auch als Grund dafür, dass Juventus bis zuletzt mit Real Madrid und dem FC Barcelona an der Gründung einer Super League als Konkurrenz zur Champions League der UEFA festhielt. Erst vor wenigen Wochen untermauerte Agnelli seine Absichten in einem Schreiben an die Aktionäre. Danach allerdings verschob Juventus die Versammlung der Teilhaber zweimal.

Der Streit um die Super League hatte zum Zerwürfnis zwischen den alten Freunden Ceferin und Agnelli geführt. "In meinen Augen existiert dieser Mann nicht mehr", hatte Ceferin, Patenonkel einer Agnelli-Tochter, gesagt.

Ob Juventus unter der neuen Führung Anhänger der Super-League-Idee bleibt, die im April 2021 nach nur 48 Stunden vorerst gescheitert war, ist offen. Seit Juli beschäftigt sich der Europäische Gerichtshof mit dem Projekt.

Sportlich sind die Turiner, die unter Agnelli neun Meisterschaften in Folge holten und zweimal das Finale der Champions League erreichten, derzeit alles andere als super. In der Königsklasse ist Juve in der Gruppenphase gescheitert, in der Serie A liegt Turin zehn Punkte hinter Spitzenreiter SSC Neapel.

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