Mario Balotelli bei Manchester City: Why always him?

Von Gianluca Fraccalvieri
Mario Balotelli wurde in Manchester City zum Skandalrprofi.
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2012 zerstörte er den deutschen Traum des EM-Finales mit einem Doppelpack und schuf eines der ersten Internet-Memes. Doch vom einstigen Super-Mario ist nicht mehr viel übrig. Dieser damals so gefürchtete, pfeilschnelle, robuste und dribbelstarke Stürmer hat sich über die Jahre zum wohl größten Skandalprofi seiner Zeit entwickelt - vor allem seine Jahre bei Manchester City bieten Stoff für gleich mehrere Bücher.

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"Mario lebt nach seinen eigenen Regeln. Man sagt ihm etwas - und er tut das Gegenteil", sagte Massimo Cellino, Patron und Boss von Serie-A-Klub Brescia Calcio kürzlich der Gazzetta dello Sport und ließ diesen Worte Taten folgen. Er kündigte den bis 2022 laufenden Vertrag des mittlerweile 29-jährigen Stürmers aus "triftigem Grund".

So endet auch die Zeit beim Klub seiner Heimatstadt vorzeitig für Mario Balotelli. Es ist die Fortsetzung einer Reihe an Eskapaden, die Balotellis Karriere durchziehen, seit er 2007 zum ersten Mal auf der großen Fußballbühne auftauchte. Doch wenigstens schoss er zu Beginn seiner Karriere noch Tore.

Mario Balotelli: Der Beginn seiner Skandale bei Manchester City

"Jeden Tag sage ich Mario, dass ich die Geduld mit ihm verloren habe. Jeden Tag", sagte der damalige City-Trainer Roberto Mancini Ende 2012 in einem großen Time-Feature über Balotelli. Dabei war es Mancini selbst, der Balotelli 2010 von Inter Mailand zu den Sky Blues geholt hatte. Mancini, der Balotellis Talent früh erkannte und ihn schon mit 17 Jahren in die Profimannschaft der Nerazzurri hochgezogen hatte. Mancini, über den Balotelli sagte, er sei "wie ein Vater" für ihn - ein Vater, auf den er nicht hörte.

Bereits in seinen ersten Tagen in Manchester konnten die Verantwortlichen einen Eindruck davon bekommen, was für eine Bürde sie sich mit dem exzentrischen Stürmer auferlegt hatten.

Nur kurze Zeit nach seiner Unterschrift schrottete Balotelli, der im Champions-League-Finale 2010 gegen den FC Bayern 90 Minuten auf der Bank schmorte, weil er wenige Tage vorher Jose Mourinho mal wieder zur Weißglut gebracht hatte, seinen Audi R8 auf dem Weg zum Training und antwortete den Polizisten vor Ort auf die Frage, warum er denn 5.000 Pfund in bar dabei habe, kurzerhand: "Weil ich reich bin".

Man merkt, der Grat zwischen Genie und Wahnsinn war bei Balotelli schon immer sehr schmal, ja, meist zu schmal.

Mario Balotelli: Von Dartspfeilen, Feuerwerkskörpern und Rasenallergien

Unvergessen auch die Verrücktheit, als er Dartspfeile auf die Spieler der Jugend-Akademie warf. Ohne sie dabei aber zu treffen und auch ohne wirklichen Grund. Die Folge: läppische 100.000 Pfund Strafe. Oder in Balotellis Welt: ein Wochengehalt.

Doch es kam noch besser. 36 Stunden vor dem wichtigen Saisonspiel gegen Erzrivalen United kam Balotelli auf die unglaubliche Idee, in seinem Badezimmer Feuerwerkskörper zu zünden. Dass er dabei seine halbe Villa abfackelte, einen Schaden von 400.000 Pfund verursachte und bis zur Renovierung im Hotel wohnen musste, schien ihn nicht weiter zu stören. Als wäre nichts gewesen, knipste er 36 Stunden später doppelt bei der legendären 6:1-Demütigung der Red Devils. Nach seinem ersten Tor zog er sich das Trikot über den Kopf, zum Vorschein kam ein blaues T-Shirt mit der Aufschrift "Why always me?" Ja, warum eigentlich?

Als Sahnehäubchen posierte er am darauffolgenden Montag als Gesicht einer neuen Werbekampagne, die Jugendliche warnen sollte - vor den Gefahren von Feuerwerkskörpern.

Mario Balotelli in seiner Kampagne für den verantwortungsvollen Umgang mit Feuerwerkskörpern.
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Mario Balotelli in seiner Kampagne für den verantwortungsvollen Umgang mit Feuerwerkskörpern.

Ach ja, und dann hatte er auch noch eine plötzlich auftretende Rasenallergie. Wäre ja auch langweilig, wenn nicht.

"Oooh Balotelli, he's a striker, he's good at darts. An allergy to grass but when he plays he's f***ing class. He drives around in Moss Side with a wallet full of cash", begann es schon bald durch die Pubs von Manchester zu schallen. Sie liebten ihren Enfant Terrible eben auch.

Mario Balotelli und der wohl peinlichste Fehlschuss aller Zeiten

Seine Quote von 30 Tore in 80 Spielen für die Citizens ist nicht gerade überragend, aber alles andere als übel. Alleine für seine Vorlage zum Tor von Sergio Agüero, das City in der Nachspielzeit gegen die Queen Park Rangers die Meisterschaft sicherte, wird er bei den Fans wohl für immer in Erinnerung bleiben - bezeichnenderweise seine einzige (!) Vorlage für City in der Premier League.

