Ronaldos Engagement bei Juventus wird zum Trauerspiel: Der Heilsbringer, der keiner war

Von Dennis Melzer
Cristiano Ronaldo scheitert mit Juventus Turin im Achtelfinale der Champions League am FC Porto.
© getty

Cristiano Ronaldo sollte Juventus Turin zum Champions-League-Sieg verhelfen. Stattdessen scheitert die Alte Dame erneut im Achtelfinale. Das Engagement des mehrfachen Weltfußballers wird zum Trauerspiel.

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Jedes Jahr Meister werden, schön und gut, regelmäßig das Double aus Scudetto und nationalem Pokal eintüten, wunderbar. Gänzlich zufrieden mit der traditionellen Ausbeute waren die Verantwortlichen von Juventus Turin in den vergangenen Jahren aber nicht. Der Henkelpott sollte es mal wieder sein, der heilige Gral der Fußballwelt, der die prall gefüllte Trophäenvitrine des Edelklubs zum letzten Mal 1996 mit seiner Anwesenheit beehrt hatte.

Um das Ziel aller Ziele nach Jahrzehnten des Darbens wieder zu erreichen, ließ die Alte Dame im Sommer 2018 ihre beachtlichen Muskeln spielen. Die Verpflichtung Cristiano Ronaldos galt als Machtdemonstration, als deutliches Warnsignal an die Konkurrenz. Der Tenor: Jetzt haben wir es, das letzte Puzzleteil, das Sieger-Gen, das für einen kurzfristigen Erfolg in der Königsklasse so obligatorisch ist. 117 Millionen Euro ließ Juve sich den hochdekorierten Gewinnertypen kosten. 117 Millionen für den Champions-League-Sieg.

Juventus fliegt zum dritten Mal in Folge frühzeitig aus der CL

Knapp drei Jahre später ist klar: Der vermeintliche Heilsbringer legitimierte weder das viele Geld noch die - zugegebenermaßen - zum damaligen Zeitpunkt berechtigten Vorschusslorbeeren. Ronaldos K.o.-Runden-Auftritte gleichen einem Trauerspiel. Zum dritten Mal in Folge musste Juventus in der Champions League vorzeitig die Segel streichen, zum dritten Mal in Folge handelte es sich beim Gegner um einen Kontrahenten, der nominell eigentlich nicht an die fußballerischen Fertigkeiten der Bianconeri heranreicht.

2019 kegelte Ajax den italienischen Primus im Viertelfinale raus, im vergangenen Jahr war gegen Olympique Lyon im Achtelfinale Endstation, diesmal biss sich Juve in der Runde der letzten 16 an einem dezimierten FC Porto die Zähne aus.

"Albtraum", "Untergang" oder "Desaster" - die italienischen Medien geizten freilich weder mit martialischen Sinnbildern noch mit Kritik. Auch der Hauptverantwortliche für das Fiasko war schnell gefunden: Cristiano Ronaldo. Natürlich. "Nur noch ein weit entfernter Verwandter" des einstigen CL-Königs sei er, befand La Stampa. Corriere della Sport hatte den "schlechtesten Ronaldo aller Zeiten" gesehen.

Vor allem, weil der Portugiese bei einem Porto-Freistoß, der in der 115. Minute aus nicht sonderlich verheißungsvoller Position im Tor landete, hochsprang und sich zu allem Überfluss auch noch wegdrehte, hagelte es Schuldsprüche und Häme en masse. Coach Andrea Pirlo, normalerweise ein recht ruhiger Zeitgenosse, der nicht dafür bekannt ist, gegen die eigenen Schützlinge zu schießen, erklärte: "Er hat sich noch nie so gedreht, das war ein Fehler."

Fabio Capello: "Ein unverzeihlicher Fehler"

Die italienische Trainerlegende Fabio Capello fand bei Sky Sport Italia noch deutlichere Worte: "Ein unverzeihlicher Fehler. Zu meiner Zeit hat man die Spieler ausgesucht, die in die Mauer gehen. Da durfte keiner dabei sein, der Angst vor dem Ball hat." Neben Ronaldo galt Capellos Kritik Adrien Rabiot, der in der Mauer ebenfalls keine gute Figur abgegeben hatte. "Man sieht nur die jüngsten Spieler, die in den schwierigen Momenten vorangehen und den Kopf hinhalten. In diesem Team sind Routiniers, die nur auftauchen, wenn sie gewinnen - die aber nicht zu sehen sind, wenn sie verlieren", legte der 74-jährige Ex-Juve-Übungsleiter nach.

Besagte Freistoß-Szene war vor allem symbolischer Natur, stand bildhaft für den Gesamteindruck, den Ronaldo hinterließ. Magere 41 Prozent seiner direkten Duelle entschied der fünfmalige Weltfußballer für sich, mit 81 Prozent brachte er verhältnismäßig wenige Pässe an den Mann - zudem standen am Ende 17 Ballverluste zu Buche.

Juve und CR7: Vorzeitiges Ende der Zusammenarbeit?

Ronaldo als Sündenbock auszumachen ist gleichermaßen reflexhaft populistisch wie nachvollziehbar. Juventus hat sehr viel Geld in die Hand genommen, um endlich wieder ein ernstes Wort im Rennen um die europäische Krone mitsprechen zu dürfen. Die Strahlkraft, die von CR7 ausgeht, sollte überspringen auf den gesamten Klub.

Die nationalen Meisterschaften sollte Juve mit Ronaldo als fest eingeplantes Beiwerk erscheinen lassen - die Sahne auf der sportlichen Torte sollte der Champions-League-Pokal sein. Die nationalen Titel hätte Juve vermutlich auch ohne den 36-Jährigen geholt, in dieser Saison ist aber nicht einmal diesbezügliche Silberware gesichert.

In der Coppa Italia stehen die Turiner im Finale, in der Serie A hofft man darauf, den enteilten Erzrivalen Inter Mailand noch abzufangen. Nicht die Ansprüche eines Rekordmeisters, nicht die Ansprüche eines Cristiano Ronaldo. Und so wird bereits medial spekuliert, ob das Engagement des Superstars ein vorzeitiges Ende findet. Ronaldo steht noch bis 2022 bei Juventus unter Vertrag, sein Gehalt soll bei rund 31 Millionen Euro jährlich liegen.

Juventus Turin benötigt eine Verjüngungskur

Gerüchte um einen möglichen neuen Arbeitgeber gibt es bereits. David Beckham, Besitzer des MLS-Klubs Inter Miami, sagte beispielsweise unlängst: "Ohne Zweifel, sie [Cristiano Ronaldo und Lionel Messi] sind die Spielertypen, die wir gerne in unserem Klub hätten. Mit Blaise Matuidi und Gonzalo Higuain sind dies Spieler, die unserer Meinung nach zum Glanz und Glamour des Vereins beitragen."

Davon abgesehen hat die Alte Dame generell hat eine Verjüngungskur nötig, talentierte Spieler wie Federico Chiesa (drei Tore gegen Porto insgesamt), Dejan Kulusevski oder Matthijs de Ligt haben mitunter angedeutet, dass ihnen eine große Zukunft bevorstehen könnte. Ob die Ausrichtung, vornehmlich auf unerfahrenere Akteure zu setzen, zeitnah zur Erfüllung des alles überstrahlenden Traums führt, ist natürlich fraglich. Viel schlechter als derzeit kann es vor allem auf internationalem Parkett aber auch ohne Ronaldo kaum laufen.