Wie schnell es mit dieser Liebe allerdings auch wieder vorbei sein kann, wusste Balotelli jedoch auch nur allzu gut.

In einem Vorbereitungsspiel gegen L.A. Galaxy lief er in der 29. Minute unbedrängt aufs Tor zu, doch anstatt locker anzuschieben oder seinen mitgelaufenen Kollegen Edin Dzeko zu bedienen, kam erneut Bad Mario zum Vorschein. Er probierte ein Kunsttor mit der Hacke, was maximal schiefging. Unter Buh-Rufen des gesamten Stadions wechselte Mancini seinen Stürmer auf der Stelle aus.

"Ich liebe Mario und er frustriert mich manchmal, wegen den Fehlern, die er macht", sagte Patrick Vieira damals, der sich bei City um die aufstrebenden Talente kümmerte. "Manchmal diskutiere ich mit ihm und frage ihn: 'Warum machst du diese ganzen Dinge, das bist doch gar nicht du?' Und dann lacht er, weil er weiß, dass es die Wahrheit ist."

Und diese Wahrheit ist vielleicht tiefgründiger, als man denkt. Why always him?

Mario Balotellis ständiger Kampf gegen den Rassismus

Geboren auf Sizilien als Kind von Flüchtlingen, die ihn früh weggaben, wuchs er in einer Pflegefamilie in Brescia auf. Balotelli, der schwarze Italiener, hatte schon früh mit dem Thema Rassismus zu kämpfen. Sowohl im Fußballteam seiner Schule, als auch in der U21-Mannschaft Italiens war er der wohl talentierteste Spieler, aber eben auch der einzige schwarze.

"Als ich noch nicht berühmt war, hatte ich viele Freunde, viele von ihnen waren Italiener", sagte Balotelli zu seiner Zeit bei ManCity dem Time Magazine. "Der Rassismus begann erst, als ich anfing, Fußball zu spielen." Und losgelassen hat er ihn bis heute nicht, Beispiele aus seiner Zeit in Mailand und selbst zuletzt in Brescia, seiner Heimatstadt, gibt es zuhauf.

Seit jeher sah sich Balotelli mit dem Hass und den rassistischen Anfeindungen seiner eigenen Landsleute konfrontiert. Das riesige Talent paarte sich mit großer Aggression, das immer wieder explosionsartig nach draußen drängte. Gepaart mit einem unfassbaren Haufen Geld, das er seit seiner frühesten Jugend verdiente und einer schwierigen Beziehung zu seiner leiblichen Familie, über die er nicht redet. Und dann war da ja auch noch dieser Kindskopf: Eine schwierige Kombination, eine explosive Mischung.

Als er einst gefragt wurde, was er später einmal gerne für ein Vater sein würde, antwortete der junge Balotelli. "Ich glaube, mein Kind braucht eine Mutter, die weiß, wie man nein sagt. Als kleines Kind habe ich so viel gelitten, dass ich es (das Kind) so sehr lieben werde und vielleicht nicht in der Lage sein werde, nein zu sagen." Eine Antwort, die tief blicken lässt. Das Wort 'nein' gab es in Balotellis Leben vielleicht einfach auch zu selten.

Selbst in der italienischen Nationalmannschaft war Mario Balotelli nicht sicher vor rassistischen Anfeindungen.
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Selbst in der italienischen Nationalmannschaft war Mario Balotelli nicht sicher vor rassistischen Anfeindungen.

Mario Balotellis Ende bei Manchester City

Anfang 2013 hatte selbst Mancini, sein Mentor und "Vater", genug von den Tiraden des damals 22-Jährigen. Seine zwei Tore im EM-Halbfinale 2012 hatten Deutschland den Traum vom Finale gekostet, Balotelli hatte danach mit seinem Hulk-Jubel mit nacktem Oberkörper eines der ersten globalen Internet-Memes geschaffen. Ruhiger geworden war es dadurch nicht um ihn. Und er selbst kam gar nicht mehr zur Ruhe. Super Mario war nun beinahe nur noch Mad Mario. Mancini schickte ihn weg.

Für Balotelli ging es zurück nach Mailand, diesmal zu Milan. Er traf in 42 Spielen 26-Mal. Doch Super Mario blitzte nur auf dem Platz auf. Balotelli wusste sich nicht an die Normen des Klubs anzupassen und fiel immer wieder durch Skandale auf.

"Er ist ständig mit vielen Dingen beschäftigt. Er tut etwas und dann hat er eine Idee und dann möchte er etwas anderes machen. Er hat einen Gedanken und danach hat er hundert andere", beschrieb ihn seine Adoptivschwester Cristina Balotelli im Time Magazine einst. "Du machst einen Termin mit ihm aus und er ändert ihn zweimal."

Was er jedoch wohl nicht mehr ändern wird, ist sein Einstellung zum Fußball und seiner Funktion als Vorbild. Nun, mit 29, ist er längst kein Talent mehr. Und kann auch nicht mehr als schwer erziehbar durchgehen. Er, der womöglich der beste Stürmer seiner Generation hätte werden können, wird wohl für immer als Skandalprofi in Erinnerung bleiben - vielleicht sogar als der größte seiner Zeit.